Epilog

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Auch sechs Jahre später bin ich glücklich. Absolut und bedingungslos.

Seit dem einen Tag, der mir noch heute haargenau in Erinnerung geblieben ist, auch wenn mit bitterem Nachgeschmack, ging es für mich bergauf. Seitdem bin ich gewachsen, Tag für Tag, Minute für Minute. Auch wenn natürlich nicht alles leicht war.

Greta ist vor zwei Jahren gestorben. Es war einer der schlimmsten Tage meines Lebens und ich habe unendlich lange geweint. Doch meine unerbittlichen Tränen waren nichts im Vergleich zu denen von Sally und Damian. Mein Dad und ich taten unser Bestes, um die Wunden, die bei den beiden entstanden sind, zu heilen, doch es dauerte und noch heute sind sie nicht ganz verheilt. Die Narben werden immer bleiben. Ich erwische Damian noch heute, wie er ab und zu durch seine Fotogalerie im Handy geht und alte Familienfotos mit Sally anschaut. Doch es war uns ein großer Trost, dass Gretas gesamte Beerdigung in  ihrer Lieblingsfarbe gehalten wurde: Knallgelbe Blumen, gelbe Kleidung (selbst der Priester hatte sich etwas Gelbes angesteckt!), gelbe Deko, sowohl in der Kirche als auch beim Essen hinterher und Dad hatte es sogar geschafft einen gelb angehauchten Sarg zu organisieren. Dass die Sonne an diesem Tag grell geschien hat, hat uns nicht weiter gewundert. Es schien Greta gefallen zu haben, redeten wir uns ein und das hat die schreckliche Zeit erträglicher gemacht. Wenn auch nur ein wenig.

Leah lebt mittlerweile in Amerika. Nach ihrem Abschluss, denn sie nur mit Ach und Krach geschafft hat, beschloss sie ein Auslandsjahr in den  USA zu machen, passend zu den amerikanischen Wahlen und Trumps begonnene Amtszeit. Zu dieser Zeit bekam ich mehrmals täglich wütende Nachrichten von Leah, in denen sie sich so politisch engagiert wie noch nie über diese ,,Schimmel-Orange", wie sie ihn nennt, aufregte, was wir wiederum sehr amüsant fanden. Daraufhin kam sie für ein Jahr zurück nach England,  trennte sich irgendwann von Justin und entschied schließlich mit ihrem Studium in Amerika anzufangen. Zunächst war ich entsetzt, denn nach Lily wollte meine andere beste Freundin einfach aus dem Land verschwinden, doch dann  freute ich mich für sie. Selten war Leah so Feuer und Flamme gewesen und  ihre Besuche, die sie wann immer es geht einplant, trösten mich.

Justins und Leahs Trennung war mehr oder weniger einvernehmlich. Irgendwann trafen die beiden die Entscheidung,  dass ihre Gefühle (und der Sex) nicht mehr so explosiv und intensiv waren, wie es  sein sollte und seitdem gehen sie getrennte Wege - jedenfalls was die Beziehung anbelangt. Ich bin froh, dass man sie trotzdem gemeinsam an  einen Tisch setzen kann und die beiden weiterhin gemeinsam lachen und  angeregt über Sexpraktiken diskutieren können, wobei Letzteres schon  lange nicht mehr so merkwürdig ist. Selbst mein Dad reißt nicht mehr  geschockt die Augen auf und das soll was heißen.

Dad und Sally leben immer noch in derselben Straße, im selben Haus, wie auch vor sechs Jahren. Sally hat nach ihrer zweiten Fehlgeburt (da sie vor Damian bereits ein Kind verloren hatte) gemeinsam mit Dad an Therapiestunden teilgenommen und eines Tages habe ich meinen Mut zusammengenommen und sie gefragt, wie sie damit klar käme. ,,Gar nicht", hat sie geantwortet, doch dann lächelte sie. ,,Aber ich lerne langsam wieder, es zu akzeptieren." Ich glaube, jetzt, wo sich die beiden ausschließlich auf sich selbst konzentrieren können, sind sie glücklicher denn je.

Das ist auch bei Damian und mir der Fall. Mittlerweile bin ich bei meinem letzten Semester angelangt, denn ich habe mich nach meinem Abschluss dazu entschlossen Grafikdesign zu studieren. Es ist lange nicht so einfach, wie es sich anhört und tatsächlich war ich des Öfteren dem ein oder anderen Nervenzusammenbruch nahe, besonders in den Klausurphasen, doch ich habe meine Entscheidung nie bereut. Damian dagegen hat nach seinem Abitur tatsächlich eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger begonnen. Seine Sozialstunden, die er damals wegen seiner Schlägerei mit einem seiner Internats-Kameraden machen musste, hatten ihm wohl besser gefallen als er zugeben wollte. Ich glaube, es lag hinterher auch nicht an den inkontinenten Alten oder an den Gebissen, die er täglich säubern musste, sondern eher an der teilweisen belastbaren Emotionalität mit der er nicht klar kam, sodass er die Ausbildung nach seinem ersten Lehrjahr abbrach. Als Grund schob er die ,,vollgeschissenen Buchsen" und ,,den Sabberfaden vom gebisslosen Mund bis zum Arsch" vor, doch ich wusste, dass das nicht stimmte. Dennoch habe ich nichts gesagt, sondern half ihm weitere Bewerbungen zu schreiben bis er um die fünfzig versendet hatte. Zu seinem Glück bekam er kurz vor Ausbildungsbeginn noch eine Ausbildungsstelle zum Mediengestalter in Bild und Ton, die kurzfristig frei geworden war. Und nun, drei Jahre später, arbeitet er in einem ziemlich gut besuchten Tonstudio auf dessen Stelle sich der sonst so faule Damian bereits ein Jahr vorher beworben hatte und die ihn ziemlich glücklich macht, wenn auch auslastet.

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