Kapitel 42

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Cypher hatte Aaron von den Vorgängen in der Menschenwelt berichtet. Er hatte Aaron in die Menschenwelt gebracht und ermöglicht, sich von der Menschenfrau zu verabschieden. Damit schloss er das Kapitel ab – beruhigt, dass die Organisation, die ihn entführt und in einen Killer verwandelt hatte, ihr Ende gefunden hatte.

Die ersten Tage saß Aaron auf der Terrasse, schaute in die Ferne. Immer wieder kehrten seine Gedanken zu den Ereignissen in der Menschenwelt zurück. Ich bin dem Monster zu nahe gekommen. Damit musste er leben. Auch wenn er niemals wieder der Assassine sein würde, die Menschenwelt nur besuchen würde, um seine Eltern und seine Schwester zu sehen, so war dies ein Teil von ihm und das musste er akzeptieren.

Bei seiner Reise war ihm etwas bewusst geworden. Das Wissen um seine Vergangenheit war in ihm, es war nicht verloren. Er musste es nur zulassen, doch das tat er nicht. Aaron würde den letzten Schritt nicht gehen, denn sonst wäre alles umsonst gewesen. Seine Seele war von der Dunkelheit, seinen Sünden gereinigt worden. Würde er weitergehen, würde sie ihn zurückerobern, das spürte er.

Ein weiterer Gedanke beschäftigte ihn – was ist meine Aufgabe? Welche Bestimmung hatte er? Der Racheplan gegen Zmeya hatte in seinem vorherigen Leben begonnen, diesem einen Sinn gegeben. Nun war dieses Kapitel abgeschlossen. Ich brauche eine Aufgabe.

In den kommenden Wochen und Monaten würde seine Ausbildung durch Lucifer ihn vermutlich vollständig einnehmen, doch das würde nicht ewig so gehen. Was erwartete ihn danach? Das würde er sich überlegen müssen.

Cypher war Lucifers rechte Hand. Zuvor hatte er über das Inferno gewacht. Aaron konnte sich nicht vorstellen, eine Aufgabe im Inferno zu übernehmen oder in einem der anderen sechs Bereiche, in denen die Menschenseelen geläutert wurden. Er stand in Lucifers Dienst, war gleichzeitig jedoch eingeschränkt, da er weder seinen Status noch sein Wesen offenbaren konnte.

Darüber werde ich noch mit Cypher sprechen müssen. Eines stand jedoch fest, er würde kein Söldner oder Krieger werden. In seinem vergangenem Leben hatte er genug Schmerz und Leid gesehen, das wollte er nicht.

Seufzend erhob er sich, blickte in den Himmel. Es wurde Zeit für seine Trainingsstunde mit dem Höllenfürsten.

Das Portal öffnete sich und Aaron trat in den Raum. Wie bei jedem Training mit Lucifer, machte er es sich auf dem Sofa bequem und lehnte sich zurück. Cypher war schon vor einer Stunde aufgebrochen, hatte sich nur kurz verabschiedet. Ist etwas passiert? Er hatte leider keine Zeit gehabt, mit seinem Dämon zu sprechen. Das beunruhigte ihn.

Ruhig wartete er, doch seltsamerweise kam Lucifer nicht. Es war bereits eine Stunde vergangen und der Höllenfürst war nicht erschienen. Das war bisher nie vorgekommen und ließ Aaron unruhig werden. Weshalb kam Lucifer nicht? Sollte er nach Hause gehen? Er war unsicher, denn einfach zu gehen, würde ihm vielleicht den Groll des Höllenfürsten einbringen. „Irgendetwas stimmt nicht", murmelte er.

Langsam erhob er sich, schritt zur Türe. Mit den Fingern berührte er den Rahmen. Sollte er Lucifers Arbeitszimmer aufsuchen? Er wusste, wo dieses lag, und er spürte, der Dämon war in der Nähe. Ihre Verbindung sagte es ihm. Aber weshalb ist er dann nicht hier?

Unschlüssig, was er tun sollte, setzte er sich wieder, blickte zu der Türe. Ihr Training war in den Raum verlagert worden, damit er nicht in Lillas Nähe geriet. Die Dämonin hatte seit der Auseinandersetzung mit Cypher nicht mehr versucht, sich Aaron zu nähern, war nicht wieder in Cyphers Anwesen erschienen. Hatte sie ihre vorübergehende Passion abgelegt?

„Verdammt." Aaron stand erneut auf, schritt zur Türe. Dieses Mal legte er die Hand an die metallische Klinke. Langsam drückte er sie nach unten, öffnete die Tür einen Spalt. Niemand war zu sehen. Er musste nur den Gang nach unten und im Foyer den direkten Weg zu seinem Ziel Ort. Dennoch zögerte er für einen Moment, schloss die Tür wieder. Ihm war bewusst, dass er den Raum nicht verlassen sollte, doch das ungute Gefühl, das ihn beschlich, ließ ihn diese Dummheit begehen.

Cypher - ein schicksalhafter Blick (BAND 4) ✅️Where stories live. Discover now