Kapitel 9

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Zuerst herrschte peinliches Schweigen, keiner von uns beiden wusste, wie er ein Gespräch anfangen sollte. Dann erzählte Shane einen Witz und ich lachte, bis mir beinahe Tränen die Wangen runterliefen. Das Eis war gebrochen und wir liefen scherzend und lachend durch die Straßen. Wir unterhielten uns über unsere Lieblingsband oder Lieblingsfilme, aber das Thema rund um Familie oder Freunde umschiffte ich weitgehend.

Shane zeigte hin und wieder auf ein Denkmal oder ein gutes Restaurant, aber wie waren eher damit beschäftigt, uns über alltägliche Dinge zu unterhalten.

Ich genoß die Zeit mit Shane. Ich redete mit ihm, wie mit einem besten Freudn, doch beste Freunde riefen nicht so wiedersprüchliche Gefühle in mir hoch. Mein Herz schlug schneller in seiner Gegend nd sein Geruch vernebelte meine Sinne. Er ließ mich all meine Probleme mit meiner Familie und meinem Rudel vergessen und ich war einfach dankbar für diesen Nachmittag. Ich fühlte mich einfach wie ein normales Mädchen, das nicht von ihrem Vater erpresst wurde. Schwerelos und unbeschwert verbrachten wir annähernd drei Stunden in der Stadt, bis Shanes Klingelton seines Handys unser Gespräch unterbrach.

Entschuldigend sah er mich an und blickte auf sein Handy. Ich hatte das Gefühl, dass er der den Anrufer wegdrücken wollte, doch als er sah wer ihn dort anruf, wurde er merklich bleich. Er entfernte sich einige Schritte von mir und nahm an. Der Anrufer schien wichtig zu sein, denn Shane sah konzentriert aus und stellte immer wieder Fragen.

Währenddessen sah ich mich auf der Einkaufsstraße um, in der wir uns gerade befanden. Von Modegeschäften über einen Buchladen bis hin zu Restaurants war hier alles vertreten. Ich ließ meinen Blick über den Menschenstrom schweifen und blieb bei einem bekannten Gesicht hängen, das das Blut in meinen Adern erfrieren ließ.

Ben, der treue Freund meines Vaters, sah mir direkt in die Augen. Ich schluckte und erwiderte seinen Blick fest.

"Arya?"

Mein Blick schnellte zu Shane, der mich entschuldigend ansah.

"Tut mir leid, aber es gibt einen familiären Vorfall und ich muss direkt nach Hause kommen.", sagte er bedauernd und schob sein Handy zurück in seine Hosentasche.

"Das ist doch nicht schlimm.", winkte ich ab und lächelte. In einer plötzlichen Eingebung zog ich Shane in eine Umarmung, die er zögernd erwiderte.

"Wir sehen uns morgen.", flüsterte ich in sein Ohr und ich spürte Shanes Nicken. Sein Geruch umnebelte mich und ich atmete genießerisch ein.

Langsam senkte ich meine Arme und trat einen Schritt zurück. Shane lächelte.

"Soll ich dich noch irgendwohin bringen? Zu dir nach Hause?", fragte er mich und man konnte deutlich die Sorge aus seiner Stimme raushören.

Sanft schmunzelte ich und entgegnete: "Geh du lieber sofort nach Hause. Ich komm schon klar."

"Sicher?", fragte Shane nach und hob eine Augenbraue.

Ich nickte und machte ihm lachend mit einer Handbewegung deutlich, dass er gehen sollte. Unsicher drehte er sich um und ging ein paar Schritte von mir weg.

Doch plötzlich blieb er stehen und rannte zu mir zurück. Er nahm meine Hand und murmelte: "Ich hab noch etwas vergessen." Dann hauchte er mir einen leichten Kuss auf meine Wange und ging davon, ohne sich ein weiteres Mal umzudrehen.

Ich musste bestimmt wie eine Verrückte aussehen, mit einer Hand auf meiner Wange, die Shane geküsst hatte und einem fetten Grinsen im Gesicht. Er hatte mich geküsst!
Ich schwebte buchstäblich im siebten Himmel und alles fühlte sich schwerelos an.

Und dann stürzte mal wieder die Realität auf mich ein. Ich hatte Ben gesehen, der mich und Shane beobachtet hatte. Er wusste jetzt von Shane und würde es sicher Dad erzählen, aber wollte ich das nicht auch? Shane zu verraten, war die einzigste Möglichkeit, nicht verbannt zu werden.

Haunting | #wattys2016 |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt