> Part 15

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Langsam betrat ich die Sporthalle. Oh Gott, was mache ich hier bloß?

Ich ging weiter, bis ich an dem kleinen Büro angekommen war, in dem ich Mr Glint vermutete. Und tatsächlich - er war da. Ich blieb zögernd an der Tür stehen und warf nocheinmal einen Blick zurück zu Damian, der wenige Schritte hinter mir stand und mir zunickte. Los geht's.

Ich betrat den kleinen, stickigen Raum und wäre am liebsten wieder rückwärts rausgelaufen, aber ich riss mich zusammen. Ich ballte meine Fäuste und presste sie an die Seiten, damit mein Zittern nicht mehr so auffiel. Mr Glint war über ein Stapel Blätter gebeugt und bemerkte mich gar nicht. So wie er da saß, sah er fast unschuldig aus, dieser Mistkerl. Ich schätzte ihn auf Mitte dreißig und mit seinen braunen Haaren und Augen und dem Dreitagebart könnte er sogar attraktiv wirken (trotz dem dicken weißen Pflaster auf seiner Nase), aber ich empfand nur Ekel für ihn. Ekel und Wut.

Ich räusperte mich leise und er schaute auf, ein angeknipstes Lächeln bereits auf seinen Lippen. Aber als er sah, wen er vor sich hatte, verschwand das Lächeln und er sah mich  etwas verwirrt an.

"Aria. Was gibt's?", fragte er ganz einfach. Als wäre nichts gewessen.

"Also, ehm - ich wollte -" Mir lief der Schweiß über den Nacken. Verdammt, was sollte ich denn jetzt sagen? Ich holte Luft. "Ich habe eine Frage. Zu den Turnübungen." Na geht doch, ganze zwei Sätze. Ich hatte keinen konkreten Plan, aber ich hoffte, es würde funktionieren.

"Ja?" Er schaute mich abwartend an, aber ich bildete mir ein, irgendwas in seinen Augen sehen zu können. Belustigung?

Ich stellte mich gerade vor ihm hin und verbarg meine Angst so gut es ging. "Ich weiß nicht, wie ich mit der Grätsche anfangen soll und -"

Und dann wurde ich gegen den riesigen Schrank geschubst, so hart, dass es wackelte. Seinen Arm legte er quer über mein Schlüsselbein und ich weigerte mich, ihm in die Augen zu schauen. Ich hatte ihn da gehabt, wo ich ihn haben wollte. Wo waren also Mira und der Direktor?

"Du dreckiges Luder", zischte er mir ins Ohr. "Gib's doch zu. Du willst es auch, aber lässt dich dann von deinem kleinen Freund 'retten' und  tust dann auf Opfer. Weiß er, wie hinterhältig du bist? Dass du es am Liebsten mit mir treiben würdest? Aber einerseits gefällt mir das." Ich spürte seinen Blick auf meinem Körper herunterwandern. "Dir schien es ja auch gefallen zu haben, so wie du geschrien hast. Dabei haben wir ja nicht mal mehr richtig angefangen. Aber jetzt bist du ja wiedergekommen."  Die Wut kochte in mir auf, meine Hände zitterten. Ich wollte auf ihn einschlagen, ihm so Schmerzen zufügen, wie er mir. Und er dachte noch, ich fande es spaßig, gut. Diese Wörter mit dem in Verbindung zu bringen, was er mir angetan hat und wollte, schien mir zu pervers. Zu widerwärtig.

Wo waren sie denn nur?

Ich spürte wie mein rechter Arm hochgezogen wurde und dann die Kälte seiner Hände auf meiner Haut. Er sah sich die Blutergüsse an. "Wir waren ja ganz schön wild."

Das ließ das Fass zum Überlaufen bringen. Ich wusste, dass ich keine Chance gegen ihn hatte, aber irgendwas setzte in mir aus. Genauso wie bei Mike, als ich ihn geschlagen hatte - ich dachte einfach nicht darüber nach. Ich begann mich heftig unter seinem Griff zu winden, schlug auf ihn ein und schrie ihm Beleidigungen entgegen. Und er lachte darüber. Er lachte! Das machte mich nur noch wütender, es war als würde ich all meine Verzweiflung an ihm auslassen - was er auch verdiente. Jedoch wehrte er viele meiner Schläge ab und wenn ich ihn traf, schien es ihm nicht viel auszumachen. Er grinste nur dämlich.

"Ich hasse dich!", schrie ich. "Fahr zur Hölle!" Dann klatschte ich ihm hart ins Gesicht. Wenige Sekunden später befand ich mich auf dem Boden wieder, meine Schulter schmerzte unheimlich. Mr Glint baute sich vor mir auf, als wolle er mich wieder schlagen und ich dachte mir, dass ich noch nie zuvor so viel Angst in meinem Leben gehabt hatte, wie jetzt. Er holte schon zum Schlag aus und ich kniff meine Augen fest zu, als jemand durch die Tür gestürmt kam. Als ich die Augen öffnete, hoffte ich Mira und Direktor McLion zusehen und das alles endlich ein Ende hatte - aber es war Damian. Er war ein wenig größer und kräftiger als Mr Glint und er schubste ihn deshalb mühelos in die Ecke. Dann holte er aus und schlug zu, immer wieder. Seine Schläge schienen Mr Glint durchaus mehr auszumachen als meine, denn sein Gesicht war nach wenigen Sekunden blutig und ganz verzerrt. Er versuchte zwar sich zu wehren, aber es war aussichtslos. Damian schien in seiner Wut - die ganz eindeutig war - die ganze Kontrolle über sich verloren zu haben. Und ich saß da auf dem Boden wie ein Häufchen Elend, unfähig mich zu bewegen. Ich wollte den Blick von Damian und Mr Glint abwenden, aufstehen und irgendwas machen. Aber ich konnte nicht. Mein Körper hörte einfach nicht auf mich. Damian schlug wieder zu und Mr Glint sackte zusammen. Oh mein Gott, er durfte nicht tot sein! Damian durfte ihn nicht umbringen.

Aber dann öffnete er ein wenig die Augen und sein Blick wanderte zur Tür. Als Damian wieder zuschlagen wollte - er war blind vor Wut und Ärger und was auch immer er noch empfand - ertönte eine schrille Stimme: "Damian! Lass ihn los, scheiße nochmal!"

Mira stand in der Tür - und ein entsetzter Direktor McLion neben ihr.


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