Kapitel 1 *überarbeitet*

26.8K 935 51
                                    

In einer Welt, wo Werwölfe unentdeckt unter Normalsterblichen leben, gibt es ein seltsames Phänomen. Während die Normalsterblichen ungebildet von der Magie direkt vor ihren Augen ihr Leben verbringen, spüren Werwölfe magische Dinge durch ihre Adern fließen. Sie sind direkt mit der Natur verbunden, denn schließlich hat die Natur sie hervorgebracht. 

Werwölfe haben jedoch nicht nur schnellere Reflexe, einen besseren Geruchssinn und schärfere Augen, sie haben auch die Gabe sich belieblich in eine andere Kreatur zu verwandeln, die man am besten mit einem gigantischen Wolf vergleichen kann. 

Außerdem wurde den Werwölfen etwas kostbares geschenkt, einen Band zu ihrer einzig wahren Liebe, ihrem Seeleverwandten. Auch wenn sie sich ihren eigenen Partner aussuchen könnten, so wählen sie meistens ihren Seelenverwandter, weil sie einfach perfekt füreinander sind. Das passende Puzzlestück für dich. Wer würde sich schon gegen seinen Seelenverwandten wenden, wenn er doch perfekt zu dir passt?


-o-


Keuchend rannte ich durch den Wald, der in der aufkommenden Finsternis wie ein mystischer Ort voller geheimnisvollen Lebens leuchtete. Geschickt wich ich immer wieder tiefhängenden Ästen aus, die drohten meinen Sprint zu verlangsamen. Meine Pfoten flogen nur so über den ebenen Waldboden und ich spürte die Kraft, die mich durchströmte. Meine Muskeln bewegten sich im Einklang und ich legte noch einen Zahn zu. Trotz der Dunkelheit erfassten meine eisblauen Augen jedes Blatt und jede Stein. Es war, als wäre die gesamte Welt in einen blauen Schleier gelegt. Ich fühlte die Kraft und das Leben des Waldes, während ich geübt ein Slalom durch die Bäume rannte. Ich konnte alles sehen und spüren, die Maus, die sich links von mir erschreckt im Unterholz verbarg und sich ihr Herzschlag verdoppelte, den Vogel, der hoch über den Baumkronen seine Kreise flog, hinunterschoss und die Maus erfasste. Wind, erzeugt durch meine Schnelligkeit, durchstrich mein Fell wie eine liebende Mutter und verschaffte mir erfrischende Abkühlung.

Arya, beeil dich!, hörte ich klar die Stimme meines Bruders in meinem Kopf. Er klang aufgeregt, aber nicht auf eine gute Art. Etwas war geschehen und ich hatte das Gefühl, dass ich mal wieder dafür verantwortlich war.

Ich bin sofort da. Meine Gedanken flossen über unseren Rudelkanal in den Kopf meines Bruders Max. 

Ich sprang über einen heruntergefallenen Ast und meine Pfoten setzten knirschend auf dem Waldboden wieder auf. In der Ferne konnte ich ein Haus sehen, das sich mächtig in die Höhe erhob, unser Rudelhaus in dem beinahe jedes Mitglied underes Rudels wohnte. In nahezu jedem Fenster brannte ein Licht und vor dem Haus konnte ich kleine Gestalten erkennen, die trotz der aufkommenden Dämmerung frohlich spielten. Während sich die Bäume lichteten, konnte ich erkennen, dass es vier Wolfsjungen waren, die verspielt über den Rasen rollten und sich ab und zu spielerisch bissen. Wir konnten seit unserer Geburt uns zu jeder beliebigen Zeit in einen Wolf verwandeln, nur war am Vollmond unsere Kraft noch stärker als sonst. Allerdings gehörte viel Übung dazu sich gewünscht zu verwandeln und darum gingen wir nur selten mit unseren ungeübten Welpen in die Öffentlichkeit.

Ein dutzend Meter vor dem Rudelhaus machte ich einen Hechtsprung und verwandelte mich im Sprung zurück. Mit festem Stand kam ich auf dem Boden an und rannte mit zwei Beinen weiter auf das Rudelhaus zu. Ich stürzte zwei Treppenstufen auf die überdachte Veranda hinauf und öffnete eine Truhe vor mir. Hastig zog ich eine Jogginghose und ein Oberteil aus der Truhe und zog mir die Klamotten schnell über den Körper. In einem Rudel sah man mehr als ein paar Mal eine nackte Person rumlaufen, denn sobald man sich in seinen Wolf verwandelte, sprengte der große Körper des Wolfes die Kleidung. So kommt es, dass man nach der Zurückverwandlung nackt war. Wir kannten keinen Scham. Unser Rudel war unsere Familie.

Haunting | #wattys2016 |Where stories live. Discover now