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Nemesis
Mein Gesicht war die übliche undurchdringliche Maske aber innerlich war ich zum zerreißen gespannt.
Denn jedes Mal wenn ich Drytsan ansah, musste ich daran denken, wie er mich verriet und tötete. Und er wirkte genauso echt, wie die Illusion.

Da war das Eisblau seiner Augen, das mich intensiv von oben bis unten nach Verletzungen absuchte. Die gelockten, braunen Haare, die ohne seinen Reif ungebändigt in die Stirn fielen.

„Wie geht es dir?", wollte er wissen.

Ausdruckslos sah ich ihn an, wobei die Frage ungewohnt war. In der Burg hatte das niemanden geschert und ich hatte mir verboten an jenem Ort so genau drüber nachzudenken.
Die Sache war nur die: Ich wusste es nicht.

„Es gab ein paar Hindernisse, aber insgesamt ist die Mission erfolgreich. Naevan wird uns die Magie schon geben."

Sein eisblauer Blick blieb unverwandt auf mich gerichtet.
„Das war nicht die Frage. Um die Mission geht es mir nicht. Wie geht es dir?"

Statt sofort zu antworten, wandte ich meinen Kopf zum Garten.
„Ich komme klar."
„Nemesis-"
„Ich komme klar", wiederholte ich, „Ich bin nicht mehr in Leymalien und bald werde ich meine Rache haben."

„Sieh mich bitte an."
Langsam drehte ich meinen Kopf zurück und traf auf seinen flehenden Blick, als er wissen wollte:
„Was ist im Götterschlund passiert?"

Ich versteifte mich kaum merklich, was ihm entging.
„Was willst du von mir hören? Es geht mir gut."

„Ich will verstehen, warum du mir ein Schwert in den Bauch gerammt hast!", brauste er auf und trat einen Schritt vor,
„Ich will verstehen, warum du so distanziert bist, während ich die Tage gezählt habe, bis du in einem Stück wieder durch die Tore trittst!"
Etwas überrumpelt blinzelte ich, da redete er schon weiter:
„Und ich will nicht, dass du lügst, wenn ich frage, ob es dir gut geht. Denn ich habe mir Sorgen gemacht und ich will nicht, dass du wieder zusammenbrichst, weil du dich verausgabt hast. Ich habe einmal keine Rücksicht darauf genommen, das will ich nicht schon wieder tun."

Er spielte auf den Moment an, als ich ihn zusammen mit Virgnia und Chara wieder nach Koranée gebracht hatte. Nach tagelangem Ritt, kaum Schlaf und das Bekämpfen des schwarzen Blutes, hatte mein Körper dicht gemacht.

Ich war unfassbar müde und Kopfschmerzen meldeten sich, da ich so lange die Zeit angehalten hatte, aber das würde ich niemals zugeben. Schwäche zu zeigen war mir wortwörlich ausgeprügelt worden.
„Ich will nicht drüber reden."

Seine Brust hob und senkte sich.
„Ich dachte, wir wären über den Punkt hinaus, an dem du alles über dich geheim hälst."

Meine Augen wurden schmal und ich ging ein Stück auf ihn zu. Er überragte mich, als wir nur einen Fuß breit auseinander standen.

„Du willst wissen, was im Götterschlund passiert ist?", zischte ich, „Na schön. Ich musste mich einer Illusion stellen. Und diese Illusion warst du, wie du mich verrätst. Du hast mich verraten und getötet."
Drystan riss die Augen auf.
„Ich bin gestorben. Mehrmals durch deine Hand, weil du mich für zu gefährlich gehalten hast. Weil ich nunmal die tödliche Waffe bin, die ich bin."

Verstehen blitzte in seinen Augen auf.
„Du hieltest mich für einen weitere Illusion."
Ich nickte knapp und brachte wieder Abstand zwischen uns.

„Ich könnte dich nie verraten", flüsterte er, „Das weist du, oder?"
Eine Weile sah ich ihn an, dann sah ich seufzend zu Boden.
„Ich kriege die Bilder nicht aus dem Kopf."
Als ich wieder hochsah, war Schmerz auf seinem Gesicht zu lesen, obwohl ich leise sagte:
„Gib mir Zeit. Aber wir sind immer noch Freunde."

Nemesis - Kronen und GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt