06- Verlassen

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Mein Blick glitt zur Uhr, ich saß erst seit 25 Minuten hier und es fühlten sich wie Stunden an. Alexander und Lu stritten immer noch darüber, ob Zander jetzt gut oder abscheulich aussah.

Ich nickte an den richtigen Stellen, wenn sie etwas fragten, doch hörte nicht zu.

Meine Gedanken schweiften immer wieder zu der Szene, in der mein Vater meine Mutter schlug. Egal wie sehr ich versuchte diese Bilder auszublenden, sie schlichen sich immer wieder nach vorne.

Meine Mutter weinend, mein Vater schreiend und ich völlig perplex. Hatte er sie ein weiteres mal geschlagen als ich gegangen war? War es ein Fehler gewesen über Nacht weg zu bleiben ohne mich nach Mom zu erkunden?

Was wenn ihr etwas schlimmes passiert war? Was wenn es ihr nicht gut ging und er sie ernsthaft verletzt hatte? Wieso war ich nicht zuhause geblieben? Wieso war ich so egoistisch und bin gegangen? Ich bin weggerannt, aber wo vor? Er hatte meine Mutter geschlagen und nicht mich. Hätte nicht meine Mutter losrennen sollen und nicht ich?

,,Juli?"

Ich hätte bei ihr bleiben sollen.
,,Juli??"

Ich hätte für sie da sein müssen, hätte ihr Beistand leisten müssen.
,,Erde an Juli"

Ich hätte nicht weglaufen dürfen, ich hätte mit ihr zusammen weglaufen sollen.
,,Du hörst uns nicht zu"

Ich hasste mich dafür, dass ich gegangen war.
Ich hasste mich so sehr, dass ich nicht wusste, wie ich meiner Mutter jemals wieder in die Augen schauen sollte, ohne zusammen zu sacken und an Sie auf dem Boden zu denken.

Ein hämmern holte mich aus meiner starre heraus. Alexander und Lu schauten mich beide mit weit aufgerissenen Augen an. Konnten sie etwa Gedanken lesen? Wussten sie bescheid?

,,Was ist los?", fragte ich sie.

,,Du weinst", flüsterte Lu.

Ich strich mir über die Wangen und tatsächlich weinte ich. Ich war so in Gedanken vertieft,
dass ich nichts davon mitbekommen habe.
Der Schmerz hatte mich so sehr überwältigt, dass ich die Kontrolle über meinen Körper verloren hatte.

,,Was ist los?", fragte mich jetzt Alexander.

,,Nichts, ich habe nur Kopfschmerzen", log ich. Meine Stimme nichts weiter als ein Schluchzer.

,,Und deswegen weinst du?"

,,Starke"

,,Aha" Beide schauten mich mit ihrem misstrauischen Blick an, doch ich ignorierte sie.

Als die Stunde endlich zu Ende war, nahm ich meine Tasche und verließ den Raum. Alexander und Lu folgten mir.

Ich war dankbar dafür solche loyalen Freunde zu haben, doch jetzt im Moment wollte ich einfach nur alleine gelassen werden.
Ich wollte mich in einer Ecke verkriechen und mich ausheulen.

,,Kommst du noch zu mir?" Ich sah zu Luisa und ging tausende Entschuldigungen durch, wieso ich es nicht konnte, doch ich entschied mich für die Wahrheit. Seufzend antwortete ich. ,,Nein, ich muss nach Hause"

,,Mit deinem Dad reden?" Augenblicklich versteifte ich mich.

,,Nein, ich muss duschen und lernen"

,,Okay, dann komm später vorbei"

,,Ja"

Wir verabschiedeten uns von Alexander und verließen den Schulhof. Ich sah schon vom weiten wie Zander am Schultor stand. Sein Blick auf mich gerichtet, der mich fixierte. Selbst vom weiten sah man wie wunderschön seine Augen waren.

Between usWhere stories live. Discover now