Kapitel 18

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HEATHER

Obwohl ich zugegebenermaßen etwas Angst hatte, einfach mit einem geklauten Einkaufswagen und Blane durch die Stadt zu ziehen, wollte ich nicht als Spaßbremse dastehen und kletterte deshalb unsicher in den Wagen. Kaum, dass ich saß, schob Blane mich an und nahm immer mehr an Tempo auf, woraufhin ich mich ängstlich an das Metallgitter des Wagens klammerte. In einem atemberaubenden Tempo rasten wir nun durch die Londoner Innenstadt, die Häuser und Menschen flogen nur so an mir vorbei und ich fragte mich, wie wir es geschafft hatten, noch niemanden umzufahren und zu verletzen. Blane musste das wohl schon einige Male gemacht haben, so zielsicher wie er den Wagen durch die Menschen dirigierte und obwohl uns einige Menschen wütende Sachen nachriefen, ignorierte Blane das und schob mich weiter auf sein Ziel zu - die Tower Bridge. Trotz der Tatsache, dass es bereits dunkel draußen war, waren noch viele Menschen und Autos dort unterwegs und auch viele Touristen tummelten sich an der berühmtesten Brücke Londons. Wir waren noch einen guten halben Kilometer von der Brücke entfernt, als ich mich endlich etwas entspannte und angesichts des kühlen Windes in meinem Gesicht lachen musste. Ich hatte mich tatsächlich noch nie so frei gefühlt und die Angst, die ich vor wenigen Minuten noch verspürt hatte, war wie weggeblasen. Ich drehte mich zu Blane um, der grinste.
"Na? Macht's Spaß?", fragte er, ich nickte begeistert und lächelte breit.
"Ja, das hätte ich niemals gedacht!", antwortete ich ihm aufgeregt. "Was machen wir an der Tower Bridge?"
"Ich will sie mir ansehen", erklärte Blane knapp. "Und dabei kann ich dir dann auch zeigen, wie man richtig lebt!"
"Bis jetzt macht das richtige Leben extrem Spaß!", rief ich und lehnte mich entspannt zurück, während mir einige meiner schwarzen Strähnen ins Gesicht schlugen. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass dieser geheime Ausflug so viel Spaß machen konnte! Wieso hatte Jonny mich nur immer davon abgehalten? Und wieso hatte er mich von Blane abhalten wollen? Er war ein toller Junge und er zeigte mir, wie toll und spaßig das Leben sein konnte! Jonny hatte wirklich maßlos übertrieben mit seiner Fürsorglichkeit!

Als wir endlich an der Tower Bridge ankamen, stoppte Blane den Einkaufswagen abrupt, sodass ich beim Anhalten abrupt gegen das kalte, harte Gitter geworfen wurde. Er grinste mich entschuldigend an.
"Sorry, war keine Absicht. Komm raus", meinte er und kam neben den Wagen, um mir beim Aussteigen zu helfen. Ich stand auf, worauf Blane mich an meiner Taille festhielt und mich aus dem Wagen hob. Als ich sicher auf dem Boden stand, ließ er mich nicht direkt los und ich musste verlegen lächeln. Irgendwie gefiel es mir, seine Hände an meiner Taille zu spüren und dort, wo er mich berührte, begann meine Haut aufgeregt zu kribbeln.
"Danke", sagte ich und strich mir eine Strähne zurück.
"Kein Ding", erwiderte er, zuckte die Schultern und ließ mich leider wieder los. "Sollen wir auf die Brücke hochgehen?"
"Ich glaube, sie haben schon geschlossen", wandte ich mit einem Blick auf die Uhr ein. "Ich weiß nicht, ob wir noch einen Blick auf die Stadt werfen können." Blane zog die Augenbrauen hoch.
"Ach, komm schon! Du bist doch die Prinzessin! Der wird doch keiner einen Wunsch verwehren, oder? Du gibst dich einfach kurz für den Typen dort zu erkennen, wir gehen hoch und alles ist gut! Oder willst du unseren schönen Abend etwa schon beenden?", meinte er und sah mich auffordernd an, ich seufzte. Ich hatte nie daran gedacht, meine Macht einfach auszunutzen, das war schließlich nicht meine Art, aber andererseits wollte ich noch nicht zurück in den Palast. Ich genoss die gemeinsame Zeit mit Blane hier in der Stadt viel zu sehr, um jetzt einfach wieder nach Hause zu gehen. Na gut, ein einziges Mal konnte ich meine Macht ja einsetzen. Es würde bei diesem einen Mal bleiben, es war ja schließlich nur eine Ausnahme. Und es war für den Jungen, in den ich verliebt war. Na gut, ein einziges Mal.
"Schön, ok, ich sehe mal, was ich machen kann", willigte ich unzufrieden ein, worauf Blane breit zu grinsen begann.
"Du bist ein Schatz, Heather", grinste er und schob mich dann bereits auf die Kasse der Tower Bridge zu, hinter der es die Treppen zur Aussichtsplattform hinaufging. Ich erwiderte nichts auf Blanes Kommentar und ging stattdessen auf den Mann am Tresen zu. Er sah knapp zu uns auf.
"Tut mir leid, es ist bereits geschlossen", brummte er. Ich zog die Kappe ab und ließ mir meine Haare über die Schulter fallen, worauf der Mann mich erneut ansah, große Augen bekam und ihm der Kiefer hinabfiel.
"Könnten wir trotzdem hoch? Bitte? Ich würde meinem Besucher gerne die Tower Bridge zeigen, auf Befehl meines Vaters", bat ich und lächelte den Mann an. Meinen Vater brachte ich nur mit ins Spiel, damit es ernster klang und es schien Wirkung zu zeigen. Der Mann fing sich wieder, räusperte sich und nickte, bevor er die kleine Schranke öffnete, die vor den Treppen war.
"Natürlich, Eure Hoheit. Verzeiht bitte meine Unhöflichkeit, ich habe Euch nicht erkannt", bat er, ich nickte und lächelte ihn an.
"Natürlich, schon vergessen. Vielen Dank", beruhigte ich ihn, bevor ich mit Blane nach oben ging. Auf der gläsernen Plattform blieben wir stehen und sahen auf die Themse und die Londoner Innenstadt hinab, die nun mit hellen Lichtern erleuchtet war. Ich lehnte mich auf das Geländer, ließ mir die Haare vom kühlen Wind verwehen und sah dann zu Blane, der neben mir stand und ein Bild machte, bevor er sich neben mich mit dem Rücken ans Geländer lehnte.
"Bist du jetzt zufrieden? Ich habe nur ungern meine Macht missbraucht", fragte ich ihn, worauf er mich ansah.
"Wieso missbraucht? Es ist dein gutes Recht als Prinzessin, die Wahrzeichen deiner Stadt jederzeit besuchen zu dürfen!", konterte er und zuckte die Schultern. "Außerdem ist es doch irgendwie romantisch hier, oder nicht?" Romantisch? Ja, es war romantisch, aber ich hätte nicht gedacht, dass Blane das auch so empfand! Ich wurde rot, doch nickte dann, während Blane mir etwas näher kam.
"Ja, schon, aber...", begann ich, doch wurde von Blane unterbrochen, der seinen Finger unter mein Kinn legte, um meinen Kopf anzuheben, sodass ich ihn ansehen musste.
"Kein Aber, Heather. Vergiss mal für eine Sekunde deine Regeln und hör auf dein Herz. Ich glaube nämlich, dass ich weiß, was es will", sagte er und noch bevor ich fragen konnte, was er damit meinte, zog er mich an sich und legte seine warmen, weichen Lippen auf meine.

Royal - Die Entscheidung meines Lebens Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt