Errare humanum est, sed in errore perseverare diabolicum

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Jisungs Pov:

Immer wieder ging ich die Ereignisse der vergangenen Nacht gedanklich durch. Aufs Neue spielte sich die grausige Szene vor meinem geistigen Auge ab und selbst jetzt wühlte sie mich noch auf.

Als Gott musste ich zwar nicht mehr schlafen, doch auch ich benötige Ruhezeiten, um mich zu sammeln und mich auf mehrere Aufgaben gleichzeitig fokussieren zu können. Trotzdem entglitt mir die Kontrolle immer weiter. Nicht, weil ich unaufmerksam war oder mich zu schwach für die Herausforderungen fühlte, sondern weil ich ihn nicht vergessen konnte. Ich konnte nicht aufhören, an diesen Dämon zu denken, der meinen Geist vergiftete und an dem der menschliche Teil meiner Selbst so sehr hing.

Es war im wahrsten Sinne des Wortes ein Teufelskreis. Ich brauchte nur versuchen, etwas zu lesen oder einen Bericht der Engel zu prüfen und schon dachte ich beinahe automatisch an den Herrscher der Hölle. Und dann spürte ich erneut den Schmerz in meiner Brust... Dort wo er mich am Tiefsten verwundert hatte. 

Oder war ich es nicht vielmehr selbst gewesen? Ich hatte immerhin den Teil meiner Seele abgespalten und ihm die Möglichkeit gegeben, diesen zu zerstören. Es war meine Schuld, dass ich treu und gutgläubig genug war, um einem Dämon... dem Teufel zu erlauben, meine Seele zu berühren und einen Teil dieser zu zerstören. Ich hatte es nicht besser verdient.

Leicht schwankend erhob ich mich aus meinem gepolsterten Stuhl, auf dem ich schon viel zu lange regungslos verharrt hatte und winkte ab, als Gabriel sich ebenfalls erheben wollte, um mir zu folgen.

"Bleib hier, es ist alles gut." Aber statt wie die meisten anderen Engel auf mich zu hören, tat er das Gegenteil, kam zu mir und legte zögerlich eine Hand auf meinen Oberarm.

"Wohin willst du, Jisung?"

Matt blinzelte ich zu ihm auf und stützte mich am Unterarm des attraktiven Engels ab. Doch dann schüttelte ich nur den Kopf. "Ich schaffe das schon allein."

"Und ich soll dich überallhin begleiten. So lautet meine Aufgabe. Und ich finde, du solltest nicht allein herumwandeln. Du bist noch nicht lange genug hier und weißt nicht, wie man mit Unannehmlichkeiten umgehen muss."

Ich lächelte bitter und ließ ihn schlussendlich neben mir gehen, als ich mich dazu entschloss, meinen Palast zu verlassen. Ich kannte mich hier zwar instinktiv aus und wusste, wo ich hinwollte, aber Gabriel hatte recht. Ich brauchte Gesellschaft. Ich benötigte Unterstützung, obwohl ich das höchste Wesen im Himmel war, obwohl ich Kräfte besaß, um die mich jeder andere beneidete. Und dennoch sehnte ich mich nach jemandem, der nicht nur die Stärke in mir sah, nicht nur den neuen, rechtschaffenen Gott, der alles Chaos beseitigen würde. Ich wollte jemanden, der mich ansah, wie Minho es tat, oder getan hatte.

Aber das war vorbei. Er würde mich nicht erneut besuchen und er hatte klargestellt, was ich von ihm erwarten musste. Zu gern hätte ich verstanden, warum er mich so endgültig von sich stieß.

Sollte es uns als Gott und Teufel nicht gerade deshalb so wichtig sein, uns zu verbünden und jedem zu zeigen, dass Gut und Böse nicht die zwei Normen waren, nach denen man die Welt einteilte? Was war schon vollständig gut? Der Gott vor mir war es nicht gewesen, getrieben von Hass und Rachsucht und ich war es ebenso wenig. Trotz meiner reinen Seele und dem Guten, was ich versuchte für meine Freunde und Familie zu tun, war ich kein Heiliger. Ich liebte die verbotenen Dinge und ich liebte den Teufel...

Ebenso wenig war Minho vollkommen böse. Ich hatte es gesehen und am eigenen Leib erfahren. Er war zu seinen treuen Freunden großzügig und loyal, er hatte mich gerettet, weil er in diesem Moment nicht zulassen wollte, dass ich starb. Und er ließ bei denjenigen Milde walten, die es seiner Meinung nach verdient hatten. Vermutlich würde er mir widersprechen und versuchen, zu erklären, er habe nur aus strategischen Überzeugungen gehandelt. Doch ich war Gott, ich wusste es besser.

Dancing with Demons 2. TeilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt