Prolog

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Das Feuer raste durch seine Brust. Der Schmerz raubte ihm den Atem und seine Lunge rebellierte. Unaufhörlich lief das Blut aus seinem Körper, nahm die Wärme mit sich, sodass sich die Kälte beginnend bei den äußersten Gliedmaßen weiter zum Zentrum seines Körpers vorarbeitete. Mit jeder Sekunde, die verging, wurde sein Herzschlag langsamer, sein Atem flacher. Die Geräusche um ihn herum wurden dumpf und ein Pfeifen ertönte in seinen Ohren.

„Es tut mir leid, aber es musste sein, Меньший", erklang die weiche Stimme, die ihn verraten hatte.

Bis zum Schluss blieb sein Gesicht ausdruckslos, denn er würde dieser Person nicht die Genugtuung lassen, seinen Schmerz zu sehen.

Schwarze Ränder breiteten sich in seinem Sichtfeld aus und er wusste, dass sein Ende nahe war. So ist es also zu sterben. Vor dem Tod hatte er keine Angst, denn er würde ihn befreien. Befreien von diesem Leben, in das er gezwungen worden war.

Was wird mich erwarten? Zahlreiche Religionen sprachen vom Leben nach dem Tod, doch er hoffte einfach, dass er verschwinden würde. Für immer. Seine Existenz hatte nie einen Grund gehabt und der, der ihm aufgezwungen wurde, hatte keinerlei Bedeutung. Nicht einmal Reue empfand er, denn er ließ nichts zurück. Es gab niemanden, der ihn liebte oder dem er etwas bedeutete – niemand, der ihn vermissen würde.

Ein letztes Mal atmete er ein, dankbar, dass er keinen Schmerz mehr empfand. Stattdessen empfand er so etwas wie Frieden, denn er fühlte sich leicht, jegliche Last war abgefallen. Daraufhin schloss er die Augen und ließ ein letztes Mal seinen Atem entweichen. Wie auch sein Atem begann sein Herz still zu stehen.

Ruhe überkam ihm. Endlich ist es vorbei, war sein letzter Gedanke, bevor der Soul Reaper seine Seele holte.

Eine gefühlte Ewigkeit war er in der Schwebe, bewegte sich im Nichts. Dann befiel ihn eine unsägliche Schwere. Ein Gewicht, das er nicht mehr zu tragen gewohnt war, ergriff ihn. Keuchend riss er die Augen auf und tat einen Atemzug.

Heißer Wind blies ihm ins Gesicht und er sah den Himmel – blau, ohne eine Wolke. Nach und nach kehrten die Empfindungen in seine Gliedmaßen zurück. Es dauerte eine Ewigkeit, bis er die Finger bewegen konnte, oder auch nur den Kopf drehen. Steine bohrten sich in seine Haut, die Hitze brannte auf seinem nackten Körper.

Bin ich am Leben? Wo ist meine Kleidung? Verwirrung stieg in ihm auf. Mühsam schaffte er es, seinen Oberkörper zu heben, sodass er – angelehnt an einen Felsen – aufrecht saß. Konzentriert sondierte er die Umgebung. Überall waren Steine und Felsen in der Landschaft. Er befand sich in einer Art Kessel – einem riesigen Loch im Boden, angekettet mit einer Halsfessel um dem Hals, die zu dem Felsen verlief, an dem er lehnte.

Erst jetzt nahm er die Schreie wahr, den Geruch von Blut. Sein Kopf schoss in die Richtung, aus der die Geräusche gekommen waren. Dort sah er sie, etwa zwanzig Meter von sich entfernt. Er sah zwei Wesen und einen nackten Gefangenen, der blutend in seine Richtung geschleift wurde. Das linke Wesen hatte schwarze Kleidung, doch sein Kopf war der einer Hyäne. Die Kleidung war mit Blut bespritzt und er trug eine Peitsche mit Stacheldraht an der linken Hüfte.

Die andere war eine Frau mit Haut, die völlig aus Stein zu bestehen schien, grau und mit leichten Rissen überzogen. Ihre Augen waren lila – nicht menschlich. Sie zog den Gefangenen an der Halsfessel zu dem Felsen, der etwa drei Meter von ihm entfernt war, und kettete ihn an.

Bevor sie ging, trat sie dem Mann – Mitte Vierzig und hellbraunen Haaren mit grauen Strähnen – noch einmal ins Gesicht, sodass er gegen den Stein geschleudert wurde. Blutend blieb er liegen, doch er sah, wie das Blut langsam begann rückwärtszulaufen – zurück zu dem Mann, der vor ihm lag.

In diesem Moment wusste er, wo er war. Mit ruhigem Blick schaute er zum Himmel. Ich bin also in der Hölle. Ein leichtes Schmunzeln entkam ihm. Wie passend.

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Das war der Prolog und der spannende Einstieg. Ich hoffe, ihr habt Lust auf mehr ;D

Nochmal ein großes Dankeschön an xXxJassoxXx. Durch einen regen Austausch ist diese Idee des "Adventskalenders" erst entstanden, es ist also nicht auf meinen Mist gewachsen.

Sie veröffentlicht ebenfalls einen Adventskalender und ich kann diesen wärmstens empfehlen.

Cypher - ein schicksalhafter Blick (BAND 4) ✅️Where stories live. Discover now