Was ist richtig?

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Heute ist es so weit. Ich bin mir zu 99,9 % sicher. Aber ich werde alleine gehen. Ich könnte es nicht ertragen, wenn meine Mutter weinend neben mir sitzt. Sie hat mich noch ein paar mal versucht zu überreden, das hat aber nichts gebracht.

Hier sitze ich nun also in der Klinik in einem Wartezimmer mit drei weiteren Frauen. Sie sind alle älter als ich. Was wohl ihre Gründe sind? Ich suche mein Handy, sicherlich hat meine Mutter mir schon wieder 100 Nachrichten geschrieben. Man könnte wirklich denken, sie ist hier die Schwangere. als ich es in meiner Tasche suche, deren Inhalt einer Müllhalde gleicht, fällt mir das Ultraschallbild in die Hände. Gar nicht gut, das sollte ich mir jetzt wirklich nicht ansehen. Der kleine Punkt, kaum als ein Mensch zu identifizieren. Mein Pünktchen.

Nun kommen die Gedanken, die ich bisher nie zugelassen habe. Wie würde es wohl aussehen? Wenn es die Gene von seinem Vater erbt, kann es nur eine Schönheit werden. Wird es ein Mädchen oder ein Junge? Wie wird es sein; ein Aufreißer, ein Schlaumeier, so zurückhaltend wie ich? Wie sieht seine Zukunft aus? Was wird es werden? Wird es auch Familie und Kinder haben? Und wird es seine Mutter, mich, lieben?

Wie könnte ich all diese Fragen so unbeantwortet lassen, nur weil jetzt ein bisschen Verantwortung auf mich zukommt? Ich will meinem Pünktchen beim Wachsen zusehen! Wie kann ich da nur an einen Schwangerschaftsabbruch denken? 
Ich wische mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich habe bar nicht bemerkt, dass ich zu weinen angefangen habe.

"Frau Meier, kommen sie jetzt endlich?" ,fragt eine Schwester ungeduldig.
Erschrocken fahre ich hoch. Steht sie etwa schon lange da und hat mich schön öfters gerufen? 
"Tut mir leid, aber ich kann das nicht." Ich stehe auf und verlasse schnell den Raum. Hinter mir höre ich die Schwester genervt aufstöhnen. Beim Verlassen der Klinik rede ich immer wieder auf mich ein, dass ich gerade das Richtige tue. Tue ich doch, oder?

Als ich das Gebäude verlasse, erwartet mich eine Überraschung, mit der ich nie im Leben gerechnet hätte. Vor mir steht ein geschaffter Dean.
"Scheiße, ich bin zu spät, oder? Hast du es schon gemacht?" ,fragt er besorgt. Sprachlos schüttele ich den Kopf. Und als ob ich nicht schon überrascht genug bin, fällt er mir auch noch erleichtert um den Hals. Schnell kommt er wieder zur Besinnung und lässt mich los. Ich stehe da wie eine Statue.

"Was machst du hier?" ,bringe ich nach einer Weile hervor.
"Ich denke, es wäre ein Fehler, wenn wir, also du, es nicht behältst."
"Woher der plötzliche Sinneswandel?" , frage ich ihn misstrauisch. Wobei es bei mir ja nicht anders ist.
"Es hat sich einfach falsch angefühlt. Hör zu, es wird sicherlich komisch werden, da wir nicht zusammen sind, aber wir können das trotzdem hinkriegen. Ich will mich auch nicht vor dieser Verantwortung drücken."
"Und was ist mit der Schule? Wenn sie erfahren, dass du der Vater bist?"
"Ehrlich gesagt würde ich das gerne geheim halten." Ein wenig enttäuscht nicke ich.
"Und woher weiß ich, dass ich mich auf dich verlassen kann und du nicht doch noch einen Rückzieher machst?"
"Du musst mir einfach vertrauen. Bitte." Dean sieht mich schon fast flehend an. Bei diesem Blick kann man sowieso nicht nein sagen.
"Was ist mit deinen Eltern?"
"Das dürfte der schwierigste Teil werden. Am Besten, ich lade dich mal zum Essen zu uns ein und dann können wir es ihnen gemeinsam erklären." Wieder nicke ich. Schon jetzt habe ich fürchterliche Angst davor.




Plötzlich Schwanger Where stories live. Discover now