Kapitel 47: Schuhe kaufen

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Was unten noch alles passierte wusste ich nicht und mir war es auch egal. Durch mein ständiges Schluchzen gingen alle Geräusche unter. Ich wollte zurück. Ich wollte aus dem Haus raus und zurück in mein Zimmer. Zum ersten Mal, dass ich mich bei Marlo nicht wohl fühlte und das nur wegen eines 14-jährigen pubertierenden Mädchens, was noch nicht wirklich verstand, was sie mit ihren Worten anrichten konnte.

Was sollte ich machen? Ich wollte raus für den Moment. Ich sprang vom Bett auf, nahm meine Tasche und lief zu der einzigen Möglichkeit, die mir in den Sinn kam.

Ich lief über den Balkon zu Luans Balkontüre, wo ich gegen klopfte und meine Tränen mit dem Pulli immer wieder weg wusch, brachte jedoch nicht viel, da immer wieder neue kamen. Hoffentlich fragte er nicht und ließ mich für ein paar Minuten bei sich rein.

Ein im Handtuch bekleideter Luan kam aus dem Badezimmer mit einer Zahnbürste im Mund, er grinste, welches aber sofort verging als er mein Gesicht sah.

„Was ist passiert? Was hat er gemacht?", fragte Luan sofort, als er mir die Tür öffnete. Ich ging ins Zimmer, warf meine Tasche ins Zimmer und legte mich in sein Bett.

„Nichts...", wisperte ich leise und fing wieder an zu schniefen. Er hat nichts gemacht. Er hat sie nicht aufgehalten. Er war still.

„Was hat sie gesagt?", fragte er und setzte sich neben mir aufs Bett.

„Nichts.", murmelte ich, legte mich auf Luans Kissen und schloss die Augen.

„Und nun die Wahrheit oder soll ich fragen gehen. Da es anscheinend nicht Marlo war, war es wohl Marli. Und da sie im Moment ein wenig seltsam ist würde ich sagen, sie hat noch verletzendere Dinge gesagt, als ich.", sagte Luan und ich zuckte nur mit den Schultern.

„Weiß Marlo das du hier bist?", fragte er weiter und stand auf.

„NEIN!", sagte ich ziemlich laut, da ich Panik hatte, dass er Marlo holen ging. Ihn wollte ich in dem Moment nicht sehen. Ich wollte niemanden sehen. Luan eigentlich auch nicht, aber er war mir lieber als alle anderen und das sollte schon was heißen.

„Chill Schnecke. Ich mach die Rollos runter und schließ die Türe ab, damit niemand rein kommt.", informierte mich Luan und tat es. Schaltete das Licht dann an und setzte sich wieder zu mir aufs Bett. Ob er meine Gedanken lesen konnte? Ich nickte nur und beruhigte mich ein wenig.

„Erzähl es mir, Schnecke.", forderte mich Luan auf, aber ich wollte es nicht. Zumindest in dem Moment.

„Nachher vielleicht.", sagte ich leise und kuschelte mich noch mehr ins Kissen ein. Luan verstand es anscheinend, da er nickte, vom Bett aufstand und mich informierte, dass er sich weiter fertig machen ging, sollte was sein, sollte ich ins Badezimmer kommen. Sicherlich nicht, aber es war nett gemeint.

Kaum war Luan im Badezimmer verschwunden vibrierte ein Handy. Da meins bei Marlo lag musste es wohl Luans sein. Ich schaute mich im Raum um und fand es auf dem Nachttisch. Ein Blick aufs Display verriet mir, dass Marlo anrief. Ich seufzte und legte mich zurück aufs Kopfkissen.

Für andere war das was sie gesagt hatte wohl nicht schlimm und ich hatte überreagiert, aber wenn man sein ganzes Leben sowas gesagt bekam verletzte es einem immer mehr. Man sagte, dass man nach einer Zeit abgehärtet war, aber so war es nicht. Jedes Wort verletzte einen immer mehr. Und von Leuten, die man gerne kennenlernen wollte, weil man mit dem Bruder viel zu tun hatte und man viel Wert auf die Meinung der Person legte, war das noch einmal ein ganz anderes Level.

Obdachlos.

Sah ich wirklich so aus? Sah ich wirklich so dreckig und ungepflegt aus?

Ich stand auf ging zu Luans Spiegel und schaute mich dort an. Meine Haare waren normal. Meine Kleidung war zu groß und labberig, aber sauber. Mein Gesicht war normal. Ungeschminkt. Sah ich also so schlimm aus? Kam ich bei anderen wirklich wie ein Obdachloser an? Luan sagte am Anfang auch immer sowas, wobei es mich um weiten nicht so verletzt hatte.

DREAMWhere stories live. Discover now