Fata viam invenient (Teil 1)

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Jisungs Pov:

Mit großen Schritten eilte ich zur Tür und schnappte mir auf dem Weg noch mein Handy, das bereits auf der Kommode gelegen hatte. Nun musste ich mich beeilen, um noch rechtzeitig zur Bibliothek zu gelangen. Mein Handy zeigte mir an, dass ich höchstens noch zehn Minuten hatte und normalerweise dauerte der Weg circa zwanzig Minuten.

Als ich also nach draußen trat, ging ich sogleich einen Schritt schneller und sah mich nur kurz nach beiden Seiten um. Die Zikaden zirpten leise um mich herum und die Hitze der Mittagssonne konnte einem in diesem Sommer wirklich heißer erscheinen als die Hölle selbst. Ich blickte hinab auf meine freiliegenden Arme und stellte fest, dass meine Haut bereits einen gesunden bräunlichen Ton erreicht hatte.

Ich warf einen raschen Blick auf mein Handy und bog dann in Richtung der Siedlung ab. So gelangte man am schnellsten zur Bibliothek. Mittlerweile machte ich mir nicht mehr die Illusion, rechtzeitig zu kommen. Deshalb beschloss ich, noch im Laufen eine Nachricht an Felix zu formulieren, damit er Bescheid wusste.

„Jisung."

Verwirrt drehte ich mich zu demjenigen, der mich da gerufen hatte. Noch seltsamer war, dass ich niemanden bemerkte. Ich war noch mitten im Wohnviertel und es wäre nicht ungewöhnlich, auf einen Bekannten zu treffen.

Dafür sah ich umso mehr, als ich mich wieder nach vorn drehte und meinen Weg fortsetzen wollte. Reflexartig zuckte ich zusammen und war versucht, meine Kräfte einsetzen, als der Mann vor mir eilig seine Handfläche gegen meine Stirn presste.

„Es tut mir leid, Jisung." War das letzte, was ich hörte, bevor ich das Bewusstsein verlor.

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Das Erste, was ich wahrnahm, als ich zu mir kam, war die gespenstische Ruhe um mich herum. Es war so still, dass ich meinen eigenen Atem vernahm, wenn nicht sogar meinen Herzschlag. Und das machte mir mit einem Schlag mehr Angst als alles, was ich bisher erlebt hatte. Deshalb riss ich meine Augen förmlich auf, kniff sie Sekunden später aber mit einem gequälten Stöhnen wieder zusammen, da es so hell war, dass es in den Augen brannte. Ich bedeckte mein Gesicht mit dem Unterarm und schützte so meine Augen. Schließlich wagte ich, immer noch ziemlich verstört, einen zweiten Versuch. Diesmal war ich vorsichtiger. Zunächst öffnete ich meine Augenlider nur einen Spalt weit und gewöhnte meine Augen an das strahlende Licht.

„Minho?", fragte ich leise und hoffte einfach, dass er sich irgendwo in der Nähe befand und mir erklärten konnte, was los war. Ob er mich vielleicht hiervon befreien konnte?

Die Stille blieb. Zumindest einen kurzen Moment, sodass ich mir schon fast sicher war, allein zu sein.

„Er ist nicht hier."

Mein Kopf drehte sich ruckartig und meine Augen weiteten sich erneut, doch schon kniff ich sie wieder zusammen. Das Licht war noch gleißender geworden und ich versuchte es damit, meine Augen abzuschirmen.

„Was ist hier los? Wo bin ich? Wer sind Sie?"

Ich schaffte es zumindest, mich aufzurappeln und mich umzusehen. Der Boden, den ich erkennen konnte, war rein und weiß. Ein schrecklicher Verdacht kroch wie ein lebendiges Wesen meine Wirbelsäule hinauf und setzte sich in meinen Nacken, so als wolle es bei der passenden Gelegenheit zupacken und mir hämisch zuflüstern: „Ich habe es dir doch gesagt."

Noch einmal machte ich den Versuch die Person, die gesprochen hatte, ausfindig zu machen.

Plötzlich ließ die Helligkeit etwas nach und ich schaffte es, meinen Blick zu heben und endlich mehr als Schemen zu erkennen.

„Du hast sicher viele Fragen, Han Jisung. Aber keine Sorge. Ich bin mir sicher, ich kann dir jede Einzelne beantworten."

Der Mann vor mir schien kaum älter als dreißig. Er war groß, hatte allerdings eine eher schmale Statur und ein jugendlich wirkendes Gesicht. Doch seine Augen sahen so wissend und allmächtig aus, dass es mich schauderte. Ebenso auffällig waren seine Haare. Sie fielen lang über seine Schultern und hatten einen gräulichen Schein.

Dancing with Demons 2. TeilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt