Kapitel 20

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Es war nicht mehr weit bis zum Treffpunkt und Wednesday musste sich beeilen. Sie musste ihm alles über Jolene erzählen, was sie beobachtet hatte, solange sie noch allein waren. Beinahe paranoid drehte sie sich immer wieder um, in Sorge, dass sie von Jolene und Gregor verfolgt wurden. Sie sprach leise und ohne Unterbrechung und er lauschte gespannt.

„An dem Abend des Versteckspiels. Sie hatte dich im Pentagon am Arm berührt und hatte dann mit einem Mal wie erstarrt dagestanden. Kannst du dich erinnern?“ Xavier nickte, seine Augen waren auf den Waldboden gerichtet: „Du hast uns beobachtet?“ Er grinste. „Dafür ist jetzt keine Zeit, Xavier, und wenn du es genau wissen willst, ja das habe ich.“, ernst sah sie zu ihm herüber. „Okay, ich beherrsche mich. Aber du hast Recht. Ist mir auch aufgefallen. Sie ist irgendwie fixiert auf mich. Sie hat verdammt gruselig ausgesehen…“ Sie ergänzte: „Für meinen Geschmack etwas zu gruselig… jedenfalls glaube ich, dass es mit ihrer Fähigkeit zusammenhängt.“ 

Xavier fühlte sich bestätigt. Auch er hatte das Gefühl, dass sie und auch ihr Vater verdächtig waren, zu verdächtig. „Keiner weiß etwas über ihre Fähigkeit, ich habe rumgefragt.“, gab er zu. Wednesday blickte ihn erstaunt an: „Du hast selbst nachgeforscht?“ „Ja. Die Nummer mit den Portraits, ihre penetrante Freundlichkeit und die Handschuhe. Da ist was faul. Vielleicht ist sie der Stalker?!“ 

Sie wollte ihm um den Hals fallen, fühlte sie sich doch wahnsinnig bestätigt in ihrer geheimen Theorie. Und der Gedanke daran, dass Xavier und sie wie Partner gemeinsam an einem Fall arbeiteten, löste etwas in ihr aus. Es war berauschend.

Er glaubt mir…

„Jedenfalls hat sie vorhin genau dasselbe getan, nur dass sie es besser unter Kontrolle hatte. Hast du irgendetwas gespürt?“ Wednesday blieb stehen und griff nach seinem Arm und kontrollierte die Stelle, die Jolene berührt hatte. Er erschrak für einen Moment. Ihre Fingerspitzen auf seinem Arm waren sanft und zart, so als würde sie ein seltenes Artefakt begutachten. Es machte ihn verrückt.

„Ich.. ich habe nichts gespürt.“, seine Worte waren leise und schüchtern. „Fühlst du dich anders? Hast du das Gefühl, dass sie dich manipuliert hat?“, Wednesday war in Sorge. „Ich fühle mich normal… du machst mich nervös, aber auch das ist vollkommen normal.“, gab er mit einem Lächeln zu. Für schier endlose Sekunden schauten sie sich tief in die Augen, beide zu schüchtern und zu nervös, zuzugeben, dass sie sich immer mehr ineinander verliebten.

Wednesday ließ schließlich seinen Arm los und ging weiter: „Du solltest dich selbst genau im Auge behalten… ob du dich veränderst, dir irgendetwas auffällt…“. „Geht klar.“, stimmte er ihr zu. 

Vor ihnen erschien auf einer Lichtung im Wald das verlassene Anwesen der Taylors. Von weitem konnten sie bereits die anderen sehen. Wednesday drehte sich für einen Moment nach hinten um und sah, wie Jolene und Gregor nun weit entfernt denselben Weg wie sie langliefen.

Mrs. Ashton war bereits schon aus der Ferne zu hören, ihre Stimme war wie ein Hammer, der auf einem Amboss einschlug. Laut, penetrant und unerträglich. Die Ruhe war dahin. Im verworrenen und wild gewachsenen Garten des Anwesens hatten sie sich überall in kleinen Grüppchen niedergelassen. Ajax und Enid saßen gemeinsam mit zwei anderen Mitschülern neben einem ausgetrockneten Brunnen. Yoko und Kent unterhielten sich gezwungenermaßen mit Mrs. Ashton über Pflanzen und die botanische Vielfalt, die dieses Gebiet bereithielt. Alle anderen waren überall auf dem Grundstück verteilt.

Xavier zog sie am Ärmel in Richtung eines alten Holzpavillons, der weiter entfernt auf der Wiese stand. Enid winkte ihrer Mitbewohnerin kurz zu und hielt versteckt einen Daumen nach oben. Ihr Grinsen reichte von einem Ohr zum anderen. Wednesday verdrehte die Augen und wandte sich wieder zu Xavier: „Was hast du vor?“ „Ich habe eine Idee.“, seine Stimme klang selbstbewusst und motiviert. Gemeinsam setzten sie sich auf die kleine, steinerne Bank unter dem Pavillon.

Woe is me, my loveWhere stories live. Discover now