Kapitel 22

946 103 14
                                    

Josei lief in Cyphers Zimmer, um das Bettlaken zu wechseln. Seit Aaron dort lag, hatte niemand außer ihm und Cypher den Raum betreten dürfen. Dieser schaute den Kokon an und seufzte. Er war in den letzten zwei Tagen weiter angeschwollen und hatte Cyphers Hoffnung geweckt, doch nichts.

„Du lässt dir ganz schön Zeit, Kleiner. Lass dein Herz nicht zu lange warten", sagte er mit einer weichen Stimme. Er drehte sich um, als er ein Knacken hörte. Sofort wirbelte er herum. Hatte er sich das eingebildet? Langsam lief er zu dem Kokon und schaute diesen genau an. Ich habe es mir wohl eingebildet. Als er jedoch wieder kehrtmachen wollte, hörte er es erneut und dieses Mal sah er es – ein kleiner Riss auf der Oberseite.

Schneller als der Wind rannte er aus dem Zimmer und suchte nach Cypher. Er traf diesen im Arbeitszimmer an und sagte: „Er erwacht. Schnell."

Sofort war Cypher auf den Beinen und rannte seinem besten Freund hinterher. Im Schlafzimmer angekommen sahen sie, dass sich zahlreiche Risse über die Oberfläche zogen. Geduldig setzten sie sich und beobachteten das Ganze.

Immer wieder knackte es und die Risse wurden größer. Dann wurde es still, nichts bewegte sich. Einige Minuten passierte nichts. Mit einem Mal zerriss es den Kokon und die Teile flogen in alle Richtungen, trafen auch die beiden, die ihr Gesicht instinktiv geschützt hatten.

Als Cypher die Hand wegnahm, sah er etwas, das sein Herz anhalten ließ. In der Schale, die von dem Kokon übrig geblieben war, lag ein männlicher Körper mit heller Haut, definierten Muskeln und kurzen dunkelbraunen Haaren, die jedoch aschblonde Strähnen hatten. Aus dessen Rücken wuchsen schneeweiße Flügel mit aschefarbenen Spitzen an den Federn.

Aaron lag dort und begann sich zu rühren. Langsam bewegten sich seine Gliedmaßen und er tat einen tiefen Atemzug. Als dieser langsam die Augen öffnete, schauten ihnen granatrote Augen entgegen, doch diese leuchteten in einem unmenschlichen dunklen Rotton.

Atemberaubend. Sein Herz sah einfach nur atemberaubend aus. Er trug die Farben seines alten Ichs und nun auch Lucifers Farben, dessen Kindred-Abkömmling er war. Langsam richtete sich Aaron auf, schaute die beiden an.

Nichts konnte Cypher mehr halten er ging zum Bett, schlang die Arme um seinen Liebsten und zog ihn an sich. Seine rechte Hand vergrub sich in dem weichen Haar, die andere umschlang seinen unteren Rücken. Der Duft von Klee und Nebel bei Morgengrauen stieg Cypher in die Nase und eine Ruhe überkam ihn, machte die Sorgen der letzte Wochen wett.

Plötzlich spürte er, wie Aaron in seinen Armen zappelte, also zog er sich etwas zurück, auch wenn es schwer war.

Aaron schaute ihn an und bewegte seine Lippen, doch es kam nichts hervor, was ihn verwirrte. Es waren erst ein paar seltsame Laute, dann ertönte eine leise Stimme. „Wer bist du? Wo bin ich?"

Cypher erstarrte.

Aaron schaute sich in dem Raum um, sah die beiden Wesen vor sich und war überfordert. Er wusste nicht, wo er war, wer diese Wesen waren, wer er selbst war. Angst überkam ihn. Wer bin ich? Was ist hier los? Was sollte er tun? Er sah das Gesicht des Wesen direkt vor ihm – sah etwas, das seine Brust schmerzen ließ, doch dieser Ausdruck änderte sich.

„Mein Name ist Cypher. Deine Name ist Aaron", sagte dieses mit einem Ton, der Wärme in seiner Brust erzeugte. Er griff die Hand des Wesens, an dessen Finger ein seltsamer Gegenstand war. Er trug denselben. Das muss eine Bedeutung haben. Er öffnete die Augen und schaute in die des Wesens. Cypher.

Es vergingen Minuten, während Josei und Cypher Aaron schweigend gegenübersaßen. Die Berührung an seiner Hand hielt den Dämon gefangen. Aaron schaute auf die Hand, während seine Gedanken jedoch kreisten. Fragen erschienen in seinem Kopf und er musste sie ordnen. Sein Kopf folgte einer Struktur, die ihn davon abhielt, in Panik zu verfallen.

Cypher - ein schicksalhafter Blick (BAND 4) ✅️Where stories live. Discover now