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Chara
Der leymalische König verschwand und mir war, als würde die Umgebung ein Stück heller werden. Geschocktes Schweigen hatte sich über den Marktplatz gelegt, jegliche Feierlaune schlagartig verschwunden und mit ihr ein großer Teil der Bewohner.

Diejenigen, die geblieben waren, starrten eine Weile auf die Stelle, wo der König gestanden hatte, dann sahen sie wartend zu König Delaniel.

Dieser stand mit schweren Heben und Senken der Brust vor der Tafel. Seine Frau schützend hinter ihm und drei Gardisten nicht weit entfernt. Die anderen drei gingen gerade von mir und Drystan zurück, nachdem sie versucht hatten, uns vor dem Rauch zu schützen.

Jetzt wo der leymalische König weg war, konnte ich aufatmen. Ich hatte den Schmerz nicht vergessen, den ich verspürt hatte, als er unsere Magie hatte stehlen wollen. Oder die Strapazen der Flucht. Oder die Kratzer des Infizierten.
Meine Hände zuckten und plötzlich wünschte ich mir, Virginia wäre hier bei mir. Sie gab mir Halt und Sicherheit.
Aber sie erholte sich in Alarics Krankenzimmer und konnte nicht bei uns sein.

Also atmete ich aus, sammelte mich und sah zu Drystan. Dieser hatte die Hände zu Fäusten geballt und Wut stand in seinen Augen geschrieben.

„Was habt ihr dazu zu sagen, Eure Majestät?"
Eine Frau erhob ihre Stimme aus der Menge und die Köpfe wandten sich zu ihr um. Ungerührt trat sie vor, damit sie besser zu hören war.
„Wollt Ihr Euren Sohn opfern? Oder die Leben unserer Männer?"

Angespannt sah ich zum koranéeanischen König. Allstair hatte es erfolgreich geschafft das Volk zu verunsichern indem er ihnen Aussicht auf einen Weg ohne Blutvergießen gab. Ein schneller Weg, wobei niemand seine Eltern verlieren musste.

Ich atmete tief ein.
Vorrausgesetzt Drystan und ich ergaben uns.

„Ich sage, wir weichen nicht vor dem Bösen zurück", erwiderte der König fest und ohne eine Spur Zweifel in der Stimme, „Ich sage, wir vertrauen nicht den Worten eines brutalen Mörders. Er wird uns kein Frieden schenken. Er wird Prinz Drystan und Prinhessin Chara töten, um diejenig aus dem Weg zu schaffen, die ihn besiegen werden. Und dann macht er dieses Königreich den Erdboden gleich."

Doch die Frau schien nicht zufrieden. Und mit ihr bemerkte ich auch andere, die ihre Haltung teilten.
„Aber was wenn wir nicht gewinnen?", entgegnete sie und sprach damit die Ängste vieler Bürger aus.

Diesmal antwortete Drystans Mutter. Wo die Stimme seines Vaters entschieden klang, war ihre sanft, aber zuversichtlich.
„Wir werden nicht verlieren. Wir haben zwei Götter, die über uns wachen."
„Zwei?", hakte die Frau mit verschränkten Armen nach, „Bis jetzt haben wir nur einen gesehen."

Darauf sahen alle Drystan an. Ich hatte meine Magie nach der Eheschließung schon demonstriert, aber er noch nicht.
Weil er es nicht konnte.
Oder besser: er wollte es nicht.

Drystan schluckte und seine Augen zuckten von einem erwartungsvollen Gesicht und zum nächsten.
Schließlich blieben sie bei seinem Vater hängen, dessen eindringlichem Blick sogar ich spüren konnte.

Aber er schüttelte den Kopf und senkte den Blick, was eine Welle der Enttäuschung auslöste kurz gefolgt von Wut.

„Ist das ganze nur eine Lüge, damit wir uns freiwillig an die Infizierten verfüttern lassen?"
„Sollen unsere Männer in einem aussichtslosen Kampf sterben?"
„Ihr habt leicht Reden in euren sicheren Palästen!"

Während Beleidigungen auf die Königsfamilie einprasselten, gegen die der König verzweifelt versuchte anzusprechen, trat ich an Drytstan ran und legte eine Hand auf die Schulter.

„Es ist jetzt keine Zeit für Vorsicht. Nimm Riniah an!"
Doch er sah mich nur gequält an.
„Was wenn ich die Magie nicht halten kann? Was wenn ich jemanden verletze? Ich bin nicht bereit zu kämpfen!"
„Du kannst von deinem Volk nicht erwarten, sein Leben zu riskieren, wenn du es nicht tust", erwiderte ich mit einer gewissen Schärfe in der Stimme, „Und niemand ist bereit für irgendwas von dem ganzen hier. Selbst Nemesis nicht, aber sie ist trotzdem da draußen und riskiert ihr Leben."
Mein Griff um seine Schulter wurde fester, während die Wut der verbliebenen Bürger sich aufschaukelte.
„Es gibt keinen Platz für Angst. Nimm Riniah an!"

Nemesis - Kronen und GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt