Doch kein Kotzbrocken?

488 22 3
                                    

Hermine saß in einem der abgelegeneren Flure an einem großen Fenster, dessen Fensterbrett in eine gepolsterte Sitzfläche umgewandelt worden war. Von dort aus konnte man die Gärten des Anwesens überblicken.

Wie gerne würde sie diese erkunden und in ihnen verweilen. Das Grün der Natur faszinierte und beruhigte sie irgendwie gleichermaßen. Jedoch war es ihr in den letzten Tagen nicht möglich gewesen.

Die letzten zwei Tage hatte es andauernd geregnet und Hermine kam es nach Herbst vor, obwohl es schon Winter war und Weihnachten bald vor der Tür stehen würde. Wie ein kleines Kind freute sich die Hexe schon auf den ersten Schnee in diesem Jahr.

Die Tatsache, dass sie Weihnachten mit ihrem Sohn und den Malfoys in Malfoy Manor verbringen würde, hatte sie beim Annehmen der Einladung anscheinend verdrängt. Jedoch war sie sich nicht mehr so sicher, ob sie dies überhaupt noch schlimm fand.

Die verstrichen Tage hatte sie natürlich nicht nutzlos vergoldet, sondern das Haus weiter erkundet und einiges in Erfahrung bringen können.

So war sie zum Beispiel beim gestrigen Frühstück auf den Hauselfen der Gastgeber gestoßen. Zuerst hatte sie ihren Augen nicht trauen wollen. Sie war äußerst erzürnt über die augenscheinliche Tatsache gewesen, dass sie diesem barbarischen Brauch der Reinblüter immer noch folgten.

Jedoch wurde ihre Annahme entkräftet, als die Elfe auf Hermines Nachfrage ihre Geschichte erzählte.
Die Hauselfe, welche den Namen Abby trug, erklärte ihr, dass sie viele Jahre nicht frei und unter Lucius Malfoy versklavt worden war. Er hatte sie jahrelang geschlagen und erniedrigt. Erst nachdem der junge Malfoy allein in Manor gelebt hatte, war ihr von ihm die Freiheit geschenkt worden. Sie war jedoch dennoch hier als Bedienstete geblieben.

Hermine hatte nach dieser rührenden Erzählung die Kinnlade offen gestanden. Zum einen war sie entsetzt gewesen, dass Malfoy Senior so grausam war und zum anderen das Malfoy so freundlich war.

War Malfoy vielleicht doch kein Kotzbrocken?

Dieser Gedanke schwirrte ihr seitdem immer wieder im Kopf herum. Es musste ja schließlich einen Grund geben, dass er so ist wie er ist. Jahrelang war auch sie, wie die Elfe, von einem Malfoy erniedrigt und nun freundlich behandelt worden.

Noch nie war ihr der Gedanke gekommen, dass er vielleicht garnicht von Natur aus so abgrundtief gehässig war. Sie hatte angenommen, dass er nur im Bezug auf Muggel über seinen Schatten gesprungen war, weil alle anderen Reinblüter es zum größten Teil auch getan hatten. Aus Gruppenzwang und sozialer Selbsterhaltung eben.

Aber vielleicht war sein Vater auch der Grund allen Übels.
Vielleicht stimmte in diesem Fall der Spruch, wie der Vater so der Sohn, nicht überein.

Vielleicht lag es an seiner Erziehung.
Wenn man von Anfang an eingetrichtert bekommt, dass eine bestimmte Gruppierung schlecht ist, dann macht man sich auch nie selbst ein Bild davon.

Vielleicht war ihm dies erst möglich gewesen, als er Abstand von seinem Vater bekommen hatte.

Es gab so viele Vielleichts, aber keinen genauen Grund.

Hermine beschloss letztendlich, ihre Überlegungen ruhen zu lassen und es einfach zu akzeptieren und genießen, dass er nun freundlich, anstatt abwertend zu ihr war.

Bei diesem Gedanken schlich sich plötzlich ungewollt ein kleines Lächeln auf ihre Lippen. Sie verband aus mysteriösen Gründen mit einem freundlichen Malfoy Glück und Freude.

War der Nichtkotzbrocken anscheinend in der Lage ihr Herz höher schlagen zu lassen?

After All These YearsWhere stories live. Discover now