ZWEI

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Pünktlich um 6:00 Uhr ging mein Wecker los und ich öffnete gequält meine Augen. Dann machte ich meinen Wecker aus und setzte mich im Bett auf, um etwas wach zu werden. Nachdem ich für einige Minuten starr vor mich hin schaute, stand ich schließlich auf und trottete ins Bad.

Dort musterte ich mich erstmal im Spiegel. Ich sah leere, braune Augen, tiefe Augenringe von meinem Schlafmangel und mein viel zu mageres Aussehen. Schnell hörte ich auf mich anzusehen, da ich mich jetzt wirklich nicht mehr sehen wollte und stieg in die Dusche. Danach föhnte ich meine Haare, die ich anschließend in einen Dutt band und ging dann zurück in mein Zimmer um mich umzuziehen. Ich kramte eine schwarze, etwas weitere Jeans und einen großen Pullover, der ebenfalls ziemlich groß war, raus und zog das an. Schminken tue ich mich nicht, weshalb ich nur noch meine Schultasche schnappte und nach unten in die Küche lief.

Meine Mutter saß bereits am Küchentisch und richtete ihre Aufmerksamkeit auf mich, als sie die Zeitung bei Seite legte.

"Guten Morgen, mein Schatz.", lächelte sie mich fröhlich an.

"Morgen.", murmelte ich nur und öffnete dann den Kühlschrank.

Ich holte Milch raus, die ich dann in eine Schüssel voller Müsli schenkte. Mit der Schüssel in der Hand setzte ich mich gegenüber von meiner Mutter hin und begann stumm zu essen.

"Wir geht's dir heute?", fragte sie nach einer Weile.

"Gut.", antwortete ich knapp, obwohl das komplette Gegenteil eher zu traf.

Ich wollte meiner Mutter nicht noch mehr zu schaffen machen. Ich weiß das sie viel durchmachen musste wegen mir. Die Trennung mit Dad, meine Krankheit und meine ständige miese Laune, die ich schon viel zu oft an ihr ausgelassen habe. Manchmal musste ich einfach jemanden anschreien, meine Gefühle raus lassen und den ganzen Tag weinen. Meine Mutter tat nur so als sei sie stark, aber ich weiß wie sehr sie das alles belastet. Ich will anfangen ihr nicht mehr zur Last zu fallen und eine gute Tochter sein.

"Freust du dich schon auf die Schule?", kam es dann von ihr.

Heute ist der erste Schultag meines letzten Highschool Jahres. Ich freute mich ganz und gar nicht, da nun alles wieder los geht. In den Ferien hatte ich wenigstens Ruhe vor den Schülern.

"Ja klar.", erwiderte ich mit einem falschen Lächeln. Ich erzählte meiner Mutter nie etwas von der Hänselei in der Schule. Es ist mir irgendwie peinlich.

"Ich fahre dich heute, ok?", sagte sie vorsichtig.

"Aber Mum, ich kann selber..."

"Nein kannst du nicht. Du hattest erst gestern einen Anfall und ich will nicht, dass du es heute übertreibst.", unterbrach sie mich sofort.

"Na gut.", gab ich schließlich nach.

Viele Epileptiker können nicht mehr Auto fahren, da das Risiko hoch ist während dem Fahren einen Anfall zu bekommen. Mir ist das zwar noch nie passiert, aber da ich erst gestern einen kurzen Anfall hatte, erlaubt es meine Mum nun nicht.

Auch egal.

"Können wir dann los?", fragte ich, nachdem ich meine jetzt leere Schüssel in die Spülmaschine räumte.

Meine Mutter nickte, wir zogen uns Schuhe und Jacken an und begaben uns in die Garage, wo ich mich im Auto auf den Beifahrersitz setzte und meine Mutter los fuhr. Je näher wir der Schule kamen, desto nervöser wurde ich.

Vielleicht ist dieses Jahr ja auch alles anders. Vielleicht sind meine Mitschüler endlich reif und vernünftig geworden und lassen mich in Ruhe. Vielleicht kann ich dieses letzte Jahr ohne diese dummen Sprüche beenden.

BlakeWhere stories live. Discover now