Bis jetzt war alles gut

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Ich kann mich nicht bewegen. Keinen einzigen Muskel kann ich bewegen. Ich weiß nicht einmal, ob ich noch atme, aber das ist mir gerade sowas von egal. Meine Augen, mein ganzer Körper ist nur auf eine Person fixiert. Bisher scheint er mich noch nicht gesehen zu haben, aber muss meine Augen förmlich auf sich gespürt haben, sodass er nun auch in meine Richtung schaut.

Wie vom Blitz getroffen, greife ich Luce am Arm und ziehe ihn in das Café. Bitte lieber Gott, auch wenn ich nur in aller größter Not zu dir spreche, lass ihn mich nicht erkannt haben! Ich zerre Luce an einen freien Tisch ganz am Ende in eine Ecke des Cafés. Ich platziere mich so, dass ich für das Sichtfeld des Eingangs von Luce verdeckt sein müsste. Warum eigentlich diese Mühe? Dean hat sich schließlich ganze drei Jahre nicht gemeldet, warum sollte er mir jetzt in dieses Café folgen?

„Ist alles in Ordnung?", fragt Luce mich besorgt.

„Was?" Ich bin so in meinen Gedanken und meiner Panik versunken, dass ich vom Rest gar nichts mitbekomme.

„Du wirkst leicht verängstigt. Geht es dir gut?", wiederholt er.

„Ja, natürlich! Mir geht es blendend. Was soll denn schon los sein?", antworte ich übertrieben fröhlich und überspiele es mit einem künstlichen Lachen. Luce lächelt skeptisch zurück, belässt es aber dabei.

Er muss mich für komplett bescheuert halten, als ich ihm die Karte aus der Hand reiße und sie mir vor mein Gesicht halte. Ich höre, wie die Schritte immer näher kommen, also lasse ich die Gabel vom Tisch fallen.

„Ups, wie dumm von mir!" ich krieche unter den Tisch und hoffe, dass er mich in meinem tollen Versteck nicht entdeckt.

„Kann ich ihnen helfen?", höre ich Luce über mir fragen. Nein, warum musst du ihn das fragen? Schick ihn doch einfach weg!

„Ich dächte, gerade eben noch Stella mit ihnen gesehen zu haben.", sagt die allzu bekannte Stimme. Jetzt gibt es keinen Ausweg mehr. Es würde wohl sehr kindisch kommen, wenn ich einfach hier unten sitzen bleibe, in der Hoffnung, er würde bald wieder gehen.

Bei dem Versuch aufzustehen, vergesse ich den Tisch und stoße mit dem Kopf an die Platte. Ich stöhne schmerzvoll auf. Sowas kann doch auch nur mir passieren! Ich starte einen zweiten Versuch und komme mit knallrotem Gesicht und der Gabel wieder hervor.

„Ich hab sie!", verkünde ich stolz. Das ist ja so peinlich! Wie geht man denn in so einer Situation um?

„Ach Dean, was machst du denn hier?", frage ich ihn, als hätte ich noch gar nicht bemerkt, dass er hier ist.

„Ich bin wieder in Deutschland und habe dich gerade gesehen. Da dachte ich, es wäre gut, ml hallo zu sagen, aber wie ich sehe, bist du ja in Begleitung."

Luce sieht verwirrt zwischen dem noch attraktiver gewordenen Mann mit Dreitagebart und Anzug und mir hin und her. Meine Peinlichkeitsgefühle verwandeln sich sofort in Wut um. Ist der werte Herr tatsächlich mal auf die Idee gekommen, mir nach drei Jahren einfach mal so im Vorbeigehen hallo zu sagen? Für wie bescheuert hält er mich eigentlich.

„Wirklich? Schön, dass dir diese Idee so früh in den Sinn kommt.", antworte ich mit abschätzender Stimme.

„Können wir mal unter vier Augen reden?"

„Ich weiß nicht, was es zwischen uns noch zu bereden gibt und wie du siehst, bin ich verabredet." Damit wende ich den Blick ab und versuche ihn zu ignorieren.

„Denkst du nicht, dass ein Gespräch zwischen uns noch offen steht?"

Ich stöhne genervt auf und erhebe mich.

„Ich muss auf Toilette."

Selbstverständlich muss ich nicht auf Toilette. Ich befeuchte mein Gesicht nur mit etwas Wasser und nutze die kurze Zeit, um endlich nachzudenken. Ja, ein Gespräch schuldet er mir tatsächlich noch, aber gerade lief alles so schön einfach. Ich war dabei ihn fast restlos zu vergessen und dann steht er plötzlich wieder vor mir? Was hat sich mein Schicksal da nur wieder einfallen lassen? Am liebsten würde ich versuchen, mich einfach durch dieses kleine Toilettenfenster zu zwängen, aber ich habe die Befürchtung, dass mein Hintern dort nicht so problemlos durchpassen wird. Ich kann nicht vor ihm davonlaufen. Im Laufe der letzten Jahre habe ich einen selbstbewussteren Charakter entwickelt, den ich nun ruhig mal ausleben kann.

Ich verlasse den stinkenden Raum wieder und geselle mich wieder zu den beiden Männern.

„Tut mir leid, Luce, aber ich schätze, das hier ist ziemlich wichtig. Können wir das nochmal wiederholen?", frage ich ihn.

„Ja, natürlich." Er steht auf und lächelt mich an. Er scheint also nicht böse auf mich zu sein. Er umarmt mich zum Abschied und gibt mir einen Kuss auf die Wange, wovon ich leicht rot werde. Als er an Dean vorbei läuft, entgehen mir nicht die schon fast feindseligen Blicke, die sie sich gegenseitig zuwerfen. Was soll das denn?

„Lass uns an einen Ort mit mehr Privatsphäre gehen." Wir verlassen das Café und steigen in sein Auto. Das Auto, in dem er mich zur Schule mitgenommen hat, mit dem er uns in das kleine Winterwunderland gefahren hat. Mit dem Jungen an meiner Seite, den ich als meine erste Liebe ansehe. Und der Junge, der mir jämmerlich das Herz gebrochen hat.

Ich bin so stinksauer, dass ich mich sehr zurückhalten muss, um ihm nicht all die Beleidigungen an den Kopf zu knallen, die ich mir in der vergangenen Zeit für ihn überlegt habe. Auf seine Versuche des Small-Talks gehe ich gar nicht erst ein und schaue demonstrativ aus dem Fenster. Ich weiß nicht einmal, wo er uns hinfährt.

Nach kurzer Zeit kommen wir bei einem Hotel an. Nicht irgendeinem Hotel, sondern einem richtig protzigen. Stimmt ja, Geld haben er und seine Familie genug. Er führt mich durch die Lobby, in den Fahrstuhl zu seinem Zimmer. Dieses ist natürlich viel zu groß für ein Hotelzimmer und sehr modern.

„Willst du was trinken oder sonstiges?", fragt er mich. Ich verneine.

„Lass uns zum Punkt kommen. Ich hatte nicht vor, ewig hier zu bleiben.", setze ich ihn unter Druck.

„Okay, wie geht es dir?" Er kratzt sich am Nacken, als wüsste er nicht, was er sagen sollte.

„Bis vorhin ging es mir noch blendend.", antworte ich ihm herausfordernd.

„Und nun nicht mehr?"

„Auf keinen Fall."


He is back! Wer freut sich? Ich bin 'schon fleißig am Weiterschreiben. Langsam kann ich das Ende nicht mehr erwarten xD

Plötzlich Schwanger Where stories live. Discover now