p a g e t w e l v e

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sometimes i wonder 

why some birds can't fly. 

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somewhere in southern france, 1986

pov. jeongguk: 


Es kam mir nie in irgendeiner Weise kindlich vor, wenn ich ihm vorlas. Auch nicht, wenn es bloß das verträumte Märchen des kleinen Prinzen war. 

Im Gegenteil, ich genoss es. Sehr. Ich mochte es, wenn er bereits nach dem Mittag seine vergilbte Decke auf dem Rasen ausbreitete, im Schatten des Baumes, von dem ich ihn den ersten Tag aus beobachtet hatte. Neben den Brennnesseln, etwas weiter weg vom Ufer des Sees, sodass man uns nicht so leicht stören konnte. Er sah dann immer in Richtung meines Zimmerfensters, so als ob er mir signalisieren wollte, dass er auf mich warten würde. 

Auch wenn ich bezweifelte, dass er mich wirklich erkennen konnte, die Entfernung und die Spiegelung der Fensterscheiben machten es fast unmöglich, lief ich meist ein wenig rot an. Ich fand es reizend, dass er extra für uns so ein Bett herrichtete. Und noch reizender fand ich es, wenn sein Kopf wie so oft in meinem Schoß gebettet war, wenn ich ihm vorlas. 

Meine Empfehlung schien ihn nicht zu enttäuschen. Er mochte das Buch, auch wenn er es nicht offen zugab. Ich sah ihm an, dass er sich in den unendlichen Weiten der Galaxis verlor und sich wegträumte, von diesem Ort, von seinen Problemen. 

Ob er überhaupt Probleme besaß? Wahrscheinlich. Nur sprachen wir nie darüber. Unsere Beziehung war eine für die glücklichen Tage, ich war für ihn ein Freund für gute Zeiten. So hoffte ich jedenfalls. 

Er war ein Freund für gute Zeiten für mich. Ich konnte mich in ihm verlieren. Wenn seine Augen mich von unten ansahen, während sein Kopf auf meinem Oberschenkel zu mir nach oben gerichtet lag, er sanft lächelte, während meine Hände durch seine Haarsträhnen fuhren. 

Honigblond, länger im Nacken, nicht strähnig sondern eher ein wenig robuster, dennoch glitten sie so leicht durch meine Finger, dass ich ihn beinahe fragen wollte, welchen Conditioner er benutzte. 

Es schien ihn nie zu stören, wenn meine Hände durch seine Haare glitten. Auch nicht, wenn sich unsere Hände kurz streiften, oder ich das Buch ein wenig in die höhe reckte, um Schatten auf sein Gesicht fallen zu lassen. 

Am wenigsten aber wohl meine Blicke. Sonst hatte ich mich immer unwohl gefühlt, wenn ich andere zu lange angeschaut hatte. Er hingegen schloss seine Augenlider gleichgültig und döste vor sich hin, während ich meinen Blick nicht von ihm abwenden konnte. 

Am meisten mochte ich seine hellbraunen Leberflecke. Einen auf der Nase, den anderen leicht auf der Wasserlinie seines rechten Auges, der letzten markanten am Rand seiner Unterlippe. Meine Kehle wurde immer unglaublich trocken, wenn ich daran dachte, wie gern ich sie nacheinander geküsst hätte. 

Ohne dass er etwas bemerkte, erst seine geschlossenen Augen, dann sanft seine Nasenspitze und schließlich seine Lippen. Oder doch erst den Mundwinkel, um mich zu vergewissern, dass es ihm nicht unangenehm war?

Mir wurde bei dem Gedanken so schrecklich warm, ich schluckte schwer und versuchte, meine Gedanken irgendwie abzukühlen, doch keine Chance. Alles was ich wahrnahm, waren seine unglaublich weichen Lippen, nicht rissig und spröde, so wie meine es waren, glänzend und einladend, zart rosig, in leichter Bewegung, bevor sie sich zu einem Lächeln verzogen-

"-ngguk." Ich schreckte aus meiner Fantasie und sah Taehyung verblüfft an, bevor meine Wangen ein wenig röter wurden. Ich hatte mich doch nicht wirklich in seinem dummen Mundwerk verloren, argh, abrutti!

"Woran denkst du?", fragte er mit einem kecken Lächeln, was mein Herz ein wenig schneller schlagen ließ. "An... vieles.", murmelte ich und sah in den Himmel, um mich meiner Blöße nicht vollends hinzugeben. Nun waren mir seine Blicke mehr als unangenehm. 

"Verstehe. Du willst nicht darüber reden.", meinte er süffisant grinsend und rollte sich von meinem Schoß, nur um sich neben mich zu legen. Ich bettete meinen Oberkörper ebenfalls auf der weichen Decke und schaute an den malerischen Himmel. Er war vollends blau, einige kleine Schäfchenwolken zogen vorüber, die die Sonne in ihrer Strahlkraft nicht mindern konnten. 

"Taehyung.", sprach ich leise, fast schon flüsternd. Ich wollte das Rauschen der Zikaden nicht zerstören, doch je länger ich den vorbeiziehenden Himmel betrachtete, desto mehr brannte mir eine Frage auf den Lippen. 

"Manchmal frage ich mich, warum einige Vögel nicht fliegen können.", murmelte ich leise, weiter in den Himmel starrend. "Ich meine, die meisten stammen ja sogar von fliegenden Vorfahren ab. Warum ist es ihnen nicht vergönnt, sich grazil in die Lüfte zu schwingen wie die anderen?"

Er seufzte leise. "Die Frage kann ich dir auch nicht beantworten. Sie haben es einfach verlernt, zu fliegen." Ich schnaubte verbittert. "Das ist doch aber keine Rechtfertigung für das Unrecht, was sie erfahren! Ihre Artgenossen einfach so in die Freiheit fliegen zu sehen, während sie für immer auf der Erde verfaulen." 

Ein Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab, bevor er seinen Kopf zu mir drehte. "Sie sind einfach stärker als die anderen.", erklärte er. Ich stutzte und lachte auf. "Stärker? Im Nachteil zu sein?" 

Er schüttelte lachend den Kopf, bevor er seufzend ausatmete und wieder in die Wolken schaute. "Überleg doch mal. Sie haben keine bedrohlichen Feinde, vor denen sie wegfliegen müssten, so wie ihre Artgenossen es tun. Natürlich sind sie stärker."

Ich schluckte leer. "Für ihren eigenen Schutz können sie nie von ihrer Freiheit gebrauch machen und sich in die Lüfte schwingen. Das wäre kein Leben.", murmelte ich daraufhin. Mein Kopf wandte sich zu seinem, bevor ich meine nächsten Worte vorsichtig aussprach:

"Oder würdest du dein ganzes Leben lang in Schutz und Sicherheit leben wollen, mit dem Wissen, dass du vielleicht einmal von der Freiheit des Fliegens hättest kosten dürfen, wenn du nur einen anderen Pfad gewählt hättest?"  

Sein Körper rührte sich nicht, er bliebt still an seinem Platz liegen, schaute nur weiterhin den vorbeiziehenden Wolken zu, während er von Zeit zu Zeit blinzelte. 

"Ich weiß es nicht." 



[2/3/19]

thanks for reading.

je t'aime | taeggukWo Geschichten leben. Entdecke jetzt