FÜNFZEHN

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Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass auch wenn ich mich beeilen würde, sowieso mindestens eine halbe Stunde zu spät kam. Der Unterricht hatte vor ein paar Minuten begonnen und ich musste mich noch umziehen. Die Fahrt allein dauerte schon 10 oder 15 Minuten, das kommt auf den Verkehr an.

Schnell riss ich meinen Schrank auf, warf die schmutzigen Klamotten unachtsam auf den Boden und lies meinen Blick durch die nicht ganz so große Auswahl an Klamotten schweifen.

Gerade als ich eine Jeans und einen roten, oversized Pulli heraus kramte, klopfte es an meiner Zimmertür.

Blake. Was zur Hölle?

"Bist du fertig?", drang es von der anderen Seite der Türe zu mir.

Ich schaute an mir herunter. Nur meine Unterwäsche war auf meinem Körper.

"Äh-", setzte ich an 'nein' zu sagen, doch da ging schon die Türe auf.

Blake starrte mich für einen kurzen Moment an, ehe er den Blick von mir, und damit meine ich von allem an mir, abwandte. "T-tut mir leid.", stotterte Blake, während er seinen Kiefer anspannte und sich zu konzentrieren schien, nicht auf mich zu schauen.

Und was tat ich? Anstatt meinen Körper mit etwas ab zu decken, stand ich verkrampft da und starrte ein Loch in den Boden.

Er hatte es bestimmt gesehen. Verdammt.

"Ich wollte eigentlich nur fragen, ob ich dir deine Klamotten aussuchen darf.", redete er weiter.

Er wollte meine Klamotten aussuchen? Hm. Vielleicht war das gar keine so schlechte Idee. Immerhin wusste ich dann, was ihm gefiel und wohlmöglich konnte ich mich dann öfter so bekleiden.

Nein, es sollte mir egal sein was ihm gefiel. Schließlich sollte er mich mögen und nicht mein Aussehen.

Aber im Moment war ich neugierig was er aussuchen würde. Also wickelte ich mich schnell in meine Decke ein und setzte mich auf mein Bett.

"Mach.", ich nickte in Richtung meines Schrankes. Er lies seine Augen wieder zu mir wandern, ehe er grinsend vor meinen Schrank trat.

Mit hochgezogenen Augenbrauen durchwühlte er meine Klamotten und veranstaltete eine Sauerei, die ich nachher wieder aufräumen konnte.

Gebannt musterte ich sein Tun von der Seite. Hoffentlich wurde er überhaupt fündig, bei all den alten und nicht modischen Klamotten.

"Hier.", sagte er irgendwann und warf mir Klamotten neben mich aufs Bett, dann musterte er mich nachdenklich.

Sein Gestarre machte mich nervös.

"K-könntest du raus gehen?", fragte ich schließlich und zeigte auf die Türe.

Vor ihm umziehen wollte ich mich nun wirklich nicht.

"Oh ja, stimmt.", lachte er leise auf, so als würde ihm erst jetzt einfallen, dass er verschwinden musste damit ich mich umziehen konnte. Als er die Türe hinter sich zu zog, wickelte ich mich erleichtert aus der Decke und nahm die Sachen, die er für mich raus gesucht hatte, unter die Lupe.

Er hatte mir eine schwarze, enge Hose heraus geholt. Die hatte mir meine Mum mal gekauft, da sie hoffte ich würde mich dann endlich mal normal anziehen. Ich hatte sie nie an.

Dazu wählte er ein ebenso enges, mit einem, meinem Geschmack nach, viel zu weiten Ausschnitt. Frustriert warf ich den Kopf in den Nacken.

Wieso hatte ich mich darauf eingelassen? Ich kann doch so nicht in die Schule...

Nach weiteren Sekunden, in denen ich überlegte ob ich die Klamotten anziehen sollte, überwand ich mich schließlich und zog sie an. Dann stapfte ich zu meinem Spiegel und sah mich zweifelnd darin an.

Die Sachen passten perfekt. Das T-Shirt betonte meine Taille und es sitzte gut. Allerdings brachte der Ausschnitt eher wenig, da ich eh so gut wie keine Oberweite hatte. Die Hose lag eng an und war Highwaisted, was ich normalerweiße auch nicht leiden konnte. Aber ich musste zugeben das sie meinen Hintern betonte, der ebenfalls nicht allzu groß war. Aber in der Hose sah er wenigstens nach etwas aus.

Ich seufzte. Meine Haare befanden sich in einem Dutt und mein Gesicht war blass, mit Ausnahme der dunklen Augenringe. Bis auf diese zwei Dinge, sah ich ganz okay aus.

Ich hatte gar nicht bemerkt das ich lächelte, als ich mich betrachtete. Ich hatte es auch nie für möglich gehalten, mich in solchen Sachen irgendwie wohl zu fühlen.

Vielleicht lag es auch daran, dass Blake diese Klamotten auswählte. Vielleicht hatte ich dadurch das Gefühl, ihm gefallen zu können. Und vielleicht wollte ich das ja auch.

Also trat ich aus meinem Zimmer und rannte die Treppen nach unten, wo ich Blake wieder auf dem Sofa vorfand. Als er mich hörte, schnellte sein Kopf zu mir und er fuhr grinsend meinen Körper ab.

"Das hast du mir zu verdanken. Du siehst toll aus.", grinste er noch immer und kam auf mich zu.

"D-danke.", lächelte ich verlegen und schaute dabei auf den Boden. Blake blieb direkt vor mir stehen und legte aufeinmal seine rechte Hand an mein Kinn, ehe er mein Gesicht nach oben zog, damit ich ihn ansehen musste.

Wir starrten uns für ein paar Sekunden nur in die Augen, keiner traute sich ein Wort zu sagen und mir kam es so vor, als stände ich in einer Art Bann und es nie aufhören sollte.

Doch dann räusperte Blake sich plötzlich, entfernte seine Hand und trat wieder ein paar Schritte zurück.

Etwas enttäuscht darüber, blies ich lautlos Luft aus.

"Wir sollten wieder zurück fahren.", brach er dann die Stille.

~

An der Schule angekommen parkte Blake auf einem freien Parkplatz und sah sich erstmal kurz um. Doch alle waren im Unterricht, weshalb er nichts zu befürchten hatte.

"Kann ich dich was fragen?", sagte er plötzlich, ich war noch nicht ausgestiegen. Auch wenn ich wieder unbedingt in den Unterricht wollte, hielt mich etwas zurück.

Und das war Blake.

"Ja.", antwortete ich leise.

Was kam jetzt?

"Seit wann tust du es?", fragte er so plötzlich, das ich nach Luft schnappte.

Er hatte es also wirklich gesehen.

Beschämt senkte ich den Kopf. Niemand wusste davon. Er hätte das nicht sehen dürfen. Wieso musste er auch im unpassendsten Moment herein platzen?!

Ich hob meinen Blick wieder und schaute mit glasigen Augen zu Blake. Er war angespannt und musterte mich neugierig.

"Vor ein einhalb Jahren fing ich d-damit an.", hauchte ich bloß, denn meine Stimme versagte total.

Ich war konzentriert damit, nicht auf der Stelle los zu heulen.

"Wieso? Wieso tust du dir selbst so etwas an?", wollte er mitleidig wissen. Er hörte sich verzweifelt an, schuldig.

Irgendwie war er auch Schuld. Zumindest war er ein Teil davon. Die hauptsächliche Schuld traf meine Krankheit, die Mobberei dadurch.

Es machte mich depressiv.

"Ich wollte den anderen Schmerz dadurch lindern.", presste ich heraus.

Ich konnte es nicht vermeiden. Im nächsten Moment kullerte mir die erste Träne nach unten.

"Skye, aber doch nicht so. Dein Bauch, deine Schenkel. Alles war voller Narben. Sag mir bitte, das du damit aufgehört hast. Sag mir bitte, das du aufgehört hast dich zu ritzen."

Er wirkte traurig. Und irgendwie kam es mir so vor, als würde er sich Sorgen machen.

Als würde er sich Sorgen um mich machen.

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Ach Skye🙃

Morgen ist endlich Freitag, hehe:D

BlakeWhere stories live. Discover now