Kapitel 7

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BLANE

Schon einige Tage später saß ich im Flugzeug nach London. Eric hatte mich wie erwartet total in den Senkel gestellt, nachdem wir zurück nach Hause gekommen waren. Er hatte mich komplett zusammengeschrien, ich hatte es nur stumm über mich ergehen lassen. Er hatte mich ins Boot Camp schicken wollen, aber Mom hatte ihm ihren Plan präsentiert und so hatte er zugestimmt, dass ich "in London Manieren lernen sollte". Immerhin hatte ich Mom, ihn und Grace für ein paar Wochen los, die gingen mir sowieso nur auf die Nerven. Zu Jonathan wollte ich allerdings auch nicht, denn von dem wusste ich nicht einmal, was ich halten sollte. Ich hatte ihn ja schließlich das letzte Mal gesehen, als ich ein Jahr alt gewesen war! Ansonsten hatte er nur mal über Videoanruf an Weihnachten oder meinem Geburtstag angerufen, Kontakt hatten wir nicht wirklich. Ich hatte ja nicht einmal seine Handynummer! Und jetzt mehrere Wochen bei ihm verbringen zu müssen... Tja, ich konnte mir wirklich besseres vorstellen. Als ich nun in London aus dem Flugzeug stieg, schulterte ich meinen Rucksack und lief zur Gepäckausgabe. Ich hatte zwar nur eine Sporttasche gepackt, aber die war trotzdem zu groß für das Handgepäck gewesen, also hatte ich sie aufgeben müssen. Vince hatte mir bereits geschrieben, ob ich gut gelandet war, ich beantwortete seine Frage mit einem grünen Haken. Das musste reichen, denn ich war gerade nicht wirklich in der Stimmung dazu, viel zu schreiben. Als meine Tasche endlich kam, schulterte ich sie und nahm mir vor, die unangenehme Begegnung mit meinem Vater direkt hinter mich zu bringen. Ich lief raus in die große Halle, konnte ihn aber nirgends sehen, also trat ich den Weg hinaus an. Vor der Tür des Flughafens regnete es bereits und Millionen an Autos stauten sich hupend auf der dünnen Straße des Terminals. Super. Es konnte sich nur noch um Stunden handeln, bis ich Jonathan gefunden haben würde. Da ich aber auch nicht wirklich erpicht darauf war, ihm nach siebzehn Jahren gegenüber zu treten, lehnte ich mich einfach gegen die Wand und beschloss, darauf zu warten, dass er mich fand. Und wenn es nicht klappte, konnte ich immer noch zurück nach drinnen gehen und den nächsten Flug nach Hause nehmen. Das wäre mir schließlich auch wesentlich lieber. Ich googelte bereits nach den nächsten Flügen, als mir ein Mann auffiel, der mir recht ähnlich sah. Er hatte breite Schultern, muskulöse Oberarme und Tattoos, ebenso die gleichen kurzen, braunen Haare wie ich, nur, dass seine bereits angegraut waren. Der Typ sah verdächtig wie mein Vater aus. Na ganz toll, er hatte mich nicht vergessen. Jetzt musste ich wohl oder übel hier bleiben. Was mich allerdings noch mehr verwirrte, war die Tatsache, dass der Kerl einen Teddy in der Hand hielt. Wenn das wirklich mein Vater war, dann hatte er wohl vergessen, dass auch ich alterte und nicht mehr ein Jahr alt war. Ich überlegte gerade, einfach zurück ins Gebäude zu gehen und trotzdem den nächsten Flieger zu nehmen, als der Mann sich umdrehte und mich ansah. Wir starrten uns eine Weile lang nur an, bevor er unsicher auf mich zukam. Mir schnürte es aus unerfindlichen Gründen die Kehle zu und ich brachte keinen Ton mehr raus, aber mein Vater übernahm zum Glück das Wort.
"Blane?", fragte er unsicher, ich nickte nur wortlos. Unsicher und beinahe schon schüchtern hielt er mir den Teddy hin, wobei ich bemerkte, dass er leicht zitterte. "Ich... hab dir was mitgebracht. Im Laden klang es nach einer guten Idee, aber jetzt... Tut mir leid, ich... bin nervös. Du kannst das Ding wegwerfen." Um die Situation nicht noch schlimmer zu machen, nahm ich den Teddy an. Ich brauchte keine Stofftiere mehr, seitdem ich sieben Jahre alt war, aber das Ding war eigentlich ganz niedlich. Vielleicht würde ich ihn tatsächlich behalten.
"Schon gut, er... ist ganz niedlich", erwiderte ich nervös. Eine Weile lang schwiegen wir uns nur an, ich hatte das Gefühl, als wären es Stunden, aber es war nicht mal eine Minute, als Jonathan sich schließlich räusperte.
"Wollen... wir zurückfahren? Hier ist ja ziemlich viel los und du willst mit Sicherheit dein Zeug ablegen", schlug er vor, ich nickte.
"Ja, wir können gehen", stimmte ich karg zu, also lotste er mich zu einem schwarzen Mercedes mit getönten Scheiben. Ich warf mein Zeug auf die Rückbank und setzte mich dann neben meinen Vater auf den Beifahrersitz. Ich wusste immer noch nicht, was ich sagen sollte, aber zum Glück übernahm mein Vater auch dieses Mal das Reden.
"Also, wenn wir gleich im Palast sind, gibt es ein paar Regeln. Nicht wegen dir, wegen den Royals", begann er, ich nickte nur stumm. "Du bleibst bitte in dem Gebäude, wo ich auch wohne, ja? Du darfst den Palast nicht betreten und wenn du doch mal auf die Royal Family treffen solltest, darfst du sie nicht ansprechen, ok? Das sind einfach die Regeln."
"Soll ich jetzt etwa vier Wochen lang nur in deiner Bude hocken und mir den Hintern platt drücken?", fragte ich skeptisch nach, er schüttelte den Kopf.
"Nein, natürlich nicht. Du kannst auch in bestimmten Teilen des Gartens rumlaufen und du bekommst einen Pass, mit dem du rein und raus kannst, wie du möchtest. Du darfst aber niemanden mitbringen oder irgendwas in der Stadt anstellen, ok?", antwortete er mir, ich nickte.
"Hab ich nicht vor", murmelte ich und sah aus dem Fenster. "Und wenn ich doch mal auf diese Adligen treffe?" Ich verkniff mir einen abfälligen Kommentar den Royals gegenüber, denn ich wollte mich nicht jetzt schon mit Jonathan streiten.
"Dann wirst du sie bitte nicht ansprechen, ja? Und wenn sie dich ansprechen, dann bist du bitte höflich und sprichst sie mit ihren vollen Titeln an. Ich hab einen Ordner zuhause, den kannst du dir durchlesen, zum Umgang mit Royals. Ich brauche ihn ja nicht, aber jeder Angestellte hat einen", erklärte er, ich nickte nur und biss mir auf die Lippe. Jetzt brauchte ich schon einen Ordner, um mit Menschen zu reden! Dieses royale Getue war wirklich total verkorkst! Aber wenn es half, dass ich nicht noch mehr Ärger bekam oder sogar in den Knast kam, dann würde ich diesen beschissenen Ordner eben lesen. Aber ich hoffte wirklich, dass ich keinen dieser Schnösel sehen würde. Denn die waren wirklich die Letzten, die ich jetzt sehen wollte.

Royal - Die Entscheidung meines Lebens Where stories live. Discover now