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Ema

Ein Werwolf! Das war ja klar! Was hast du denn gedacht Ema? Er war zu perfekt, um echt zu sein. Sobald ich die Tür hinter mir hatte, liess ich meinen Tränen freien Lauf. Ein verdammter Werwolf! Das erste Schluchzen entfloh mir und ich wollte einfach nur so schnell weg von hier wie möglich. Mein Magen krampfte sich zusammen und ich könnte mich gleich hier übergeben, so sehr schmerzte es in meiner Brust. Es fühlt sich an als hätte mir jemand die Luft zum Atmen genommen. 

Ich schluckte und der Kloss in meinem Hals machte sich bemerkbar, während ich mit wackeligen Beinen in Richtung Zuhause lief. Mit dem Ärmel meiner Jacke wischte ich mir übers Gesicht, um die Tränen weg zu bekommen. Ich schniefte einige Male, um wieder richtig zu atmen und blieb stehen, um mich wieder zu seinem Haus umzudrehen. Die Szene spielte sich immer wieder in meinem Kopf ab und doch konnte ich nicht begreifen, was mir erzählt wurde. Ich fühle mich leer, ich spüre nichts mehr. Alles was ich will, ist nach Hause zu gehen und zu weinen.

Weitere Tränen verliessen meine Augen und das Atmen wurde wieder schwerer. Ich wusste es! Ich hätte es wissen müssen! Während ich weiter lief und durch die verschleierte Sicht versuchte nicht über den Waldboden zu stolpern, versuchte ich zu verstehen, wie ich so dumm sein konnte. Er hätte mich jeden Moment in Stücke reissen können. Und ich? Ich habe ihn geküsst! Einen Werwolf! Oh Gott, wie dämlich muss man sein? Ich verzog mein Gesicht, als ich daran dachte, wie ich es in seiner Nähe genossen habe.

Eine Gänsehaut breitete sich auf mir aus und ich schüttelte mich. Es hätte alles mögliche passieren können! Erneut wischte ich über mein Gesicht und verzog es danach, weil sich die Tränen in meine Haut brannten. Ich versuchte mich so gut wie möglich an den Weg zu erinnern, den ich so oft gefahren bin und doch ist es schwerer als erwartet. Alles war dunkel, auch wenn wir erst 18:50 Uhr haben. Ich hasse den Winter! Das einzige Licht spenden die uralt aussehenden Laternen am Rand des Weges.

Mein Orientierungssinn war noch nie der beste und wenn ich mich recht erinnere, habe ich mich damals beim Orientierungslauf verlaufen. Eigentlich wollte ich nicht laufen, aber wen soll ich sonst anrufen, ohne Fragen beantworten zu müssen. Meinen Bruder? Meine Mutter? Definitiv nicht! Was hätte ich schon antworten können? Hey Mama, ich habe mich in einen verdammten Werwolf verliebt, aber mach dir keine Sorgen ich halte mich ab jetzt von ihm fern, wenn er mich nicht umbringt, falls er meint, dass ich sein Geheimnis ausplaudere. Klingt doch beruhigend! 

Erst jetzt wurde mir so richtig klar, in was für einer Situation ich mich befinde. Ich bin im Wald, es ist dunkel und ich habe gerade einen Werwolf wütend gemacht. Dazu ist es noch Vollmond. Super! Der Tod steht mir ausgezeichnet. Am besten ist es doch, wenn auch noch sein gesamtes Rudel hier lebt und mir an den Kragen will. Den Schmerz in meiner Brust ignorierend, verschränke ich die Arme, weil es immer kälter wird. Ich versuchte schon die ganze Zeit über nicht daran zu denken, was passiert, wenn ein Mädchen alleine durch den Wald läuft. Nachts!

Ich würde jetzt sagen, ich habe zu viele Horrorfilme geschaut, aber dem war nicht so. Ich verabscheue Horrorfilme. Wieso will man anderen Angst machen? Ruckartig blieb ich stehen und weitete meine Augen, als ich ein Rascheln hörte. Panisch schaute ich mich um und konnte nichts entdecken. Mit schnellen Schritten lief ich weiter in die vermutlich richtige Richtung. Das war bestimmt der Wind oder meine Jacke. Ganz sicher! Meine Atmung regulierte sich wieder und ich beruhigte mich. 

Nach gefühlten drei Stunden, welche etwa 15 Minuten waren, war ich immer noch hier und begann zu zweifeln. Ist das doch nicht meine Richtung? Unsicher drehte ich mich um und da war es wieder, dieses Rascheln! Ich blieb ein paar Momente stehen und nichts regte sich. Gerade als ich wieder loslaufen wollte, erklang das Geräusch erneut. Okay, das kann ich mir nicht eingebildet haben! Ich war kurz davor mich an die nächste Laterne zu krallen und zu heulen! Heilige Scheisse, ich werde sterben!

"Hallo?", fragte ich nach, da muss doch jemand oder etwas sein! Mein Herzschlag verschnellerte sich, als ich daran dachte, dass Darian mir vielleicht gefolgt ist. Bringt er mich jetzt um? Ich biss mir auf die Unterlippe, um ein Schluchzen zu verhindern. Wieso tut es so verdammt weh, wenn es das Richtige ist? Plötzlich blitzten zwei blaue Punkte zwischen all den Bäumen hervor. Es waren zwei Augen, sie gehörten der Person, die mich knallhart über Monate hinweg belogen hatte. Er war mir also doch gefolgt. 

Jedoch anders als erwartet, verspürte ich keine Angst sondern Erleichterung. Ich war verwirrt. Es war so als würde die gesamte Welt still stehen und nur wir noch atmen. Keiner bewegte sich und doch bebte alles in mir. "Bitte geh weg, Darian.", flüsterte ich und spürte die nächste Träne meine Wange runter fliessen. Er kam mir näher, doch irgendetwas war anders, denn Darian war definitiv nicht gleich gross wie ich. Mir wurde klar, was anders war, als er genug belichtet wurde, sodass ich ihn sehen konnte.

Vor mir stand nicht Darian sondern ein riesiger Wolf, ich korrigiere ein Werwolf. Es ist schon Darian irgendwie, glaube ich. Er war einschüchternd, immerhin ist er mit mir auf Augenhöhe und ich zweifle daran, dass sowas normal ist. Er war schön, sogar als verdammter Wolf. Wie war das bitte möglich? Er war mir für meine Meinung viel zu nahe, weswegen ich zurück wich, was eine ruckartige Reaktion bei ihm auslöste. Ich zuckte zusammen und mit einem Schlag wurde mir verdammt schwindelig.

Hey Ema, es ist doch vollkommen normal, dass dein Schwarm als Wolf in XXL vor dir steht. Die Stille wurde von meinem Lachen durchbrochen. Oh Gott! Das war doch nicht echt! Das musste ein Albtraum sein! Mir wurde noch schwindeliger als ich wieder zum Darian-Wolf sah, ich musste meine Augen für einen Moment schliessen, das war zu viel für mich. Der Wolf oder Darian hatte den Kopf schräg gelegt, das hatte mich überfordert. Ach, was laber ich denn hier, alles im Moment überfordert mich masslos!

Mit meiner mittlerweile eisig kalten Hand fuhr ich mir über die Stirn, um meinen erhitzen Kopf zu kühlen. Das tut gut. Ich atmete einmal tief durch und öffnete meine Augen, um sie gleich wieder zu schliessen. Fehlalarm! Darian oder Wolf-Darian ist mir näher gekommen und stand genug nahe, sodass ich ihn berühren konnte, wenn ich meinen Arm ausstrecke. Zittrig atmete ich wieder aus und schüttelte den Kopf. "Wenn du mich verstehst und dir auch nur irgendetwas an mir liegt, dann bitte, bringe mehr Abstand zwischen uns", flehte ich ihn an.

Als ich wieder genug Mut gesammelt habe, um meine Augen zu öffnen, stellte ich erleichtert fest, dass er zurück gewichen ist. "Danke!", flüsterte ich und atmete weiter tief ein und aus, um mich zu beruhigen. "Ich weiss nicht, wieso du hier bist", fing ich an und es fühlte sich einfach komisch an mit einem Wolf zu sprechen und zu wissen, dass es Darian ist. "Aber ich würde gerne nach Hause kommen und ich glaube nicht, dass das geht, wenn wir hier weiterhin rumstehen." Meine Stimme klang unglaublich bestimmt, für das, dass ich mir gleich in die Hose mache.

Ich habe echt keinen Plan, wie ich ihm in der Schule begegnen soll. "Du musst mich verstehen. Ich brauche Zeit für mich.", ich nickte und schluckte die aufkommenden Tränen runter, "Ich glaube, es wäre am besten, wenn wir uns aus dem Weg gehen und für eine Weile nicht miteinander sprechen." Das flaue Gefühl in meinen Magen verstärkte sich, als Darian den Kopf senkte und einen komischen Ton von sich gab. Ich umarmte mich selber, weil es immer kälter wurde und gab mir selber irgendwie halt.

"Ich weiss nicht, ob es jemals so wird, wie es bei unserem Date war oder davor.", ich fuhr mir durchs Gesicht, "Ich weiss ja nicht einmal wie ich nach Hause komme." Humorlos lachte ich auf. Ich bin sowas von fertig. "Aber falls wir nie wieder miteinander sprechen, möchte ich dass du weisst, dass ich dich wirklich sehr mochte.", brachte ich hervor und die Hitze stieg mir ins Gesicht. Dann nickte ich und machte mich auf den Weg. Immer den blöden Laternen nach, dann komme ich schon irgendwann an. 

Gute zwei Kilometer waren das, das kann ich euch versichern. Endlich bin ich am Waldrand angekommen und warf noch einen Blick zurück. Darian stand dort und starrte zurück. Ich wusste, dass er mich nicht alleine gelassen hätte. Egal, wie sehr ich es mir gewünscht hätte. Das all bekannte Kribbeln breitete sich in meinem Bauch aus und ich seufzte leise. Ich presste meine Lippen zusammen und drehte mich um, um in der bekannteren Gegend weiter zu schlendern. Bald habe ich es geschafft.

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Letzes für heute. Ich hoffe es hat euch gefallen. Sagt mir unbedingt, ob ihr sowas nochmal wollt. Ich wünsche euch noch eine gute Nacht.

xoxo fany <3


My AlphaWhere stories live. Discover now