Kapitel 27

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BLANE

Es war nun schon fast eine Woche her, seitdem Heather aus meinem Leben verschwunden war und ich wusste nicht so genau, was ich davon halten sollte. Einerseits hatte ich das Gefühl, als würde ich endlich wieder normal leben können, ohne bescheuerte Regeln, aber trotzdem fühlte ich regelmäßig einen heftigen Stich im Herzen und beim Gedanken an Heather trieben sich mir jedes Mal Tränen in die Augen. Ich versuchte mir ständig einzureden, dass ich sie nicht liebte und erst recht nicht brauchte, es würde sowieso nur Ärger bedeuten, aber trotzdem fühlten sich diese Gedanken falsch an. Trotzdem versuchte ich mir das alles einzureden, nachlaufen konnte ich Heather ohnehin nicht mehr. Es war ohnehin besser so, wie es jetzt war. So konnte keiner von uns weiter in Schwierigkeiten geraten. Es waren zwar immer noch Sommerferien, aber ich hatte mir trotzdem einen Job gesucht. Ich hatte seit einer Woche weder mit meiner Mutter noch mit meinem Vater gesprochen, obwohl sie mehrfach versucht hatten mich anzurufen. Ich hatte nur einige Sachen von zuhause geholt und war dann bei Vince eingezogen, dessen Mutter hatte nichts dagegen gehabt. Marilyn war schon immer sehr entspannt gewesen und hatte deswegen auch nichts dagegen gehabt, dass ich mir nun ein Zimmer mit Vince teilte. Andre hatte sowieso vorgehabt zu seiner Freundin zu ziehen, also war sowieso ein Bett in der Wohnung meines besten Freundes frei geworden. Damit ich nicht wie der letzte Schnorrer rüberkam, hatte ich mir einen Job in einer Buchhandlung in der Innenstadt gesucht, um ein wenig zur Miete beitragen zu können. Außerdem hatte ich so wenigstens etwas Ablenkung und musste nicht den ganzen Tag mit meinen Gedanken und Gefühlen verbringen. Ich räumte gerade einige Bücher in die Regale, als hinter mir Schritte erklangen.
"Hey, können wir reden?" Ich drehte mich zu Vince um.
"Klar, aber wolltest du nicht mit irgendeiner Tussi ins Kino?", erwiderte ich, während ich damit fortfuhr, die Bücher einzuräumen. Vince schüttelte den Kopf und vergrub die Hände in den Hosentaschen.
"Die kann warten, außerdem hat sie sich sowieso beschwert, weil sie den Streifen schon gesehen hat", antwortete er. "Also hab ich sie abserviert, hab Besseres zu tun."
"Mich von der Arbeit abzuhalten, nennst du besser?", hakte ich verwirrt nach.
"Ich will dich nicht abhalten, aber wir müssen echt dringend reden", wandte er ein und nahm mir das Buch aus der Hand, das ich gerade einräumen wollte. "Kannst du den Scheiß mal für fünf Minuten unterbrechen?"
"Na gut, ok", willigte ich ein und lehnte mich gegen das Regal. "Also, was willst du?"
"Mit dir über Heather reden", antwortete er, ich verdrehte die Augen und wandte mich dann wieder meiner Arbeit zu.
"Tschüss", brummte ich, aber mein bester Freund hielt mich fest.
"Ich meine das ernst, Blane! Du verhältst dich wie ein bescheuertes Kleinkind! Ich weiß genau, dass du Heather liebst, das weiß jeder! Glaubst du etwa, ich krieg nicht mit, dass du dich jede Nacht in den Schlaf heulst und dir ständig Bilder von ihr ansiehst?", fuhr er mich an. "Jedes Mal, wenn was wegen ihr in der Zeitung steht, starrst du das Bild an! Dir liegt noch eine ganze Menge an ihr, das weiß ich! Also sitz hier nicht nur rum und räum irgendwelche Bücher ein, sondern ruf sie an!"
"Heather ist mir scheiß egal, red keinen Mist! Und ich brauche keine Ratschläge von dir! Sie ist ohne mich sowieso besser dran!", widersprach ich ihm stur, Vince verdrehte daraufhin die Augen und stöhnte genervt.
"Hast du eigentlich eine Ahnung, was du ihr mit all dem angetan hast?! Ich schreibe ständig mit ihr, weil du ihr nicht antwortest! Sie ist depressiv, ok?! Wegen dir! Sie hat seit Tagen ihr Zimmer nicht mehr verlassen und isst und trinkt auch nichts mehr! Verdammte Scheiße, sie bringt sich vor Liebeskummer um! Wegen dir! Und ich weiß genau, dass dir das nicht egal ist!", brüllte er mich wütend an. Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Natürlich wusste ich davon, Dad schrieb mir ja jeden Tag, aber ich konnte nichts tun. Was sollte ich denn machen?! Heather schreiben, dass sie mal wieder essen gehen sollte?! Von mir würde sie sich ohnehin nichts sagen lassen!
"Vince, ich hab keine Ahnung, was ich dagegen tun soll! Soll ich ihr schreiben, dass sie essen soll?! Wenn ja, dann richte ihr das von mir aus, wenn du sowieso so gut mit ihr befreundet bist!", fuhr ich ihn sauer an, obwohl mir sein Kommentar doch sehr im Herzen wehtat. Ich wollte nicht, dass Heather sich umbrachte, auf keinen Fall, aber ich konnte nichts tun.
"Jetzt spiel nicht das bockige Kleinkind! Ich weiß genau, dass dir das nicht egal ist!", konterte Vince gereizt. "Also reiß dich endlich zusammen, krieg deinen Arsch hoch und ruf Heather an!" Damit nahm er mir mein Handy aus der Tasche und drückte es mir wütend in die Hand, bevor er sich zum Gehen wandte, doch dann noch einmal kurz stehen blieb. "Und wenn du das bis heute Abend nicht geklärt hast, brauchst du auch nicht zurück in die Wohnung zu kommen!" Damit verließ er den Laden, ich stöhnte genervt und wandte mich wieder meinen Büchern zu. Jetzt drehte Vince wohl endgültig durch! Was konnte ich denn dafür, wenn Heather sich so kindisch verhielt?! Das war ja wohl kaum meine Schuld! Andererseits konnte ich den Gedanken nicht ertragen, dass Heather wegen mir leidete und sich zu Tode hungerte. Ja, Vince hatte recht, ich liebte sie, aber ich konnte sie nicht anrufen. Ich wusste nicht, was ich zu ihr sagen sollte, außerdem war es unmöglich, dass ich diesen Schaden wieder gutmachen konnte. Nein, dazu war viel zu viel passiert. Aber ich konnte Heather auch nicht so weiterleben lassen. Na gut, dann würde ich sie eben anrufen. Ich nahm mein Handy aus der Tasche und hatte Heathers Nummer bereits gewählt, aber dann schüttelte ich den Kopf und packte mein Handy wieder ein. Nein, das konnte ich nicht tun. Es ging einfach nicht. Ich konnte das nicht tun, unmöglich. Damit musste Vince leben. Und Heather würde auch einen anderen Jungen finden, der sie mochte, da draußen gab es genug Verehrer. Es würde nicht schwer für sie werden, einen Mann zu finden. So war das Leben, damit musste ich klarkommen - und Vince und Heather auch.

Royal - Die Entscheidung meines Lebens Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt