Kapitel 16

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"Also ... was ist los?", fragte ich und blickte nachdenklich in den beinahe wolkenlosen Himmel.

Shane ließ sich neben mir ins Gras fallen und verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf.
So hatte ich nun ungehindert Sicht auf sein markantes Gesicht und stellte mir vor, wie ich mit meinen Fingern die Konturen seines Gesichts fühlte. Der Schwung seiner Lippen fühlte, über seine Wange strich.

Schnell sah ich wieder in den Himmel und versuchte, diese Art von Gedanken aus meinem Kopf zu vertreiben.

"Ich wollte dir ja etwas erzählen.", sagte Shane und ungewollt flog mein Blick wieder zu ihm.

Ja, er hatte mir schon am Morgen angekündigt, dass er mir etwas sagen wollte und hattd dafür gesorgt, dass ich keinen klaren Gedanken heute im Unterricht fassen konnte.

Ich hatte mir den Kopf darüber zerbrochen. Wollte er mir erklären, wieso er am Samstag so schnell verschwunden war oder wollte er mir, dem Menschen, von der Existenz der Werwölfe erzählen?

Ich wusste es nicht und machte mich schon fast verrückt deswegen.
Schon immer hatte ich nicht zu der Sorte Mensch, oder Werwolf, gehört, die geduldig waren. Wenn es ein Geheimnis gab, wollte ich es so schnell wie möglich erfahren.

So kam es also, dass ich hibbelig vor Aufregung nach der Schule auf Shane wartete.
Grinsend war er auf mich zugekommen und hatte mir wie selbstverständlich meine Tasche abgenommen.

Wir waren in den Wald gegangen.
In Shanes Leben spielten wohl viele wichtigen Dinge im Wald ab, aber ich als Werwolf konnte in nur zu gut verstehen.

Wir hatten immer einen Drang, in den Wald hinauszugehen und unsere Freiheit zu leben. Wir wollten den Geruch des Waldes riechen und das Leben im Inneren spüren.
Werwölfe hatten diese Beziehung zum Wald, die man nur als Wolf verstehen konnte.
Der Wald war unsere Heimat und unsere liebende Mutter.

Shane zeigte mir eine kleine Lichtung am Stadtrand und ich hatte mich glücklich in das wilde Gras geworfen, im dem ich nun lag.

"Ich hab das Gefühl, dass ich mich wegen Samstag rechtfertigen muss.", begann Shane.

Ich bekam ein schlechtes Gefühl, dass ich Shane so etwas fühlen ließ und sagte gegen alle Erwartungen: "Du musst dich nicht vor mir rechtfertigen Shane..."

"Doch, dass muss ich.", unterbrach mich Shane sanft aber bestimmt.

"Du hast das Recht zu erfahren, was los ist."

"Wir kennen uns seit einer Woche. Du könntest auch ein unheinlicher Stalker sein.", scherzte ich und verfolgte einen Vogel am Himmel mit den Augen, der in großen Kreisen nach einer geeigneten Beute suchte.

Shane seufzte.

"Ich möchte es dir ja erzählen, aber ich weiß nicht wie."

Traurig sah er mich an und mein Herz schmolz dahin.

"Wie wäre es, wenn du am Anfang anfangen würdest.", flüsterte ich.

Shane grinste und verwirrt sah ich ih an.

"Das ist ein richtiges Clichée.", erklärte er mir und ich schmunzelte.
"Immer wenn man nicht weiß, wo man anfangen soll zu erzählen, wird einem geraten am Anfang anzufangen. Aber das wäre wohl am Besten ... von Anfang an zu erzählen."

Ich schwieg und sah ihn einfach nur an.

"Ich hab ein Geheimnis.", sagte Shane monoton und mein Atem verschnellerte sich. Er würde doch nicht etwa...

"Am Samstag habe ich dir doch eine Frage gestellt, weißt du noch?"

"Ja.", hauchte ich. "Glaubst du an Übernatürliches?", wiederholte ich seine Frage und Shane nickte.

Haunting | #wattys2016 |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt