NEUNUNDVIERZIG

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Stille.

Zwischen meiner Mum und mir herrschte pure Stille. Ich saß ihr gegenüber an unserem Esstisch und betrachtete argwöhnisch das Wasser vor mir, hauptsache ich musste nicht meine Mutter ansehen.

Es war unangenehm hier zu sitzen und zu schweigen. Ich spürte eine deutliche Distanz zwischen uns zweien und das machte mich fertig. Wir hatten immerzu ein so gutes Mutter - Tochter Verhältnis, doch jetzt schien es so als würden wir uns kaum kennen.

So langsam wurde ich ungeduldig. Sie wollte doch mit mir reden, wieso tat sie es dann nicht endlich?

Ich räusperte mich und sah meiner Mum für einen kurzen Augenblick in die Augen, ehe ich wieder mein Wasser fixierte.

„Redest du nun mal?", fragte ich neutral, woraufhin ich ein leises Seufzen von ihr hörte. Sobald wir hier fertig gesprochen hatten, holte mich Blake wieder ab. In der Zwischenzeit war er im Training.

„Es tut mir leid.", begann meine Mum endlich zu sprechen. Anhand ihrer Stimmlage wusste ich, wie schwer ihr das alles fiel. Ihre Stimme klang brüchig und leise, sie musste sich zusammenreißen nicht zu weinen.

Ich zog automatisch meine Augenbrauen nach oben. Es tat ihr leid?

„Dein Vater hatte vor ein paar Monaten wieder Kontakt mit mir aufgenommen. Er wollte sich mit mir treffen und nochmal über alles reden. Ich dachte mir nichts dabei, ich dachte sogar das es eine gute Idee wäre. Er hat sich wirklich geändert Schätzchen, dein Vater hat in den letzten Jahren viel gelernt. Und dann geschah es irgendwie. Wir haben uns ein weiteres mal und dann noch einmal getroffen und immer so weiter. Ich wollte es dir sagen, glaub mir, aber ich hatte nicht den Mut dazu.", erklärte sie.

Ungläubig zischte ich Luft aus. „Er soll sich geändert haben? Warum hat er dann nie versucht mit mir zu reden, wieso kam er dann nicht zuerst auf mich zu? Es war doch klar das du wieder auf ihn reinfallen würdest, ich aber nicht! Deswegen wollte er nur mit dir reden!", rief ich wütend und dachte gar nicht darüber nach, was ich da gerade gesagt hatte. Erst als mich der verletzte Blick meiner Mum traf, weiteten sich meine Augen und ich stammelte unklare Worte vor mich hin.

„Das hab ich nicht so gemeint.", wollte ich beginnen mich raus zu reden.

„Doch hast du.", unterbrach mich Mum erstaunlich ruhig. „Nachdem dein Dad gegangen ist, hatte ich nie etwas mit einem anderen. Ich verachtete ihn für das, was er dir angetan hatte, aber trotzdem liebte ich ihn auch. Er ist die Liebe meines Lebens Skye, verstehst du das denn nicht? Was erwartest du von mir, dass ich für immer alleine bleibe? Und glaub mir, dein Vater will mit dir reden. Unbedingt. Aber ich sagte das ich zuvor alles mit dir klären wollte und dann hast du uns erwischt, bevor ich endlich den Mut gefunden hatte dir alles zu sagen."

Ich erschrak kurz. Mir war bewusst das mein Dad die Liebe ihres Lebens war, aber ich dachte nachdem er sich als Arschloch entpuppte, würden sich ihre Gefühle ändern. Ich dachte sie wollte ihn ebenfalls nie wieder sehen. Was wenn sie all die Jahre leiden musste, nur weil ich diesen Mann hasste? Und was, wenn er sich wirklich geändert hatte?

Schnell schüttelte ich den Kopf. Ich war nicht naiv. Er hatte sich nicht geändert und selbst wenn, wie sollte ich ihm alles verzeihen? Das konnte ich nicht, ich würde es nicht aushalten in wieder jeden Tag zu Gesicht zu bekommen.

„Und denk doch an deinen Bruder. Wir könnten alle wieder zusammen leben."

„Das stellst du dir vielleicht so einfach vor, aber für mich ist es das nicht! Liebend gerne würde ich meinen Bruder wieder bei uns haben, aber nicht Dad! Das halte ich nicht aus, Mum. Das schaff ich nicht, alles würde wieder hochkommen.", wurde ich gegen Ende hin leiser. Sie wusste das ich über meine Depressionen sprach und ich sah ihr an, dass sie auf ein mal ziemlich traurig wurde.

BlakeWhere stories live. Discover now