19| Captain America

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"Ganz ehrlich, Livia: Was kannst du denn bitte nicht?"
Zugegeben, das war eine berechtigte Frage.

Das Experiment war nun schon einige Tage her und ich hatte seitdem intensiv trainiert. Paul hatte mir dabei geholfen, was selbst mich zu Beginn überrascht hatte. Zugegeben, wir hatten nicht den besten Start gehabt, aber ich nahm an, da nun der Druck des Experiments vorüber war, hatte er auch nicht mehr das Verlangen, in allem der Beste sein zu müssen.
Inzwischen waren Paul und ich gute Freunde. Er half mir, meine Fähigkeiten zu verbessern und es machte auch wirklich Spaß.

Paul stand wieder auf und klopfte sich den Schnee von der Hose. Seit der letzten halben Stunde schon hat er versucht, mich im Faustkampf zu besiegen, doch so sehr er es auch versuchte, er konnte nicht einmal einen einigen Schlag landen.
Inzwischen hatten wir herausgefunden, dass ich nicht nur schneller war, eine bessere Ausdauer hatte und mich teleportieren konnte, sondern auch, dass meine Reflexe um einiges besser waren als die eines normalen Menschen und sich meine Stärke vervielfacht hatte. Das waren auch die Gründe, weshalb er es einfach nicht schaffte, mich auch nur im Geringsten zu verletzen.

"Na ja", sagte ich, um auf seine Frage zu antworten, "ich kann zum Beispiel nicht nähen, auch wenn meine Mutter alles versucht, um es mir beizubringen. Und ich mag keine Tiere. Aber das beruht auf Gegenseitigkeit."
Lächelnd schüttelte Paul seinen Kopf und klopfte sich den Schnee von den Armen. In den letzten Tagen hatte es sehr viel geschneit, weshalb sich außer uns auch keiner draußen befand.
"Oh, und ich kann kein Schweizerdeutsch", meinte ich noch halb ernst.
Paul sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an.
"Wie kam es denn dazu?"
"Ich hatte einmal in der Universität einen Gastprofessor aus der Schweiz. Während er im Hörsaal war, hat er es halbwegs gut hingebracht, Hochdeutsch zu reden. Aber als ich ihn einmal im Anschluss an seinen Vortrag etwas gefragt habe, hat er offenbar alle seine Prinzipien vergessen und angefangen, schweizerisch zu reden. Ich stand mit offenem Mund da und versuchte, irgendetwas herauszuhören, was mir vielleicht helfen würde. Nach mehreren Minuten bemerkte er endlich, dass ich ihn absolut nicht verstanden hatte. Er hat sich sofort entschuldigt und es mir auch gleich in normalem Deutsch erklärt."

Paul versuchte, nicht zu lachen, aber ich bemerkte, dass er kurz davor stand, in schallendes Gelächter auszubrechen.
"Und das ist also die Geschichte, wie die berühmte Livia Schwarz festgestellt hat, dass sie kein Schweizerdeutsch versteht", meinte er belustigt.
Auch ich konnte mich kaum davon abhalten, zu lachen.
"Hey, es stimmt aber!", sagte ich gespielt beleidigt. Das war für Paul aber zu viel. Laut lachend warf er seinen Kopf in den Nacken. Auch ich konnte mich nicht mehr zurückhalten.

"Ich sollte wieder hineingehen. Ich fliege morgen zurück nach Wien und soweit ich weiß, musst auch du die Einrichtung morgen früh verlassen", meinte ich zu Paul.
Er riss seine Augen weit auf. "Stimmt! Danke für die Erinnerung!"
Lächelnd drehte ich mich um und ging auf den Eingang zu.
Auf einmal hörte ich hinter mir ein seltsames Geräusch. Schnell drehte ich mich um und fing gerade noch das Messer, welches sich fast in mein Auge gebohrt hätte. Kurz blieb ich stehen, nicht wissend, was ich machen sollte. Doch dann senkte ich das Messer langsam und blickte in Richtung des Werfers.
Paul stand einige Meter weit entfernt und trotzdem konnte ich seinen Gesichtsausdruck genau sehen. Es war eine Mischung aus Schock, Freude und Verwirrung.
"Woher wusstest du, dass ich es fangen würde?"
"Ich wusste es nicht."

"Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Sir."
"Meinen Sie, ich mache Witze? Wenn ich Ihnen sage, dass Sie morgen zehn Minuten mit Ihrer Familie haben, dann bleibt das auch dabei!"
"Aber Sir...!"
"Keine Widerrede! Und jetzt kümmern Sie sich um Ihre Angelegenheiten! Ich habe zu tun." Und damit wandte Schmidt sich von mir ab.
Wütend stürmte ich davon. Was dachte der sich eigentlich?! Ich hatte Familie und diese Familie bedeutete mir etwas! Ich hatte sie jetzt schon über zwei Wochen nicht mehr gesehen und jetzt wollte mir Schmidt nur zehn Minuten geben, um sie wiederzusehen und dann von mir erwarten, dass ich bis ans Ende dieses dummen Krieges Abstand hielt?
Schnell teleportierte ich mich auf mein Zimmer und warf mich aufs Bett. Ich hatte morgen zehn Minuten, um meiner Familie zu sagen, dass es mir gut ginge, ich sie lieb habe und dann musste ich auch sofort wieder gehen. Ich konnte mir Tims Reaktion darauf nicht einmal ansatzweise vorstellen.
Nachdem ich einige Zeit weiter gegrübelt hatte, setzte ich mich wieder auf.
Ja, ich hatte morgen nicht viel Zeit, aber dafür würde ich diese Zeit umso intensiver nutzen.
Ich stand auf und sah mich in meinem Zimmer um. Das meiste hatte ich bereits eingepackt, aber ich hatte noch etwas auf meinem Arbeitsplatz im Labor liegen. Mit einem Gedanken stand ich vor den Türen des Labors.

Captain Death [1] || {Captain America FF}Where stories live. Discover now