Prolog

211 4 2
                                    

NEUTRALE SICHT

Im tiefsten Großstadtdschungel von London war etwas passiert, was die ganze Welt den Atem anhalten ließ und gespannt vor den Fernseher zog. Das neue Royal-Baby, Kronprinzessin Heather Charlotte von Wales, war vor einem Tag geboren worden und nun erwartete die ganze Welt die Live-Schalte zum Krankenhaus, in dem die junge Prinzessin zur Welt gekommen war. Hunderte Reporter hatten sich ungeduldig vor dem Krankenhaus versammelt, während König George und Königin Florence mit ihrer erstgeborenen Tochter den Fahrstuhl betraten. Das kleine Kind lag schlafend in den Armen seiner Mutter, während ihre Eltern es lächelnd ansahen und vor Stolz zu platzen drohten. George lächelte seine Frau an und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
"Sie ist perfekt, Liebling", sagte er und hielt Heather seinen Finger hin. Als er ihre kleine Hand dabei berührte, hielt sie den Finger sofort fest und gab ein quietschendes Geräusch von sich. "Und ich bin so froh, dass es euch beiden gut geht." Florence nickte.
"Ich auch", gab sie zu. Die Geburt war eine gefährliche Sache für die Königin gewesen, denn währenddessen hatte es große Komplikationen gegeben, die Heathers Leben auf die Kippe gestellt hatten. Die kleine Prinzessin hatte es zwar geschafft, aber nur durch einen notfallmäßigen Kaiserschnitt und ihre Mutter war durch die Komplikationen nun nicht mehr in der Lage, ein weiteres Kind zu bekommen. Heather würde also für immer ein Einzelkind sein und irgendwann den Thron von ihrem Vater erben. Darauf würde sie gut vorbereitet werden und ihr erster Termin begann jetzt, einen Tag nach ihrer Geburt. Doch den würde sie nicht einmal mitbekommen, denn sie schlief immer noch tief und fest und ließ sich von dem lauten Geschrei der Paparazzi draußen nicht beirren. Auch viele Schaulustige waren gekommen, um die neue Prinzessin im Leben zu begrüßen, aber auch dieser Trubel konnte das Baby nicht wecken.

Beinahe zeitgleich verfolgte eine junge Mutter ebenfalls das Geschehen über den Fernseher. Zumindest versuchte sie es, denn ihr einjähriger Sohn Blane veranstaltete bereits wieder ein Chaos in der kleinen Wohnung, die sie mit ihm und ihrem Noch-Mann Jonathan bezog. Die Scheidung der beiden war bereits im vollen Gange, kurz nach Blanes Geburt hatten sie sie beschlossen. Sie hatten gedacht, dass ein Kind ihre ständigen Streitereien beenden würde, aber tatsächlich hatte es alles nur schlimmer gemacht. Und nun hatte Greta ein kleines Kind und einen Mann an der Backe, den sie nicht einmal mehr leiden konnte. Sie warf noch einen letzten Blick auf das royale Baby, das friedlich in den Armen seiner Mutter schlief, obwohl um sie herum geschrien und wie verrückt Bilder gemacht wurden. Manchmal wünschte Greta sich, dass ihr Sohn auch so wäre. Sie drehte sich nun zu diesem um, da er in diesem Moment erneut eine der Schubladen in der Küche auszuräumen versuchte. Er wusste ganz genau, dass er sie nicht einmal aufziehen durfte, aber manchmal kam es seiner Mutter so vor, als würde er ihre Regeln missachten, sobald er die Möglichkeit dazu bekam.
"Blane, hör auf!", rief sie, aber ihr Sohn drehte sich nicht einmal zu ihr um. Greta hob ihn hoch, worauf der Kleine sofort zu weinen begann. "Blane, hör doch bitte damit auf! Du weißt doch, dass du nicht an die Schubladen gehen sollst! Wieso kannst du nicht so brav wie die neue Prinzessin sein?!"
"Wieso schreist du den Jungen jetzt schon wieder an?" Blanes Vater Jonathan kam in die Küche und warf einen Blick auf den Fernseher. "Aha, das ist also mein neuer Schützling." Jonathan war von Beruf Bodyguard und hatte lange für die Royal Family gearbeitet. Und wenn es Blane nicht geben würde, hätte er auch niemals den Job aufgegeben, um zu seiner Frau nach Dublin zu ziehen. Er freute sich darauf, endlich wieder in seine Heimat London zu kommen und wieder mit seiner Arbeit zu beginnen. Die Königsfamilie hatte ihn gebeten zurück zu kommen und als Bodyguard für ihre Tochter zu arbeiten, sie könnten sich schließlich niemand besseren für den Job vorstellen. Er hatte das natürlich sofort bejaht, denn obwohl er seinen Sohn liebte, konnte und wollte er nicht länger bei Greta bleiben. Und für Blane würde es besser sein, wenn er in Dublin blieb, Jonathan würde in London ohnehin keine Zeit für ihn haben.
"DEIN Sohn räumt mal wieder die Schubladen aus, obwohl er genau weiß, dass er das nicht soll!", antwortete Greta ihm genervt. "Kannst du nicht wenigstens ein einziges Mal auf ihn aufpassen?!"
"Meine Güte, jetzt fahr mal einen Gang runter, Greta! Ich war nur kurz im Bad und der Kleine ist gerade mal ein Jahr alt! Woher soll er wissen, was das Wort Nein bedeutet? Erwartest du etwa, dass er als ausgewachsener Linguist aus dir rausgekommen ist?!", fuhr Jonathan seine Frau an und verdrehte die Augen. Diese erwiderte die Geste.
"Jetzt tu nicht immer so neunmalklug! Hier, nimm du ihn, ich muss die Küche erst noch aufräumen!", fuhr Greta ihn an und drückte ihm dann auch schon Blane in die Hand, der seinen Vater unsicher ansah. Jonathan erwiderte den Blick kurz ebenso unsicher, bevor er die Schultern zuckte.
"Ok, kleiner Mann. Dann komm, wir gehen eine Runde spielen, während deine Furie von Mutter die Küche aufräumt", meinte er und ging mit Blane dann ins Kinderzimmer. Greta wollte etwas erwidern, doch verkniff sich dann einen Kommentar und schluckte ihren Ärger hinunter. Sie war wirklich froh, wenn die Scheidung endlich vollzogen war! Dann hatte sie Jonathan endlich los und konnte sich vollkommen auf Blane und sich konzentrieren. Diese Zeit konnte sie kaum erwarten. Wieder warf sie einen Blick auf den Fernseher, in dem die junge, englische Prinzessin immer noch seelenruhig schlief. Wieso konnte Blane nur nicht auch so sein?

Royal - Die Entscheidung meines Lebens Onde as histórias ganham vida. Descobre agora