Special - Wiedersehen

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„Reise in den Osten, nach Navalin. Dort wirst du einen Informanten treffen, der mehr über den Angriff weiß. Treffe dich in drei Tagen mit dem Informanten", sagte Lucifer mit ruhigem Blick. Seine Hand lag auf dem Dokument, welches unter seiner Hand leicht verknittert war. Grund dafür waren dessen Finger, die sich in dieses gegraben hatten.

Cypher warf sich seinen Mantel über und befestigte sein Kyoketsu-shoge an seinem Gürtel. Seine Handschuhe wanderten über seine Finger und er fuhr sich durch die Haare. In seine Augen trat der kühle Blick, den er als Lucifers rechte Hand trug.

Die Türe öffnete sich und er musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer hinter ihn getreten war. Eine warme Stirn legte sich in seinen Nacken. „Lass mich dich begleiten."

„Nein." Cypher drehte sich um und legte seine Hand an die Wange des Engels, den er zu seinem Gefährten gemacht hatte. Er blickte in die sinnlichsten, granatroten Augen, die es gab, und sah den unnachgiebigen Blick in diesen. Diese Augen hatten einem tödlichen Assassinen gehört, der einzigen Seele, die im Inferno nie gebrochen worden war. Mit den Fingern fuhr er in die weichen Haare.

Es gab einen Aufstand im Osten des Reiches, der von Telos initiiert worden war. Es war ein Angriff auf Lucifer und das konnten sie nicht stehen lassen. Er würde sich dort mit einem Informanten treffen, der ihnen den Kopf des Angriffs liefern konnte.

Aaron trat zurück, blickte seinen Dämon an. Cypher war stark. Er war Lucifers rechte Hand und ein tödlicher Gegner. Dennoch beunruhigte ihn, wie die Hölle in Aufruhr war, wie eine unbekannte Gruppe Unfrieden in allen Reichen stiftete. Was war ihr Ziel? Aaron war nach wie vor ein Geheimnis, das gehütet wurde. Ich will ihn begleiten.

Cypher ließ sich nicht überreden, er zog alleine los. Er schritt durch die Stadt auf dem Weg zum Treffpunkt. Zahlreiche Augen waren auf ihn gerichtet, keiner näherte sich ihm.

An einem Brunnen blieb er stehen, lehnte sich an diesen. Sein Blick schweifte über den Marktplatz, der zu dieser Tageszeit kaum besucht war. Schritte erklangen und eine Person setzte sich neben ihn.

„Cypher", erklang eine Stimme, die er seit Jahrhunderten nicht mehr vernommen hatte. Für einen Moment schien die Zeit still zu stehen und er konnte sich nicht rühren. Sein Kopf drehte sich wie in Zeitlupe, blickte zu der Gestalt, die in einen Umhang gekleidet war, der dessen Haare bedeckte, seine Gestalt verschleierte. Doch niemals würde er diese Stimme, diese Augen vergessen.

„Loren", presste er hervor.

Der Dämon neben ihm richtete sich auf und er blickte in die fast weißen Augen, die von aschgrauen Haaren umrahmt waren. Wieso war er hier? Seit er das Dorf der Furien verlassen hatte, hatte er den Mann, dem er sein Leben zu verdanken hatte, nicht mehr gesehen.

„Es ist lange her, mein Kleiner", erwiderte Loren in einer weichen Stimme, als spräche er mit dem jungen Dämon, den er damals großgezogen hatte.

Cyphers Schwester hatte ihren Gefährten nach dem Angriff geheilt und er war wieder auf die Beine gekommen, doch ohne Cyphers Eingreifen wäre Loren gestorben und das Dorf vernichtet worden.

„Nachdem du gegangen bist, hat sich vieles verändert. Deine Mutter hat ihre Position abgetreten. Sie haben auf deine Rückkehr gewartet, doch das ist nie geschehen", sprach er ruhig.

„Wenn es um das Dorf geht, werde ich nun gehen. Ich bin nicht interessiert und verschwende meine Zeit nicht mit solchen Dingen", unterbrach ihn Cypher.

Loren blickte seinen Schützling für einen Moment an. Er hat sich zu einem starken Mann entwickelt. Es war bis an alle Ohren vorgedrungen, als er ein Kommandant unter Lucifer wurde, nun hatte er es sogar bis zur Position als dessen Stellvertreter geschafft. Ich wusste, dass er sich zu einem starken Mann entwickeln würde, doch das hatte Lorens Vorstellungen übertroffen.

Cyphers Mutter und Geschwister hatten damals einen Fehler gemacht. Sie hatten nicht das Potential gesehen, das dieser Junge besessen hatte. Stattdessen hatten sie ihn für seine zweite Hälfte verachtet, ihn gequält. Dass er ihnen den Rücken zugekehrt hat, hatte Loren nicht eine Sekunde verwundert. Selbst mein Herz war verblendet. Er konnte es nicht mehr ändern.

„Nein. Mein Auftrag ist es, dir Bericht zu erstatten. Drei unserer Späherinnen haben Verdächtige beobachtet, wie sie Waffenlieferungen durch unser Territorium zu einem Lager geschafft haben, das nicht offiziell Lucifers Armee angehört. Sie haben Informationen gesammelt und herausgefunden, dass es eine Gruppe ist, die einen Angriff auf Lucifers strategisch wichtige Städte plant. Den Angriff auf Amerin konnten wir nicht verhindern, doch vielleicht auf die weiteren", sprach er ruhig.

Cypher hörte ruhig zu. „Weshalb schicken sie dich als Bote?" Die Antwort konnte er sich denken, doch er wollte Gewissheit.

„Aus dem Grund, dass du keinem anderen aus dem Dorf Gehör geschenkt hättest. Sie haben mich als Bote für ein Treffen entsendet."

Lorens Antwort bestätigte seine Vermutung. Er hat recht. Er hätte diesem Treffen nicht zugestimmt oder wäre gegangen, wenn es eine der Furien aus seinem Dorf gewesen wäre. Stumm blickte er zu Boden.

„Ich werde mit Lucifer darüber sprechen." Es ging um das Wohl des Reiches. Dafür musste er den Groll und seinen Stolz bei Seite schieben. Du hast ein Herz, dass du beschützen musst. Er blickte nach vorne. „Wie ist es dir ergangen?"

„Hast du meine Briefe erhalten?", antwortete Loren.

Cypher nickte. Loren hatte ihm alle paar Jahrzehnte einen Brief gesendet, in dem er ihn über sein Wohlbefinden und das Dorf auf dem Laufenden gehalten hatte. Diese waren recht kurz gewesen und Cypher wusste nicht, ob sie die Realität widerspiegelten.

„Mir geht es gut. Nach dem Angriff waren wir mit dem Wiederaufbau beschäftigt und die Neuanordnung der Machtstrukturen hat noch Jahre nachgewirkt. Die Art, wie das Dorf geführt wurde, ist ebenso dem Wandel unterlegen und veraltete Werte wurden hinterfragt. Wir sind noch nicht so weit, wie ich es mir wünsche, doch der Wandel hat auch vor uns nicht Halt gemacht." Eine kurze Pause trat ein. „Cypher, möchtest du nach Hause kommen? Sie warten mit offenen Armen auf dich."

Diese Worte erschütterten Cypher mehr, als er sich eingestehen wollte. Seine Hände ballten sich zur Faust und er antwortete mit kühler Stimme: „Nein. Ich werde mein Leben lang keinen Fuß mehr in dieses Dorf setzen." Eine flammende Wut brannte in ihm und er spürte, wie sich seine innere Furie erhob. Sie fauchte und er musste sich beherrschen, sie unter Kontrolle halten.

„Doch weshalb? Dort ist deine Familie. Vielleicht solltest du ihnen die Chance auf Wiedergutmachung gewähren", sprach der Mann, der ihn aufgezogen hatte, der für ihn wie ein Vater gewesen war.

„Dem widerspreche ich", antwortet er ruhig, erhob sich. Die Wut, die in ihm gelodert hatte, hatte sich schlagartig gelegt, war von einem Gedanken erloschen. Er schaute Loren an. „Ich habe mein Herz gefunden. Er ist meine Familie, denn er liebt mich ohne Rückbehalt. Wenn ich zurückkehre, wird er dort mit offenen Armen stehen, seine Augen nur auf mich gerichtet sein."

Loren blickte ihn überrascht an, dann trat ein warmer Ausdruck in dessen Augen. Endlich. „Dann hoffe ich, dein Herz bald zu treffen. Ich beglückwünsche dich von Herzen."

Cypher nickte nur, nahm die Hand, die ihn so oft gerettet hatte, und zog Loren an sich. „Ich werde ihn dir vorstellen, doch bis dem so ist, bitte ich dich, das unter Verschluss zu halten. Er ist noch nicht bereit, all dem entgegenzutreten."

Ein leises Lachen erklang. „Natürlich. Ich werde geduldig warten, mein Kleiner."

Ein Lächeln umspielte Cyphers Lippen. Eine Last, die lange auf seinen Schultern gelastet hatte, verschwand. Loren war glücklich und wohl auf, mehr wünschte sich Cypher nicht. Er vereinbarte ein Treffen mit den Späherinnen in Lucifers Anwesen und kehrte wieder nach Hause zurück. Als er durch die Türe seines Zuhauses schritt, wartete dort bereits ein Engel, der ihn ohne Zurückhaltung in die Arme schloss.

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gewünscht von nanook-inkognito und Tomatenliebe

Cypher - ein schicksalhafter Blick (BAND 4) ✅️Where stories live. Discover now