Kapitel 26

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HEATHER

"Hey, jetzt warte doch mal!" Ich wollte gerade das Haus verlassen, als mich jemand kurz vor der Haustür aufhielt. Ich drehte mich um und sah Vince, der die Treppe nach unten rannte und zu mir aufschloss. Er zog sich im Gehen seine Jacke über. "Wo willst du jetzt hin?"
"Keine Ahnung", antwortete ich schluchzend und wischte mir eine Träne aus den Augen. Mein Makeup war mittlerweile schon komplett verlaufen, weil ich nicht aufhören konnte zu weinen, aber trotzdem versuchte ich nicht allzu zerknittert und verheult vor Vince auszusehen.
"Darf ich dich dann wenigstens begleiten? Wohin auch immer? Ich glaube nicht, dass ich dich alleine durch die Stadt ziehen lassen sollte - erst recht nicht in deinem Zustand", bat er, ich zuckte die Schultern.
"Wenn du unbedingt willst", stimmte ich zu und setzte meinen Marsch dann fort. Ich wusste nicht genau, wo ich hingehen sollte, aber so langsam sollte ich Jonny wirklich mal zurückrufen. Denn der hatte mich bereits zwanzig Mal angerufen, aber ich hatte ihn bisher jedes Mal ignoriert. Jetzt könnte ich ihn allerdings echt gut gebrauchen.
"Ja, will ich. Dublin ist 'ne gefährliche Stadt, vor allem um diese Zeit. Da sollte eine Prinzessin nicht alleine rumlaufen", stimmte Vince zu und vergrub die Hände in den Taschen, während ich unsicher durch die Straßen lief.
"Ich muss meinen Bodyguard anrufen", murmelte ich schließlich.
"Blanes Dad?", fragte Vince nach, ich nickte. "Sag ihm nicht, dass Blane bei mir ist, bitte. Er kann es sich zwar wahrscheinlich denken, aber dann ruft er vielleicht nicht sofort bei mir daheim an und stellt ihn in den Senkel. Das kann Blane gerade nicht ertragen."
"Er hasst mich sowieso", schluchzte ich verzweifelt und sofort liefen mir wieder die Tränen über die Wange. "Ich liebe ihn und er schickt mich einfach weg! Wieso tut er mir das an? Wieso hasst er mich?!" Vince hielt mich fest und sah mich dann ernst an.
"Hey, du kannst mir glauben, Blane liebt dich. Ich hab keine Ahnung, was gerade in seinem Dickschädel vor sich geht, aber mein Bruder wird es schon rausfinden. Aber ich bin ehrlich zu dir, ich weiß genau, dass Blane dich liebt. Er hat es mir gesagt und auch geschrieben. Ich weiß nicht, wieso er so krass reagiert, aber gib ihm bitte einfach etwas Zeit, ja? Er meint es nicht so, er denkt nur nicht nach - das tut er sowieso nicht immer", erklärte er ernst und sah mich direkt an. "Bitte, gib ihm noch eine Chance."
"Ich weiß nicht, ob er das überhaupt will", schluchzte ich und sah auf den Boden. Vince seufzte.
"Blane hat absolut keine Ahnung, was das Beste für ihn ist! Er denkt nicht nach, ok? Also bitte, gib ihm...", begann er wieder, aber ich unterbrach ihn durch ein energisches Kopfschütteln.
"Nein, er hasst mich!", schrie ich ihn verzweifelt an und riss mich los. "Es tut mir leid, deine Zeit verschwendet zu haben, Vince. Das wollte ich nicht." Damit drehte ich mich um und lief davon, während Vince mir etwas nachrief, aber das ignorierte ich. Ich wollte nur noch weg von hier, sofort. Blane hasste mich und meine Träumereien konnte ich mir abschminken. Der Mann, den ich liebte, hasste mich. Was hatte ich nur angerichtet?

Angeschrien werden. Gescholten. Angebrüllt. Das war mir bis vor einigen Tagen noch nie passiert, aber da ich so in Trauer um Blane war, interessierte mich weder Jonnys Gebrüll noch das Geschreie meiner Eltern. Die Einzige, die mich nicht zur Schnecke machte, war Oma. Sie schien als einzige hinter mir zu stehen und versuchte mich sogar vor der Presse zu schützen, die wie hungrige Wölfe auf mich losgingen. Natürlich war die Geschichte an meinem Geburtstag viral gegangen und seitdem ich aus Irland abgeholt worden war, fielen mich die Journalisten wie wilde Aasgeier an. Also verließ ich den Palast nicht mehr, ich war seit Tagen nicht mal mehr außerhalb meines Zimmers gewesen. Ich hatte auch nicht mehr wirklich gegessen, aber wieso auch? Ich hatte seit Tagen nichts mehr von Blane gehört, er hatte mir nicht mehr geschrieben und auch, als ich ihm geschrieben hatte, hatte er mich einfach ignoriert und nicht geantwortet. Also hatte ich Vince geschrieben, aber der hatte wohl auch so seine Schwierigkeiten mit Blane zu reden. Obwohl der mittlerweile bei ihm wohnte, redete er nicht über mich und kehrte das Thema jedes Mal unter den Teppich, wenn Vince es ansprach. Er hasste mich also wirklich. Sonst würde er mich nicht so kaltblütig ignorieren. Ich wusste nicht, was ich jetzt tun sollte. Ich liebte Blane und ich hasste es, dass ich das alles zwischen uns zerstört hatte. Ich lag auf meinem Bett und sah auf die Stelle, auf der Blanes Shirt lag. Er hatte es hier vergessen und ohne dieses T-Shirt und seinen Geruch konnte ich nicht mehr schlafen, auch, wenn ich trotzdem jedes Mal weinen musste. Jede Nacht weinte ich mich in den Schlaf, aber ich konnte nichts dagegen tun. Ich liebte Blane einfach zu sehr, um jemals damit klarzukommen, dass er jetzt nicht mehr da war und ich hatte eine Entscheidung getroffen. Ich würde den Palast nie mehr verlassen und mich nie wieder mit jemandem treffen. Mein Leben war vorbei - und als perfekte Prinzessin erst recht. Ich wollte auch nicht mehr die Prinzessin von England sein, ich wollte nur noch eingehen und warten, bis das alles hier vorbei war. Da klopfte es gegen die Tür und während ich mich noch wie ein Baby an Blanes Shirt klammerte, kam meine Großmutter ohne auf meine Antwort zu warten in mein Zimmer.
"Süße, wie geht es dir?", fragte sie besorgt nach, schloss die Tür hinter sich und setzte sich dann zu mir auf mein Bett. Ich zuckte die Schultern. "Hör zu, ich weiß, wie schrecklich du dich fühlst, das kann ich gut nachvollziehen, aber du musst mal wieder aufstehen. Na komm, es gibt deine Lieblingstörtchen."
"Kein Hunger", lehnte ich leise ab und drehte mich um.
"Schätzchen, bitte, du tust dir damit nur selbst weh", wandte sie besorgt ein. "Komm raus, bitte. Deine Eltern machen sich große Sorgen um dich und Jonny auch. Du hast sie seit Tagen nicht mehr zu dir gelassen."
"Oma, bitte, lass mich in Ruhe. Ich will nicht mehr leben, wenn ich nicht bei Blane bin - und wenn er mich hasst, dann hasse ich mich auch. Bitte, lass mich einfach trauern. Ich komme nicht mehr raus, nie wieder. Das kannst du auch meinen Eltern und Jonny sagen. Es lohnt sich ohnehin nicht mehr zu leben."

Royal - Die Entscheidung meines Lebens Where stories live. Discover now