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Nemesis
Eine Sekunde erstarrten alle und blickten entsetzt auf Aramis, der mittlerweile gekrümmt am Boden lag.

„Nemesis!", Drystans Kopf schoss sofort hoch und richtete sich auf mich, „Du kannst ihm helfen, oder? Du hast es bei Chara getan."

Ich biss die Zähne aufeinander, weil ich mich an den Schmerz erinnerte, aber ich nickte und machte einen Schritt auf Aramis zu.

„Nemesis sollte das nicht tun", sagte Naevan ruhig, aber voller Härte. Dabei richteten sich seine dunklen Augen auf den Prinzen.

Drystan begegnete dem Blick der Hüters eisern.
„Aramis wird sonst zum Infizierten!"

Der genannte wollte sich - immer noch schreiend - an die Schulter fassen, aber Martell hielt ihn an den Handgelenken am Boden fest. Dabei musste er ein paar Tritte einstecken, aber mit Augen voller Angst ertrug er es.

Naevan musterte den verletzten Gardisten ausdruckslos.
„Wenn Ihr wüsstest, was es Nemesis kostet, dann würdet Ihr das nicht von ihr verlangen."

Die restlichen Anwesenden runzelten die Stirn und sahen fragend zu mir. Nur Martell war damit beschäftigt, Aramis am Boden zu halten.

Kaum merklich presste ich die Lippen aufeinander und blieb neben Aramis und Martell stehen. Drystan mir gegenüber ließ mich nicht aus den Augen.

Naevan beantwortete die unausgesprochene Frage:
„Nemesis muss die Infektion auf sich übertragen, um sie bekämpfen zu können. Das bedeutet, auch den Schmerz, der damit verbunden ist."

Drystans Augen weiteten sich.
„Ist das wahr?", flüsterte er.
Als ich knapp nickte, entstand ein Zwiespalt in seinen Augen und er sah zwischen den gequält Schreienden Aramis und mir hin und her.

Chara fing meinen distanzierten Blick auf und neigte den Kopf.
„Ich hatte zwar eine grobe Ahnung, aber ich hatte nicht wissen können, dass es diesen Ausmaß hat. Ich danke dir nochmal, dass du mich damals gerettet hast."
Wieder nahm ich es mir einem knappen Nicken zu Kenntnis.

Währenddessen schwieg der Hüter und vermied es wieder mich anzusehen. Mit ausdrucksloser Miene behielt er Aramis im Blick, als erwartete er, dass dieser jeden Moment alle angreifen würde.

Was vielleicht gar nicht so weit hergeholt war, denn plötzlich kam zwischen den Schreien ein Fauchen aus Aramis' Mund.
Martell zuckte zurück, hielt seinen Freund aber weiterhin fest. Da er gut das doppelte an Muskelmase hatte, fiel es ihm nicht allzu schwer

Wenn es vorher Angst war, dann wurde der Ausdruck auf seinem Gesicht jetzt zu regelrechter Panik.

„Nemesis, bitte!", presste Martell erstickt hervor und sah mich aus feuchten Augen an.

Als mein Blick zu Drystan glitt, sah ich die stumme Bitte in seinem Gesicht.

Also kniete ich mich neben Martell hin und forderte die anderen auf:
„Bitte haltet ihn so fest, dass er sich nicht bewegen kann."

Sofort nahm der Prinz eines von Aramis Handgelenken, Chara übernahm das zweite und Martell setzte sich auf Aramis Füße, um sie am Boden zu halten.

Naevan verfolgte das ganze mit dunklen Augen, ohne einen Finger zu rühren.

Erst nahm ich einen tiefen Atemzug, dann zog ich einen der Handschuhe aus und nahm gleichzeitig ein Messer aus dem Gürtel quer über meiner Brust.

Die Augen der Anwesenden richteten sich auf die wulstigen und weniger wulstigen, teilweise verblassenden Narben auf meinen Händen, als ich mir sauber in die Handfläche schnitt. Natürlich nicht besonders tief, aber so, dass es genügend blutete.

Nemesis - Kronen und GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt