Kapitel 3

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Vincent Thorpe stand gestresst und wütend vor seinem Wagen. Er starrte immer wieder auf die Uhr. Xavier war dabei, seine Koffer aus dem Kofferraum zu hieven und ließ sie beinahe auf den Boden fallen.

Mr. Thorpe wandte sich zu seinem Sohn: „Du musst Dich beeilen. Dein Zug fährt in 5 Minuten.“, mit aufgeregten Augen sah er um sich, in Sorge, die Leute würden ihn erkennen. „Ich muss dann auch los. Wichtiges Meeting.“ Xavier kannte seinen Vater. Er hatte sich daran gewöhnt, dass Business und Geld wichtiger waren als er, sein Leben, seine Hobbies und auch seine Gabe. Aus diesem Grund hatte er auch kein Interesse daran, mit seinem Vater über das plötzliche Verschwinden seiner Fähigkeit zu sprechen. Nicht im Geringsten. Er wusste, er hätte nur Vorwürfe für ihn übrig, dass es seine eigene Schuld wäre. So wie er ihn immer für alles verantwortlich gemacht hatte. Dass seine Mutter sie verlassen hatte, dass er verhaftet wurde und dass er lediglich nicht mehr draufhatte, als Kunst zum Leben zu erwecken. Er wusste, für seinen Vater war er die reinste Enttäuschung.

„Dann bis bald.“, zu mehr war Xavier nicht in der Lage. Er drehte sich weg in Richtung Bahnhof mit Rucksack und zwei Koffern in den Händen, doch sein Vater packte ihn am Arm. Er sah noch einmal kurz um sich, bevor er energisch sagte, ihn beinahe anbrüllte: „Diese Schule ist das reinste Chaos. Du wirst dich benehmen. Du wirst keinen Mist bauen und nicht wieder im Knast landen, nicht einmal unschuldig. Hast du das verstanden? Ich habe meine Augen und Ohren überall.“ Er rüttelte an ihm, um sein Anliegen noch deutlicher zu machen. Xavier war sich sicher. Der feste Griff, mit dem er ihn gepackt hatte, würde ein blauen Fleck hinterlassen. Er sah seinen Vater ernst in die Augen und dachte an Wednesday, ihre schnippische Art und ihr Talent für schlagfertige Antworten. „Keine Sorge, Vater … dein PR Problem ist weggesperrt für die nächsten Monate …“, er riss sich los und eilte zum Bahnsteig. Vincent Thorpe sah sich nochmals um, bevor er in seinen Wagen stieg und mit Vollgas davonfuhr.

Als er seinen Bahnsteig erblickte und sah, wie die letzten, wenigen Personen, die noch da waren, hineinstiegen, blieb er wie versteinert stehen.

Ich könnte verschwinden …

jetzt und sofort …

niemand würde es kümmern …

keiner würde mich suchen …

sie wird nicht da sein …

und wenn doch, würde sie mich nicht vermissen …

Die Ansage schallte über ihm aus dem Lautsprecher. Der Zug würde in 2 Minuten starten in Richtung Jericho, in Richtung Nevermore. Und Xavier wusste nicht, was er tun sollte.

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Die Sonne war beinahe untergegangen, so lange waren sie unterwegs gewesen. Als sie durch das große, eiserne Tor auf den Vorplatz fuhren, konnte Wednesday bereits einige bekannte Gesichter erblicken. Schüler in ihren Uniformen standen überall verteilt mit ihren Eltern oder allein. Koffer und Gepäck waren dabei hin- und herbewegt zu werden. Es war laut, etwas chaotisch, aber doch irgendwie vertraut. Das Auto hielt an.

Als sie ihre Mitschüler und den Tumult durch die Scheiben des Autos sah, schoss eine Erkenntnis in ihre Glieder. Ein Schock. Wie versteinert blieb sie auf ihrem Sitz sitzen. Erst in diesem Moment wurde ihr wieder bewusst, dass ihre Visionen sie ereilten, sobald sie jemanden oder einen Gegenstand berührte. Und ihre Visionen hatten ihr im vergangenen Semester das Leben zur Hölle gemacht. Auch wenn Sie gern über alles und jeden in Nevermore Bescheid wüsste, hatte sie auf einmal Panik davor.

Als sie Tyler geküsste hatte, hatte sich der Schleier gelöst. Er hatte ihr sein wahres Ich gezeigt. Doch für weitere Enthüllungen dieser Art war sie jetzt noch nicht bereit. Ihre Gedanken überschlugen sich.

Woe is me, my loveWhere stories live. Discover now