Kapitel 34

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Die Kette raschelte und ein schmerzhafter Ruck ging durch ihre Schultern. Sie wurde gespannt und an der Decke fixiert, sodass sie in dem hallenähnlichen Gebäude wie ein Opferlamm auf den Schlachter wartete. Schneidende Geräusche hallten von den Wänden wider. An diesem Ort war sie noch nie gewesen, doch mit Sicherheit war sie hier, damit ihre eigenen Schreie in ihren Ohren widerhallten. Ein fremder Dämon hatte sie abgeholt und sie dort drapiert – ihre Folterknechte würden bald kommen.

Schritte erklangen, knirschten im Sand des Bodens. Sie waren hinter ihr. In Gedanken bereitete sich Sharin auf die Schmerzen vor, die sie erwarten würden. „Hallo, Sharin", erklang eine rauchige Stimme in ihrem Rücken, die sie erstarren ließ. Niemals hatte sie erwartet, diese wieder zu hören. Das ist ein Trick. Sie spielten mit ihr.

Das Knirschen erklang hinter ihr, dann wanderte es zu ihrer linken Seite. Eine Silhouette trat in ihr Blickfeld und sie biss sich auf die Unterlippe.

Granatrote Augen, die hell leuchteten, kurze dunkelbraune Haaren mit aschblonden Strähnen. Ihr Körper versteifte sich, denn sie blickte in die Augen des Mannes, den sie mehr verabscheute als jedes andere Wesen. In dessen Gesicht stand ein neutraler Ausdruck – kühl und emotionslos.

„Er war der Einzige, der im Inferno nie gebrochen wurde, ihm entkommen ist. Wie lange wirst du durchhalten? Wie lange, bis deine Schreie an den Wänden entlanghallen, dein Wille gebrochen ist?"

Das Monster, das nicht einmal die schrecklichsten Dämonen der Hölle hatten brechen können. Es blickte sie an. Sie hatte das Monster getötet, in die Hölle geschickt. Sie schaute ihm entgegen, ein herausfordernder Blick an. „Hallo, Меньший", sagte sie mit der sinnlichen Stimme, die zahlreiche Männer in den Tod getrieben hatte. Keine Reaktion. Er hatte nicht ein einziges Mal ihr gegenüber eine Reaktion gezeigt. „Ich habe gehört, du bist der Fickboy eines Dämons geworden." Kein Wunder, dass er kein Interesse gehabt hatte.

Aaron blickte die Frau an. Seine Mörderin. Er sagte nichts. Er verstand, weshalb sie so erfolgreich gewesen war, doch die Hülle dieser Frau verdeckte nur das Innere, das verdorben war. „Ich bin hier, um dir Fragen zu stellen", antwortete er ruhig, ging nicht auf ihren Kommentar ein.

Ein Schnauben erklang. „Jetzt schicken sie schon die Bettwärmer. Sind euch die Ideen ausgegangen?", rief sie zur Decke. Mit Sicherheit war einer der Folterknechte in der Nähe und würde sie belauschen.

Stumm trat Aaron näher zu ihr, schaute ihr nach wie vor nur in die Augen. Nicht einmal wanderte er ab. „Cypher möchte Antworten, Sharin. Gib sie ihm, sei nicht dumm."

Wieder diese widerlich ruhige Stimme. Diesen Mann brachte nichts aus der Fassung. Nicht einmal, als sie ihn hinterrücks abgestochen und ihm ins Gesicht gelacht hatte, hatte es eine Emotion auf diesem Gesicht verursacht. Er hatte nicht geschrien, hatte einfach stumm die Augen geschlossen. Wut machte sich in ihr breit. „Warum sollte ich?" Der Dämon wollte mehr über die Organisation erfahren und sie war seine einzige Informationsquelle, wobei das nicht stimmte. „Du kennst die Antworten, Меньший. Wieso die Mühe, mich zu befragen?" Aaron war wie sie ein Assassine gewesen.

Der Mann trat zurück, ließ ihr etwas Raum. „Ich war eine Puppe, die sie gelenkt haben. Ich bin nicht in die tieferen Strukturen gedrungen. Zudem haben sie nach meinem Tod sicherlich alle Standorte gewechselt." Er hatte nicht wie Sharin die Verbindungen in die obere Riege gehabt. Dass er sich nicht erinnerte, verschwieg er. In diesem Punkt war er nutzlos, doch das musste diese Frau nicht wissen.

„Soso. Dann werde ich es genießen, diese Informationen immer wieder stumm in meinem Kopf abzuspielen. Ich wünsche euch noch viel Erfolg." Sie würde ihnen nicht helfen. Niemals.

Ein Seufzen entkam Aaron. „Ich denke, du missverstehst etwas. Cypher ist nicht geduldig. Wenn er zu dir kommt, wirst du dir wünschen, dass du nicht so dumm gehandelt hättest. Glaube mir, dieser Dämon nimmt kein Nein hin", sagte er ruhig. Er trat nahe an Sharin. „Und er besitzt etwas, was Iken und die anderen nicht tun."

Cypher - ein schicksalhafter Blick (BAND 4) ✅️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt