Das Sinken in die Stille

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Triggerwarnung: psychische Schmerzen, physische Gewalt, Selbstmord

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Jeongins Pov:

„Du musst sterben, Jeongin."


Eigentlich hätte ich schockiert sein müssen, doch ich legte nur den Kopf schief und fragte nach.

„Du meinst, so komme ich ins Fegefeuer und kann ihn zurückholen?"

Minho nickte langsam und präzisierte seine Aussage noch etwas. „Aber du kannst niemanden anderes bitten, dich zu töten. Du musst sterben, dich selbst umbringen. Nur die Sünde des Freitodes wird dich auf direktem Weg ins Fegefeuer bringen. Wenn dir jemand hilft, dann ist es nicht mehr deine Schuld."

Nun verstand ich es und lächelte bitter. „Also reicht es nicht aus, dass ich am Tod meiner ganzen Familie schuld bin."

Der Dämon sah mich stumm an, bevor er den Kopf schüttelte. „Du hast sie nicht eigenständig umgebracht. Es muss ein schweres Verbrechen sein. Nur dann ist die Strafe hart genug, um im Fegefeuer zu brennen."

„Ich verstehe." Kurz dachte ich nach und überlegte, wie ich am schnellsten zu dem gewünschten Ergebnis kommen könnte. Wie aus Reflex tastete ich nach der Kette, die mir Hyunjin gegeben hatte. Ich zog den Anhänger hervor, an dessen Ende die meerblaue Schuppe und der Diamant baumelte.

„Kannst du mich zu einem bestimmten Ort bringen, oder wird das auch schon als Hilfe angesehen?", fragte ich vollkommen ruhig. Ich war bereits fest entschlossen und ich wusste, dass es nur so enden konnte. Es musste genau so sein, alles andere kam mir falsch vor. Allerding benötigte ich dazu Hilfe.

„Das heißt, du hast dich entschieden." Satan erhob sich aus seinem Stuhl und seine Haltung straffte sich, sobald er stand und hinter dem Schreibtisch hervortrat. „Ich werde dich begleiten. Ich werde dir so weit helfen, wie es erlaubt ist."

Ehrlich gesagt hatte ich Minho nie für einen besonders hilfsbereiten, geschweige denn einfühlsamen Dämon gehalten, doch jetzt gerade wusste ich, warum ich ihm nie dieses Misstrauen entgegengebracht hatte. Dieser Teufel hatte seine Prinzipien und er befolgte sie, wann immer er glaubte es sei seine Pflicht. Ich hätte zu gern gefragt, weshalb er Jisung als neuen Gott so sehr ablehnte. Warum er es nicht in Erwägung zog, sich mit ihm zu versöhnen und ihre Beziehung auszubauen. Aber ich wusste auch, dass er mir darauf nicht antworten würde.

Also schwieg ich und wartete darauf, dass der Fürst der Unterwelt zu mir trat und mich daraufhin forschend anblickte.

„Wohin genau soll ich dich bringen?"

Etwas zögerlich griff ich nach seinem Unterarm, sah ihn an und dachte an den Ort, den ich ausgewählt hatte, um mein Leben zu beenden.

Sekunden später packte mich eine grelle Flamme und mit einem Schlag stand ich auf einem grauen Felsen, der sich aus dem Ozean erhob und von Gischt umschäumt wurde. Im Vergleich zu meinem ersten Besuch hier wirkte das Meer heute rastlos, wenn nicht sogar wild und zerstörerisch.

Die Möwen über mir stießen schrille Schreie aus und flogen höher, während ihre Federn vom Wind zerzaust wurden und sie Mühe hatten, sich in der Luft zu halten. Ich starrte auf den nassen Stein unter meinen Schuhsohlen und kniff die Augen zusammen, als eine Welle auf die Felsen traf und die Wassertröpfchen meine Kleidung durchnässten und auf mein Gesicht trafen. Es war beinahe erfrischend und als ich meine Unterlippe befeuchtete, schmeckte ich das Salz des Meerwassers.

„Das scheint mir ein passender Ort zu sein", sagte Minho neben mir und erst jetzt nahm ich ihn überhaupt wahr. Ich wusste nicht, dass er mich nicht nur hierherbringen würde, sondern auch blieb.

Dancing with Demons 2. TeilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt