Kapitel 8

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Die letzte Stunde vor der Mittagspause verflog rasend und ehe ich mich versah, läutete auch schon die Schulglocke und alle stürmten aus dem Klassenzimmer. Ich packte gemütlich meine Sachen ein und Shane wartete auch schon vor der Tür auf mich.

Schweigend liefen wir zu der Kantine und ab und zu sah er mich an, wenn ich ihn ansah und dann mussten wir beide wie auf Kommando lächeln. In der Kantine starrte mich alle an, nur weil ich mit Shane zusammen auf den Tisch der Blacks zulief. Unsicher lächelte ich und ich war froh, als ich mich endlich mit meinem Essen hinsetzten konnte.

Maya grinste mich an und deutete auf ihren Bruder. "Das ist Jay, unser Bruder." Dieser sah mich nur schweigend an und widmete sich dann wieder seinem Essen.

"Und ihr seid alle drei Geschwister?", wollte ich neugierig wissen.

Shane und Maya nickten gleichzeitig.

"Ich bin der Älteste.", sagte Shane und grinste Maya triumphierend an.

Maya zog gespielt beleidig eine Schnute, ehe sie Jay gegen den Arm boxte. "Wir sind Zwillinge und eine Jahrgangsstufe unter euch." Jay nickte nur eisig. Zwillinge konnten auch nicht unterschiedlicher sein, Maya war aufgedreht und Jay schien nicht allzu gesprächig zu sein.

"Erzähl uns etwas über dich.", forderte Maya und schob sich einen Bissen Essen in den Mund.

"Hmm..", schand ich Zeit und musste mir meine Ausrede in den Kopf rufen. "Mein Dad und ich sind vor einigen Tagen hierher gezogen, weil Dads Arbeitsstelle ihn in diese Stadt versetzt hatte und das mit sofortiger Wirkung. Ich bin jetzt 18 Jahre alt und mache dann hier meinen Abschluss."

"Shane ist 19 Jahre alt...", sagte Maya und ignorierte danei gekonnt Shanes Proteste, er könne sehr gut selber für sich sprechen.

"...Jay und ich sind 17 Jahre alt.", beendete sie.

Jay erhob zum ersten mal seine Stimme und sah Maya liebevoll an. Zu mir sagte er dann: "Ich bin der Ältere."

"Hey, du bist nur ein paar Minuten älter.", hielt Maya dagegen und funkelte ihn an.

Ich lachte und fühlte mich pudelwohl unter ihnen, dennoch spürte ich deutlich die Blicke der anderen in meinen Rücken.

"Ist das immer so?", fragte ich leise und deutete über meinen Rücken. "Starren die andauernd so?"

Shane grinste schief und erwiderte: "Nein, eigentlich sind sie uns gewohnt, aber na ja...du sitzt heute bei uns und du bist die Neue?"

"Die Neue also..." Ich stützte meine Unterarme auf dem Tisch ab. "Jetzt hab ich auch schon einen Ruf."

Gespielt triumphierend reckte ich eine Faust in die Luft und rief leise: "Mein Plan ist aufgegangen."

Maya und Shane lachten, sogar Jay lächelte leicht.

"Wenn du möchtest, kann ich dir heute nach der Schule eine kleine Stadtführung geben.", sagte Maya und sah mich abwartend ab.

Ich überlegte. Eine Stadtführung bedeutete mehr Zeit, um Maya über die Blacks auszuhorchen und dann konnte ich meinem Alpha heute vielleicht auch mehr berichten.

Schnell stimmte ich zu und Maya grinste erfreut und zeigte mir damit ihre weißen Zähne.

"Was hast du jetzt?", fragte Shane mich.

"Uhh...ich glaub, ich hab jetzt Spanisch.", sagte ich und biss mir auf meine Unterlippe.

Shanes Blick wanderte hinab zu meinem Mund und er schluckte.

"Schade...", murmelte er. "Ich hab französisch gewählt.", sagte er etwas lauter und zwang seinen Blick nach oben.

Paul hatte doch auch Französisch. "Ist nicht Paul auch bei dir in Französisch?", wollte ich dann auch schon wissen.

Shane überlegte und fuhr sich durch seine Haare. Seine Geste rief in mir den Wunsch hervor, ihm selber durch seine Haare zu fahren und ich schüttelte schnell den Kopf.

Er nickte. "Ja, ich glaub er sitzt zwei Reihen vor mir...woher kennst du ihn?" Bildete ich es mir nur ein oder war da ein Hauch Eifersucht?

Ich winkte ab und erklärte: "Ich hab mit ihm nur gestern die Mittagspause verbracht, ich kenne ja noch niemand."

"Hey, du kennst doch jetzt uns.", protestierte Shane und sah mir in die Augen.

Meine Mundwinkel hoben sich automatisch und ich stimmte ihm leise zu.

"Ähm Arya...", fing Maya zögernd an.

Maya und Jay hatte ich ganz vergessen und schnell löste ich meinen Blick von Shane.

"...mir ist eingefallen, dass ich heute nach der Schule noch Training habe. Tut mir echt leid." Sie grinste unschuldig und sah alles andere als schuldig aus.

"Welches Training hast du?", fragte ich neugierig.

"Ähm Fußball?", antwortete Maya und es klang eher wie eine Frage, als wie eine Antwort. Unsicher sah sie zu Boden und ich bohrte nach: "Du spielst Fußball?"

Sie zögerte. "Ja ich bin in der Mittelwehr oder so...ist doch auch egal. Jedenfalls ist mir eingefallen, dass Shane heute noch nichts vor hat. Er kann dich doch rumführen, oder Shane?" Maya sah ihn scharf an.

"O-okay...", stotterte dieser und sah Maya verwirrt an.

Sie klatschte lachend in die Hände und stupste Jay in die Rippen. "Die beide haben ein Dat...ein Treffen!"

"Schon für sie.", knurrte Jay.

Überfordert saß ich da und wusste nicht, wie mir geschieht. Wie sollte ich denn mit Shane reden, ohne mich zu verplappern? Ich war bei sonst niemanden so unruhig, wie bei Shane. Er ließ mein Herz rasen, obwohl ich ihn erst seit zwei Tagen kannte.

Der Schulgong unterbrach Mayas Freudensmonolog, die sich selber für ihre gute Idee lobte und erleichtert packte ich meine Sachen zusammen. Langsam stand ich auf und lächelte ein letztes Mal.

"Bis bald.", sagte ich und wandte mich um.

Ich kam keine fünf Schritte, ehe mich eine warme hand auf meiner Schulter mich anhalten ließ. Ich drehte meinen Kopf und sah in sturmgraue Augen.

"Sollen wir uns nach der Schule vor dem Eingang treffen...wegen der Stadtrundführung?", fragte Shane unsicher.

"Ähm gerne.", sagte ich und er ließ mich los.

"Dann bis nachher.", grinste er und drehte sich wieder zu seinen jüngeren Geschwistern.

"Bis dann.", flüsterte ich und sah ihm hinterher.

Jemand stolperte gegen mich und riss mich damit aus meiner Starre. Rasch kehrte ich ihnen den Rücken zu und ging zu meinem Spanischraum.

Unsere Spanischlehrerin kam mit einem lauten "Hola chicos y chicas!" in den Raum gerauscht und begann sogleich mit ihrer Stunde über die Geschichte Lateinamerikas und die Entdeckung von Machu Picchu. Selbstverständlich redete sie nur Spanisch.

Ich konnte ihren Unterricht kaum verfolgen, ich musste immerzu an diese sturmgrauen Augen denken, die mir tief in die Seele zu blicken schienen.

"Arya, cuál es la respuesta?", fragte mich Señora García und blickte mich mit ihre Adleraugen an.

"Ähm...no sé la respuesta.", antwortete ich unsicher.

"Arya, Arya.", tadelte sie mich und sah mich enttäuscht an. Sie nahm einen anderen Schüler dran, der die richtige Antwort wusste.

Die restliche Stunde zog sich hin wie ein Kaugummi und ich konnte es überhaupt nicht erwarten, bis der Schulschluss angeläutet wurde. Glücklicherweise wurde ich jedch vonSeñora García die restliche Stunde in Ruhe gelassen.

Als es läutete, war ich eine der Ersten, die nach drausen stürmten und ich rede mir ein, dass es nur der Schulschluss war und nicht die Erwartung, Shane zu sehen, der mein Herz zum Flattern brachte.

Shane stand schon vor dem Eingang und ein Lächeln schlich sich auf dein Gesicht, als er mich entdeckt hatte.

"Bist du bereit?", wollte er wissen und ich konnte nur überwältigt nicken.

Haunting | #wattys2016 |Where stories live. Discover now