Kapitel 37

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Eine Woche verging. Cypher arbeitete sich durch die Akten, Josei half ihm. Aaron tat dasselbe, doch Lucifer spannte ihn zeitlich ein. Bereits am Tag nach ihrer Rückkehr hatte der Höllenfürst ihn zu sich berufen. Aaron war direkt in den Raum getreten, in dem er und Lucifer ihre Treffen hatten. Er wusste, dass Cypher ihm bereits Bericht erstattet hatte und auch über das Treffen mit der Menschenfrau. Dennoch, Lucifer erwähnte nichts davon.

„Hast du deine Übungen gemacht?", fragte dieser ruhig.

Aaron nickte nur. Die trüben Augen lagen für einen Moment länger auf ihm. Nix hat ihn aufgesucht. Lucifer hatte von Cypher erfahren, dass sein Kindred eine Prophezeiung erhalten hatte. Wie viel das Orakel wusste, war noch nicht klar, doch nach Cyphers Aussage, nur Aarons Rasse und seine Verbindung zu Cypher. Doch dabei konnte er sich nicht sicher sein. Er muss stärker werden. Gerade in der jetzigen Zeit konnte er es sich nicht leisten, Cypher zu verlieren. Lilla hielt sich aktuell bedeckt und auch die anderen Höllenfürsten zogen sich zurück, waren wachsam.

„Wir werden deine Flügel heute trainieren."

Als Aaron diese Worte hörte, breitete sich ein Strahlen auf dessen Gesicht aus. Endlich. Gewissenhaft hatte er seine Schwingen trainiert, nun würde er endlich die Freiheit kennenlernen, von denen so viele geträumt haben.

Lucifer erhob sich und rief ein Portal, das sie beide durchquerten. Sie traten in einer kargen Landschaft heraus, in der es bis auf Fels und Gestein nicht viel gab. Sie befanden sich jedoch nicht auf einem Berg, wie Aaron es erwartet hatte, sondern am Fuß eines Berges.

„Entfalte deine Flügel und halte sie über dem Boden gestreckt. Laufe den Berg nach oben, ohne dass sie den Boden berühren", wies der Höllenfürst ihn an.

Er nickte nur und entfaltete die weißen Schwingen mit den aschgrauen Spitzen. Entschlossen lief er den Berg nach oben. Lucifer tat es ihm gleich, lief neben ihm. Nach etwa 200 Metern schwitzte Aaron, denn es war anstrengend, die Flügel in der Position zu halten. Der Dämon neben ihm zeigte keinerlei Anzeichen an Anstrengung. Schließlich erreichten sie eine Plattform, von der aus es gute zweihundert Meter in die Tiefe ging. Vorsichtig schaute Aaron über die Kante. Wenn ich dort hinunterfalle, ist es aus.

„Bitte sag mir nicht, dass ich dort hinunter soll."

Trüber Augen schauten ihn an, in denen er sich widerspiegelte.

„Tritt über die Kante und halte die Spannung", erwiderte Lucifer.

Aaron schaute den gefallenen Engel einige Sekunden an, dann drehte er sich und trat an die Kante. Ihm war bewusst, dass es keinen anderen Weg gab zu fliegen. Er musste in die Luft kommen und das würde er vom Boden aus nicht schaffen. Tief durchatmen.

Lucifer beobachtete sein Kindred. Er spürte, dass er keine Angst hatte – eher Respekt. Dennoch folgte Aaron seiner Anweisung und ließ sich ohne weitere Einsprüche über die Kante fallen.

Der Wind schnitt in Aarons Gesicht, als er fiel. Seine Flügel flatterten mehr, als dass sie irgendetwas taten, was hilfreich war. Verdammt, ich benötige Körperspannung. Und genau das versuchte er, er versuchte seine Flügel anzuspannen, doch er schaffte es nicht. Der Boden kam näher. Bevor er jedoch aufprallte, griffen ihm zwei Arme unter die Achseln. Der Sog, den der Erdboden auf ihn gewirkt hatte, ließ nach.

„Spanne die Flügel auf."

Aaron atmete tief ein, spannte die Flügel auf. Der Druck, den die vorbei strömende Luft ausübte, war gewaltig und er musste dagegen halten.

Lucifer wusste, dass sich sein Kindred bemühte. Er ließ ihn langsam los, sodass er segelte. Wie ein Blatt Papier segelte Aaron in Richtung Boden, wo er stolpernd ankam. Dort sank er auf die Knie und musste seine Atmung beruhigen. Hölle. Der Höllenfürst landete mit zwei Flügelschlägen neben ihm.

Cypher - ein schicksalhafter Blick (BAND 4) ✅️Where stories live. Discover now