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Nemesis
Wir umrundeten das Lager im sicheren Abstand. Immer wachsam, dass auch kein Infizierter uns auflauerte.

Mein Blick glitt hinter mich, wo wir das Lager mittlerweile zurückgelassen hatten.
Ob Allstair da drin war? Wäre das die Möglichkeiten ihm hinterrücks zu ermorden? Jetzt, wo er nicht mit uns rechnete und sich zwischen den ganzen Infizierten in Sicherheit wähnte?

Es juckte mir wirklich in den Fingern, aber ich mahnte mich an Geduld. Bisschen noch und ich würde die Unterstützung der Götter haben. Und dann würde der König sterben.

Ich sah weiter nach links zu Naevan, der nach wie vor direkt hinter mir im Sattel saß.
Und er würde mir keinen Strich durch die Rechnung machen.

~•~

Mit langsam aufkommenden Kopfschmerzen führte ich das Pferd auf die Straße, die hundert Meter weiter in den Toren von Traddis mündete. Da ich immer noch die Zeit festhielt, war die riesige Menschenmenge davor erstarrt.

Im langsamen Näherkommen erfassten Naevan und ich die Szene vor uns.

Am Tor direkt hatte sich eine Reihe gebildet, wo die Namen der Anwesenden auf die Liste geschrieben wurde, bevor man sie einließ. In einem Kreis drum herum versuchten Gardisten den Rest zurückzuhalten, die weinend und brüllend auf das Tor zustürzen wollten, um hinter die sicheren Mauern der Stadt zu kommen.
Krieg und Infizierte hatten eine Welle der Panik losgetreten und das Verkünden der Evakuierung brachte die Menschen außer Rand und band, sodass die Gardisten es genötigt sahen, Schlagstöcke auszupacken.

Während sich alles in Zeitlupe bewegte, konnten wir genau die zum Schrei aufgerissenen Münder sehen, das verzweifelte Glänzen in den Augen.
Babys, die sich weinend an ihre Mutter klammerten, deren Mienen abgekämpft wirken, da sie in vielen Fällen einen langen Fußmarsch hinter sich hatten.

Eher Reflexartig als bewusst, blockte ich jegliches aufkeimendes Gefühl in meiner Brust ab. Mein Mitleid würde ihnen nicht helfen und wenn ich irgendwas für sie unternehmen würde, würde es mir vermutlich Schwierigkeiten einbringen.
Der beste Weg ihnen zu helfen war es, diesen Krieg zu beenden und meine Rache an Allstair zu verwirklichen.

„Geht es noch?", fragte Naevan, als wir ohne weitere Probleme das Tor passierten. Auch er ließ die Szenerie an sich abperlen.
Wer sollte uns auch davon abhalten? Wir waren zu schnell für das normal Auge.
Ich nickte kurz. „Bisschen schaffe ich noch. Warum?"
Ein freches Grinsen legte sich auf seine Lippen und aus unerklärlichen Grund machte mein Herz einen winzigen Hüpfer.
„Weil ich Lust auf einen dramatischen Auftritt habe, du nicht auch?"
Sein Grinsen wäre fast ansteckend. Fast.
„Klingt nach meinem Stil."

Also behielt ich die Magie weiterhin in meinen Händen und führte sie genauso in das Pferd, während wir die Straßen von Traddis durchquerten. Es war voller, als bei meiner Abreise, weil die Menschen aus den Dörfern jetzt den Platz füllten. Trotzdem konnte nichts die Spuren des Angriffs verbergen, denn die Aufbauarbeit waren bei weitem noch nicht abgeschlossen und jetzt gab es sowieso wichtigeres zu tun.
Eine Belagerung vorzubereiten zum Beispiel.
So wurden bereits Blockaden in den Straßen errichtet, Waffen strategisch in der Stadt positioniert, sodass man sich gegebenenfalls mehr Pfeile, Messer oder Schwerter schnappen konnte.

Naevan nahm den äußeren Ring und den wachsenden Wohlstand, je näher wir dem Palast kamen, in sich auf. Seine wachsamen Augen glitten über die schiefen Dächer mit Schiefertafeln und den kleinen Vorgärten, während wir auf der gepflasterten Straßen entlangritten. Dabei lenkte ich das Pferd um die erstarrten Bewohner herum.

„Das ist also Traddis", murmelte er. Gerade passierten wir den weißen, runden Tempel mit der Reihe an Säulen an der äußeren Wand. Seinem eigenen Tempel nicht ganz unähnlich.
„Die berühmte Handelststadt Koranées."
Nickend führte ich uns auf die Straße, die direkt zum Palast führte.
„Ich würde dir ja gerne eine kleine Tour mit Hintergrundinformationen geben, aber ich weiß auch nur das nötigste über die Stadt. Bewohneranzahl, Ausgänge, Wachposten und so weiter."
Die Informationen, die Allstair für nützlich befunden hatte. Das, was man brauchte, um halbwegs strategisch angreifen zu können.

Nemesis - Kronen und GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt