Kapitel 24

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Xavier blickte noch einmal in den Gang und schloss dann die Tür hinter sich. Sie war eilig vorgelaufen, stand inmitten ihres Zimmers und wartete auf ihn. Ihr Hände waren schweißnass, ihre Augen riesig und voller Erwartungen. Er lief zu ihr und als er sie so sah, übertrug sich ihre Nervosität direkt auf ihn. Keiner von beiden wusste, was nun passieren würde. Seine Augen inspizierten den Raum, sein Blick wanderte über ihre Seite des Zimmers und ohne es zu beabsichtigen, starrte er zu ihrem Bett. Es fühlte sich an, als würde sein Herz explodieren. Er schüttelte den verlockenden Gedanken fort und sah schließlich wieder zu ihr.

Xavier räusperte sich, die Worte kamen nur schwer aus seinem Mund: „Wir könnten…“, er zeigte auf ihr Bett, „… die Decke nehmen und uns draußen hinsetzen… es ist schön draußen.“ Wednesday folgte seinem Blick. Der Alkohol war noch immer in ihrem Körper, noch hatte sie einen Funken Mut übrig. „Ja das ist es. Ich denke, Sterne zu betrachten ist eine gängige und für mich sehr akzeptable Variante, Zeit miteinander zu verbringen…“ Ihre Finger spielten nervös an ihren Ärmeln und sie sah zu, wie er die Decke von ihrem Bett zog und mit ihr schließlich zum Fenster lief. Sie folgte ihm ohne ein weiteres Wort. 

Direkt unter dem Fenster breitete er die Decke aus. Die Luft war kühl, aber nicht zu kalt. Der Wind ging leicht und am Himmel waren keine Wolken zu sehen. Er setzte sich und hielt ihr eine Hand hin, so als würde er sie nochmals offiziell einladen, ihm Gesellschaft zu leisten. Sie nahm seine Hand und setzte sich rechts neben ihn auf die Decke. Sie drückte ihre Finger fest zusammen, um sich zu beruhigen, aber vielleicht auch, um ihm irgendwie zu vermitteln, dass sie nun nicht mehr ganz so mutig war, wie noch vor wenigen Minuten im Pentagon.

„Ich…“, sagten sie beide synchron und schenkten sich gegenseitig ein schüchternes Lächeln. Xavier nickte ihr zu, ließ ihr den Vortritt. Sie lehnte sich an ihn und er griff schließlich auch mit seiner anderen Hand nach Ihrer, spielte mit ihren Fingern. „Ich könnte mich daran gewöhnen…“, gab sie leise zu. „Woran?“, er blickte hinab auf sie, beobachtete, wie ihre Nase beim Sprechen leicht zuckte. „An das hier, das Reden, das Lachen und die vielen … Berührungen.“ Sie verschluckte das letzte Wort, sodass er es kaum verstehen konnte. Also streichelte sie sanft über seine Hände, um ihm zu zeigen, was sie meinte. 

Er lachte und fuhr sich mit der Hand durch die Strähnen, die der Wind ihm immer wieder in die Augen bliess. „Ich glaube, ich kann mich nie daran gewöhnen“, und dann sah sie hinauf zu ihm über ihre Schulter, „Ich glaube, selbst nach Tausend Jahren mit dir, wäre ich immer noch nervös… bei jeder Berührung, bei jedem Kuss…“. Der Gedanke daran, sie erneut zu küssen, ließ ihn stottern: „Ich glaube, das wird niemals vorbeigehen.“ Sie lief rot an bei dem Gedanken daran, dass er sie tausend Jahre küssen würde. Auch wenn es ihr zu kitschig erschien, musste sie sich eingestehen, dass diese Vorstellung alles andere als unangenehm war. Er sprach weiter und sie beobachtete seine Augen, wie sie im Dunkeln der Nacht nach irgendetwas suchten: „Ich werde diese Bilder nicht malen…“

Sie blinzelte vor Verwunderung und er wiederholte seine Aussage: „Ich werde sie nicht malen…“ Nun sah er sie wieder an. Sie setzte sich auf, um ihn genau betrachten zu können. Ihre Stimme wurde mit einem Mal ernst: „Doch das wirst du!“ Er öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, doch sie war noch nicht fertig. „Du wirst sie malen und deine Kraft zurückbekommen!“ Für eine Sekunde sah er sie an, nur um dann wieder in den Himmel zu starren: „Ich will das nicht… wenn du… wenn dich das traurig macht, dann will ich das nicht.“ Er schüttelte seinen Kopf widerwillig. Sie erkannte, dass es hier um sie ging, ihre Eifersucht, ihr Drama und sie wollte auf gar keinen Fall der Grund sein, warum er sich selbst im Wege steht. 

Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände und lenkte seinen Blick zu ihr. „Wenn das der einzige Weg ist, wie du deine Gabe zurückerlangst, dann wirst du diese Bilder malen… keine Widerrede.“ Er sah noch nicht wirklich überzeugt aus. „Ich will, dass du deine Fähigkeit zurückbekommst, nicht für mich, sondern für dich und mir ist ganz egal, wie das passiert… die Hauptsache ist, dass es passiert und wenn es passiert, indem du diese Gemälde fertigstellst, dann ist das so… ich kann Jolene auch wegen etwas Anderem hassen.“ Xavier schmunzelte und versank in ihren Augen, er nickte schließlich: „Okay… aber es wird die reinste Folter mit ihr…“. „Das hoffe ich doch.“, und wieder schenkte sie ihm ein Lächeln, das im Mondlicht strahlte und jeden Winkel seines Herzens ausfüllte. „Ich kann nicht glauben, dass du bisher so wenig gelacht hast in deinem Leben… es ist eine Schande, dass die Welt das bisher verpasst hat…“, er führte seine Hand über ihre Wange, bis hin zu ihrem Hals. „Viele meiner Tränen hat die Welt auch noch nicht gesehen.“, fügte sie hinzu, beinahe stolz. Wednesday genoss die Wärme seiner Hand, wurde es doch langsam immer kühler.

Woe is me, my loveWhere stories live. Discover now