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Ema

Seit dem Vorfall in der Bibliothek, waren schon zwei Wochen vergangen. Anscheinend ist das Glück auf meiner Seite, denn der Idiot hat mich in Ruhe gelassen. Mit Alissa habe ich mich soweit wieder vertragen und neue Leute habe ich auch kennengelernt. Gerade sass ich im Mathe-Unterricht von Herrn Nolan, während er die Tests wieder zurück gab. Endlich erreicht er auch meinen Tisch und legt den Bündel verkehrt auf den Tisch und schaut mich kurz nachdenklich an. "Komm bitte nach der Stunde zu mir", sagte er monoton und verteilte die restlichen Prüfungen.

War ich so schlecht? Jetzt habe ich schon beinahe Angst die Blätter umzudrehen. "Dreh sie um oder ich mach es!", kam es aufgeregt von Alissa, welche links von mir sitzt. Bevor ihre Hand die Papiere erreichte schnappte ich sie mir und sah drauf. "Und? Lass mich sehen!", schon wurde mir die Prüfung aus den Händen gerissen, gleich darauf kassierte ich einen Schlag. "Die Prüfung war sooooo schwer ich werde sie niemals bestehen!", wiederholte sie meine Worte von nach dem Test in einer viel zu hohen Stimme.

Ich hatte 95% und mit 60% hatte man bestanden. Alissa war, so wie sie es mir erzählt hatte, noch nie gut in Mathe gewesen und hat 34% bekommen. Was wollte Herr Nolan von mir? Der dachte doch nicht, dass ich gespickt habe? Die Stunde wollte einfach nicht enden. Als die erlösende Klingel endlich schellte, packte ich meine Sachen geschwind zusammen. Alissa hielt mich kurz auf und verlangte, dass ich ihr alles erzählte, danach eilte ich schon zum Lehrer-Pult. Mein geliebter Lehrer beachtete mich gar nicht, bis alle aus dem Raum waren. 

"Miss Londun", begann er und musterte mich, "ihre Prüfung hatte mich überrascht, im positiven Sinne, natürlich. Die meisten Schüler ihres Jahrgangs schaffen es gerade noch so, mein Fach zu bestehen." Bei der Art, wie sie ihren Unterricht führen wundert mich das nicht, dachte ich. Unsicher bedankte ich mich, da mir immer noch nicht bewusst war, was er von mir wollte. "Worauf ich hinaus will, ist dass wir eine Art 'Mathe-Nachhilfe-Club' haben.", erklärte er und machte mit den Händen die Gänsefüsschen. "Da geht es darum, dass Schüler, anderen Schüler helfen und versuchen ihnen, das lernen zu erleichtern. Leider, besitzt dieser Club nur wenige Mitglieder, deswegen bitte ich sie dem Club beizutreten.", beendete er seine Erzählung und strahlte mich hoffnungsvoll an.

"Ehh", stammelte ich, weil mir im Moment die Worte fehlten und für mich war das, wirklich etwas seltenes. Einerseits würde ich gerne anderen helfen andererseits, wusste ich, dass das in der Freizeit stattfand, welche ich sehr schätzte. "Könnte ich Mal vorbeischauen und mich dann entscheiden?", fragte ich mit einer quietschigen Stimme. Sofort nickte er und bejahte: "Klar, es findet jeweils Donnerstags statt, im Raum 210." Ich verabschiedete mich von ihm und lief raus. Vor der Tür wartete Alissa auf mich, was mich zum lächeln brachte. Es waren die kleinen Dinge, die zählten. Ich hackte mich bei ihr ein und erzählte ihr, was der Stinkstiefel wollte.

Gegen Ende, der Englisch-Stunde, teilte uns unsere Lehrerin, Frau Miller, mit, dass wir das nächste Mal mit Literatur anfangen. Sie ist noch sehr jung und wir sind eine ihrer ersten Klassen. Meist versteht sie uns besser als andere Lehrer, doch ihr fehlt noch jegliche Erfahrung und das Verständnis für manchen Blödsinn, der uns durch den Kopf geht. Sie sieht alles viel zu streng und nimmt ihren Unterricht sehr ernst, weswegen sie auch nicht meine Lieblings-Lehrperson ist. Im Gegensatz zu unserem Geschichtslehrer, Herr Berner, ich bin mir sicher, dass er bald Pensioniert wird, deswegen bin ich umso glücklicher ihn als Lehrer zu haben. 

Seine ausgelassene Art und die Flachwitze, versetzten einfach jeden in eine gute Stimmung. Aber leider haben wir nur zwei Stunden Geschichte pro Woche. Das ist aber nicht wichtig, zurück zu Frau Miller, welche jedem von uns ein Buch auf den Tisch legte. Da sie der totale Teen Wolf-Freak war, erwartete ich etwas basierend auf Fantasie und Übernatürlichem. Doch sie überraschte mich mit '13 Reasons Why', auf Deutsch auch unter dem Titel 'Tote Mädchen lügen nicht' bekannt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich das Buch, wie eine Gestörte an. "Ist alles in Ordnung?", flüsterte Alissa neben mir, während ich versuchte den Kloss, der sich in meinem Hals gebildet hatte, zu ignorieren. Ich brachte ein verkrampftes Lächeln hin, und nickte: "Ich habe es schon Mal gelesen, das ist alles." 

Die Antwort reichte ihr aus, denn auch sie wusste mittlerweile, dass ich ein Bücherwurm war. Mein Blick wendete ich aufs Cover und ich verspürte einen Stich in meinem Herzen. Vor rund einem Jahr habe ich die Serie, zusammen mit Annie geschaut. Damals, war mir nicht bewusst, wie schlecht es ihr ging. Habe ich es etwa ignoriert? Als ihre beste Freundin hätte ich doch wissen müssen, dass es ihr nicht gut ging. Das Atmen fiel mir immer schwerer. Die düsteren Gedanken, die mich, seit ihrem Tod verfolgten, kamen zurück, nicht dass sie jemals verschwunden waren, aber ich konnte sie gut Verdrängen. In den zwei Wochen, die ich an dieser Schule war, wurde ich nur selten an Annie erinnert. Klar, es flossen ein paar Tränchen, wenn ich alleine war, aber wen würde es nicht mitnehmen, die beste Freundin zu verlieren.

"Gut, dann wären wir fertig für Heute, vergisst nicht das erste Kapitel, auf Donnerstag zu lesen.", entliess uns Frau Miller in die Mittagspause. Ich entschuldigte mich bei Alissa und meinte, dass ich zu den Waschräumen musste. So lief ich, mit gesenkten Kopf, in grossen Schritten durch den Flur und versuchte niemanden anzurempeln. Leider, war meine Konzentration nicht ausreichend, denn jemand blieb genau vor mir stehen und bevor ich die Person wahrnahm, krachten wir zusammen. Ich murmelte ein 'Tschuldigung' und wollte weiter, weil ich die Tränen nicht mehr zurück halten konnte.

Die von mir angerempelte Person hatte andere Pläne und hielt mich an meinem Unterarm fest. Verwirrt schaute ich auf und sah, durch den Schleier meiner Tränen, die blauen Augen, die mich immer wieder faszinierten. Sie strahlten nicht wie sonst, vor Lebensfreude, in ihnen spiegelte sich Besorgnis, Ratlosigkeit und, wenn ich mich nicht täusche auch Schmerz. Sehe ich denn so beschissen aus? Darians Mund bewegte sich, doch ich bekam nichts durch das Rauschen in meinen Ohren mit. Ich massierte meine Schläfen und versuchte mich zu konzentrieren. "Was hast du gesagt?", fragte ich mit erstickter Stimme nach. 

"Ich wollte wissen, was passiert ist.",  antwortete er, und sah mir eindringlich in die Augen. Ich schüttelte den Kopf und wollte ihm meinen Arm entreissen, doch er wollte nicht loslassen. Darian schien nach etwas zu suchen, so wie er den Kopf hin und her riss. Als er fündig wurde zog er mich einfach mit sich mit, sodass ich hinter ihm her stolperte. Ich musste aufpassen nicht auf die Fresse zu fallen, denn Darian schien es einen feuchten Furz zu interessieren, was hinter ihm abging. Keine zehn Sekunden später befand ich mich in einem dunklen Raum, doch bevor ich in Panik ausbrechen konnte, schaltete er das Licht an und ich atmete die angehaltene Luft aus. 

Ihr müsst wissen, ich habe schon seit ich Klein war, panische Angst im Dunkeln. Meine Mutter dachte das wäre nur eine Phase, doch meine Zimmertüre steht Nachts immer noch sperrangelweit Offen, während im Flur das Licht brennt. Ich sah mich um und musste feststellen, dass wir uns in einer Abstellkammer befanden. "Dein Ernst?", gab ich von mir und verdrehte meine Augen. Tolles Klischee! Mittlerweile habe ich schon fast vergessen, dass ich vor weniger als fünf Minuten zu den Waschräumen wollte, um zu heulen. Wie hat er das gemacht? Verwirrt schaute ich zu Darian, welcher gerade die Tür hinter sich schloss. Normalerweise, würde mir jetzt kotzübel sein und könnte nicht einen korrekten Satz rüberbringen, ohne gleich wieder zu heulen oder zu stottern.

Doch im Moment, war es so als ob die letzte halbe Stunde nie passiert sei. "Ja! Mein Ernst, du kommst hier nicht raus, bevor du mir sagst, wer dich traurig gemacht hat!", befahl er mit einer Ernsthaftigkeit, welche keine Widerrede akzeptierte. Ich zu seinem Verwundern, fing an zu lachen, durch seine Worte. "Wer mich traurig macht? Ich selber!", erwiderte ich belustigt. "Wieso würdest du das tun?", er war deutlich verwirrt und schien nicht zu begreifen, was ich meine. "Ich möchte nicht darüber sprechen, lässt du mich bitte raus?", seufzte ich. Er schien nicht überzeugt, weswegen ich noch ein 'Bitte' in die länge zog und dann gab Darian nach.

Er ging zur Seite und machte mir den Weg zur Tür frei. Ich drückte die Klinke runter, doch die Tür wollte sich nicht öffnen, ich drückte mit Kraft gegen sie, doch wieder tat sich nichts. Hinter mir erklang ein Kichern und ich drehte mich mit einem Killerblick zum Täter. "Mach mir Platz", sagte er immer noch amüsiert und drückte mich sanft zur Seite, derweil ich ihn mit verengten Augen in den Tod starrte. Sein Grinsen verflog ihm aber, nach dem fünften Versuch die Tür zu öffnen. Inzwischen drückte er die Klinke verzweifelt auf und ab und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die Tür.

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CLIFFHANGER, dam dam daaaam. Spass, das nächste Kapitel kommt bald. Es tut mir Sorry, dass dieses hier so lange gebraucht hat, aber Schule hat wieder angefangen.

XOXO fany

My AlphaWhere stories live. Discover now