Kapitel 10

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Die restlichen drei Schultage vergingen wie im Flug. Während der Mittagspausen war ich bei den Blacks und versuchte trotz meines schlechten Gewissens, so viele Informationen über ihr Rudel herauszubekommen wie möglich. Ich tarnte meine Recherche in Fragen wie "Wie groß ist eure Familie?" oder "Wo wohnt ihr denn?". Ich erzielte trotzdem keinen Erfolg, denn die Blacks waren vorsichtig. Sie wichen meinen Fragen wage aus und selbst die aufgedrehte Maya lächelte manchmal etwas zwanghaft bei ihren Antworten. Jay sah mich immer noch misstrauisch an und antwortete kaum auf meine Fragen.

Shane und ich redeten kaum, aber es lag nicht an ihm. Immer wieder versuchte er ein gespräch während der Chemiestunden aufzubauen, doch ich blockte ihn ab mit der Ausrede, dass ich den Stoff aufholen musste. Das war eine pure Lüge. Ich war in jedem Fach der Klasse meilenweit voraus und dachte über irgendwelche unbedeutende Dinge nach. Aber manchmal schlichen sich diese sturmgrauen Augen in meine Gedanken und ich fühlte förmlich, wie verletzt mein Mate war und es brach mir mein Herz. Aber es musste sein. Die Rache war wichtiger als mein Glück.

Mit Paul sprach ich noch das ein oder andere Mal und er fragte mir immer wieder Löcher in den Bauch, wie zum Teufel ich auch an die Blacks herangekommen bin. Ich antwortet ihm nur, dass das Glück gewesen wäre, denn ich wusste selber die Antwort nicht darauf.

Am Freitagmittag verließ ich entspannt die Schule und konnte jetzt die Schüler nachvollziehen, die sich freuten, sobald das Wochenende anfing. Schule war einfach nur öde und wie teilweise die Lehrer mit den Schülern umgingen, war einfach nur respektlos. Ich freute mich schon auf zwei Tage der Entspannung und vielleicht konnte ich mit einigen Mitgliedern meines Rudels sprechen, damit wird diese Sachen wieder einrenken konnten.

"Hey Arya, warte mal auf mich.", rief eine Stimme und ich erstarrte, denn diese Stimme konnte nur einem gehören.

"Shane.", sagte ich tonlos und drehte mich zu ihm um. Ich wollte nichts anderes, als auf ihn zuzulaufen und ihm in die Arme zu springen, aber das würde nie funktionieren...

Dieser hatte gerade die Schule verlassen und rannte auf mich zu. Ich konnte nur zu gut seine sportliche Figur sehen und würde ich in einem Comic leben, wäre mir jetzt Sabber aus dem Mund gelaufen. Schnell wischte ich mir über den Mund und war erleichtert, dass ich keinen Sabber spürte.

"Hey.", sagte er noch einmla, als er endlich bei mir stehen blieb.

Unwillkürlich musste ich grinsen. "Hi."

Shane schmunzelte und fuhr sich plötzlich unsicher durch seine Haare. Das schien so eine Angewohnheit von ihm zu sein, fiel mir bei dieser Gelegenheit auf.

"Wegen dem Projekt in Geschichte...", setzte er an und machte eine kleine Pause. "Wie wäre es, wenn wir uns morgen deswegen treffen?"

In meiner Brust breitete sich eine mir unbekannte Wärme aus und ich war sicher, dass ich strahlte.

"Ich würde mich gerne mit dir treffen.", antwortete ich aufgeregt und ein riesiges Grinsen erschien auf meinem Gesicht. "...wegen dem Projekt.", fügte ich noch schnell hinzu.

Shane spiegelte mein riesiger Grinsen und jeder, der uns sah, musste uns für komplette Vollidioten halten, mit diesem Riesengrinsen im Gesicht.

"Wo sollen wir uns dann treffen?", fragte Shane mich und ich überlegte. Bei mir konnten wir uns schlecht treffen. Shane durfte nicht wissen, dass wir ebenfalls Werwölfe waren und sah er unser Rudelhaus und roch er unseren Geruch, durfte es ziemlich schwer zu erklären sein.

"Na ja..." Ich versuchte Zeit für eine Erklärung zu schinden und tischte ihm die erstbeste aus. "In unserem Haus ist noch ein ziemlich Chaos von unserem Umzug, überall stehen Kartons und selbst ich halte es dort nicht länger als fünf Minuten aus."

Shane nickte verstehend und das schlechte Gewissen nagte an mir.

"Wir können uns gerne bei mir treffen.", sagte er zögernd.

Unsicher sah ich ihn an. "Wenn es in Ordnung ist."

Shane nickte mit mehr Selbstbewusstsein und schulterte seine Tasche, die drohte von seiner Schulter zu rutschen.

"Dann treffen wir uns doch morgen um 12 Uhr wieder hier vor der Schule und ich zeig dir unser Haus. Wir müssen nur zehn Minuten zu Fuß laufen."

Ich nickte und sagte: "Ich freu mich schon."

Ich freu mich schon? Auf ein Projekt für die Schule? Was war das denn bitte für eine Aussage Arya...

Shane musste ähnliches gedacht haben, denn er lachte und trieb mir damit die Röte ins Gesicht.

"Ich freu mich auch schon."

Grinsend zog er mich in eine kurze Umarmung und verabschiedete sich beschwingt. Ich brachte nur ein kurzes Lächeln zustande, in Gedanken spürte ich noch immer seine Arme, die um meinen Körper lagen und kleine Blitze hervorriefen.

Seufzend verließ das Schulgelände und begab mich Richtung Wald, darauf bedacht, dass mich niemand entdeckte. Kaum war ich zehn Meter im Wald, als ich mich schnell meiner Kleidung entledigte und den Drang nachkam, meinen inneren Wolf freizulassen. Erleichter knurrte ich und nahm meine Kleidung mit meiner Tasche in mein Maul.

Ich machte einen großen Satz und raste mit großer Geschwindigkeit zwischen den Bäumen entlang. Ich machte einen kleinen Umweg, um zu einer meiner Lieblingsplätze zu gelangen. Er befand sich knapp außerhalb unseres Reviers, war aber immer noch weit genug von der Stadt entfernt. Seit diesem Zeitungsartikel achtete ich penibel darauf, wo und wann ich als Wolf unterwegs war.

Schon vom weiten konnte ich ein leises Rauschen hören. Ich wusste, dass ich in wenigen Momenten angekommen war und legte noch einen Zahn zu. Die Bäume lichteten sich und ich lief auf einen Abhang zu. Kurz vor dem Abgrund bremste ich locker und trottete noch wenige Schritte. Links von mir floss ein kleiner Fluss durch den Wald und den Abhang hinunter. Trotz seiner geringen Größe traf der Fluss mit einem lauten Getöse in einer Quelle am Fuße des Abgrunds auf. Ich blickte über den Rand fünf Meter auf die Quelle hinan und verspürte einen gewaltigen Durst, weshalb ich einige Schritte zur Seite ging und über den Abhang auf das Ufer hechtete.

Ich legte meine Sachen ans Ufer und setzte einen Fuß nach dem anderen in das kühle Nass, das mich sanft umfloß. Gierig trank ich aus der reinen Quelle und tauchte kurzerhand meinen Kopf unter Wasser. Ich schüttelte wieder an der Luft angekommen meinen Kopf und kleine Wassertröpchen flogen in alle Richtungen.

Abgekühlt legte ich mich auf den Boden und schloss träge meine Augen. Die vergangene Woche war teilweise ziemlich schön, aber auch ziemlich kräftezehrend und forderte nun ihren Tribut. Ich döste ruhig vor mich hin und die untergehende Sonne wärmte angenehm mein Fell.

Ein Knacken riss mich aus meinem Halbschlaf und meine Ohren richteten sich wachsam auf, um eventuelle Gefahren zu hören. Doch ich wollte kein Risiko eingehen und klemmte mir meine Habseligkeiten zwischen die Zähne und floh Richtung Rudelgelände. Ich bildete mir ein, ein Knurren gehört zu haben, aber wahrscheinlich wurde ich einfach nur paranoid und war übervorsichtig.

Nach einigen Minuten kam auch schon das Rudelhaus in Sicht und ich erblickte seit einiger Zeit wieder ein paar Erwachsene, denen ich respektvoll zunickte. Zögernd erwiderten sie meinen Gruß und ich meinte, ein freundliches Lächeln auf einem Gesicht gesehen zu haben.

Meine Bemühungen hatten sich anscheinend schon ein wenig bezahlt gemacht und bestärkten mich in meinem Vorhaben, die Blacks auszuspionieren.

Ich hatte wohl länger Zeit als gedacht im Wald verbracht, denn die Sonne war kurz vor dem untergehen. Die Haustüre war angelehnt und ich stupste sie mit meinem Maul auf. In Wolfsgestalt trottete ich zu meinem Zimmer und verwandelte mich dort zurück. Sofort ging ich unter die Dusche, um den Schmutz und Dreck des Tages abzuwaschen.

Erschöpft fiel ich dann auch schon ins Bett und der Schlaf übermannte mich.

Haunting | #wattys2016 |Where stories live. Discover now