Kapitel 9

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BLANE

Schon zwei Tage hatte ich in dieser stinklangweiligen Bude verbracht. Jonathan hatte mir noch einmal eine Standpauke über die Sache in Dublin gehalten, mich dann aber die meiste Zeit über alleine gelassen. Den ersten Tag lang hatte ich nur in seiner Wohnung Videospiele gezockt, am Tag danach war ich in die Stadt gegangen, aber jetzt war mir schon am dritten Tag langweilig geworden. Diesen blöden Ordner hatte ich mir natürlich nicht durchgelesen, wieso auch? Ich würde sowieso hier drin bleiben müssen, denn sobald ich auch nur einen Schritt aus der Tür machte, stand ja sofort irgendjemand vor mir, der mich fragte, wo ich hinwollte und mich dann begleitete. Das war vollkommen übertrieben, ich war doch kein kleines Kind mehr! Ich sah aus dem Fenster und überlegte mir, noch einmal in die Stadt zu gehen und Vince Süßigkeiten zu kaufen. Er hatte mir irgendwas geschrieben, dass es bestimmte Süßigkeiten gab, die er total liebte, aber die es nur in England gab. Also würde ich ihm die holen und schicken. Ich musste nur zusehen, dass mich keiner von diesen komischen Bediensteten hier sah, sonst würden die wieder Fragen stellen und darauf hatte ich keine Lust. Also zog ich mir meine Kapuze meines dünnen Pullovers über, warf mir den Rucksack über die Schulter und öffnete die Wohnungstür einen Spaltbreit. Ich konnte allerdings niemanden auf dem Flur sehen, also schlich ich mich leise hinaus und dann die Treppe runter zum Hof. Auch hier war niemand außer ein paar Wachen zu sehen, die selbst bei dem warmen Wetter in ihren dicken Uniformen Wache standen. An denen würde ich ohne Probleme vorbeikommen, ich hatte ja schließlich meinen Ausweis. Immerhin war mir keiner entgegen gekommen, der gemeint hatte, mich begleiten zu müssen, denn das ging mir wirklich auf die Nerven. Also verließ ich den Hof und nahm mir vor, nicht vor dem späten Abend zurückzukommen. Was wollte ich denn schließlich hier? Die Innenstadt war wesentlich interessanter als das hier.

Es war schon fast zehn Uhr, als ich mich im Dunklen zurück auf den Hof des Palastes schlich. Ich konnte kaum etwas erkennen, denn die Laternen waren nur noch ganz dunkel an und ich konnte deshalb kaum die Hand vor Augen erkennen. Für die reichste Familie Englands war die Investition in die Beleuchtung ziemlich beschissen, das musste echt mal gesagt werden. Blöd war nur, dass ich wirklich keine Ahnung hatte, wo genau ich war. Ich erkannte gar nichts richtig, vielleicht hätte ich doch nicht im Dunkeln zurückkommen sollen. Wo sollte ich jetzt rein? Es musste ja eigentlich eine Tür ohne Wachen sein, denn schließlich wurde die Tür von Jonathans Gebäude nicht bewacht. Ich entschied mich also für die erstbeste Tür, öffnete sie und stand plötzlich in einem großen Saal, der mit rotem Teppich ausgelegt war. Hier war ich definitiv nicht richtig, aber ich wollte trotzdem mal sehen, wo ich hier gelandet war. Interessant sah es auf jeden Fall aus. Also lief ich weiter durch den Saal, bis ich schließlich auf einen langen Flur kam, der ins Unendliche zu führen schien. Neugierig lief ich ihn hinab, während ich die uralten Bilder an den Wänden betrachtete. Sie zeigten allesamt Königsfamilien und so langsam dämmerte es mir, wo ich gelandet war. Ich musste wohl irgendwie durch einen gerade unbewachten Nebeneingang in den Palast gekommen sein. Na toll! Dann sollte ich wohl schnellst möglich wieder hier rauskommen! Dumm nur, dass ich mir den Weg zurück nicht gemerkt hatte. Dann würde ich mich wohl weiter hier durchschleichen müssen, bis ich endlich eine Tür fand, die mich nach draußen führte. Im Schleichen kannte ich mich ja schließlich aus, es war schließlich nicht das erste Mal, dass ich irgendwo unerlaubt herumlief. Also lief ich weiter den pompösen Flur hinab und zu meinem Erstaunen, kam mir dabei nicht ein einziger Mensch entgegen. Seltsam. Sollten hier im Palast nicht mehr Menschen rumlaufen? Oder war ich vielleicht doch nicht im Palast gelandet? Wo zum Teufel war ich bitte?! Wieso war dieses Grundstück so riesig?! Das war doch bescheuert! Wir waren mitten in der Stadt, so groß konnte dieses beschissene Haus doch gar nicht sein! In die Wände rechts und links neben mir waren immer wieder Türen eingelassen, aber ich hatte nicht das Gefühl, als würden die zurück nach draußen führen. Also lief ich weiter und suchte nach einem Ausgang, doch als ich gerade um die nächste Ecke biegen wollte, hörte ich plötzlich Stimmen. Scheiße, wenn mich hier jemand sah, würde ich geliefert sein! Ich musste mich verstecken, nur wo? Hier auf dem Flur gab es keine Verstecke! Also blieb mir nur eine Wahl - ich musste eine offene Tür finden. Etwas anderes blieb mir nicht übrig, wenn ich hier ohne Ärger rauskommen wollte. Also drückte ich die Klinke einer der Türen herunter und hatte Glück, dass sie nicht verschlossen war. Schnell schlüpfte ich in den Raum, schloss die Tür leise hinter mir und seufzte erleichtert, als ich keine Schritte hörte, die auf mich zukamen. Niemand schien also mitbekommen zu haben, dass ich hier gewesen war, perfekt! Ich drehte mich nun um, da ich zu neugierig war, in was für einem Raum ich gelandet war. Und kaum, dass ich mich umgedreht hatte, staunte ich nicht schlecht. Hinter mir war ein Raum mit vielen Couchen, Sesseln und einem riesigen Fernseher, auf dem im Moment der Pausenscreen von Zelda Breath of the Wild angezeigt wurde. Ein eigener, gemütlicher Raum fürs Zocken. Genial. Neben dem Fernseher war eine Tür, aber wo die hinführte, wusste ich nicht. Wahrscheinlich in einen Nebenraum. Neugierig ging ich näher an den Fernseher heran, der mich um Längen überragte. Es war eigentlich mehr eine Leinwand, die fast schon kinoreif aussah.
"Ja! Und dann hat der Typ mich doch echt küssen wollen!", hörte ich da eine helle Mädchenstimme und nur wenig später stand ein Mädchen in meinem Alter mit schwarzen Haaren vor mir. Prinzessin Heather. Scheiße. Sie starrte mich überrascht an, während sie sich ihr Handy ans Ohr hielt. Doch als sie mich richtig bemerkte, wurden ihre Augen groß, sie musterte mich neugierig und wandte sich dann ihrem Handy zu. "Candace, ich ruf dich später zurück. Wir haben hier gerade ein kleines Problem." Damit legte sie auf und kam auf mich zu. Fuck. Ich war am Arsch.

Royal - Die Entscheidung meines Lebens Where stories live. Discover now