Kapitel 39

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Am nächsten Tag fahre ich, wie gewohnt, auf den Schulparkplatz und parke in meiner Parklücke, nahe der alten Mauer, an der die Möchtegern Bad Boys lehnen. Der weiße Rauch ihrer Zigaretten steigt in die Luft und ich sehe ihm zu wie er in Fäden verschwindet. Die Hände immer noch auf dem Lenkrad, bleibe ich eine Weile sitzen und starre den Rauch an. 

Die Schule beginnt erst in 15 Minuten, ich weiß nicht warum ich heute so früh dran bin. Im Rückspiegel sehe ich das kreuzförmige Pflaster, kurz über meiner Augenbraue. Um die kleine Platzwunde hat sich eine leichte blaue Verfärbung gebildet, doch es sieht nicht allzu schlimm aus. 

Still bleibe ich sitzen und denke darüber nach, was gestern passiert ist und was heute passieren wird. Ich weiß es nicht. Was wird heute passieren? Keine Ahnung. Ich habe den Drang, zum See zu fahren und die alte Fabrik aufzusuchen. Zu sehen wer dort lebt und wie. Ich will ihnen helfen und irgendwie will ich auch etwas dummes tun. Nicht das ihnen zu helfen etwas dummes wäre. Nein das ist etwas nettes. 

Ich will etwas nettes tun und dann etwas dummes. Oder andersherum. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass Jake mich ignoriert. Vielleicht will ich seine Aufmerksamkeit auf mich ziehen? Nein. Sicherlich nicht. So etwas würde ich nicht tun. Ich habe nur Lust etwas Dummes zu tun. Wie zum Beispiel, das Angebot anzunehmen und eine Zigarette zu rauchen. Das wäre doch bestimmt etwas dummes, schließlich sind Zigaretten ungesund nicht wahr? Ach was rede ich denn hier. 

Warum eigentlich nicht? Es würde mir ja nicht schaden. Oder doch? Scheiß drauf.

Entschlossen greife ich nach meinem Rucksack und steige aus dem Auto. Schnell schließe ich es ab und laufe auf die kleine Gruppe zu, von denen der Rauch aufsteigt. Etwas unsicher scanne ich die drei ab, während ich, so lässig wie irgend möglich, auf sie zulaufe. "Hey Evelyn, bist du hier um zu schnorren?" Dan hält mir grinsend die Schachtel mit den Zigaretten vor die Nase. 

"Ja, geht das in Ordnung?" frage ich, doch meine Stimme klingt nicht halb so entspannt wie sie sollte. "Klar, immer doch." Ich ziehe einen der Stinkstängel aus der Packung und nehme das Feuerzeug entgegen. Ich weiß wie man das macht, ich habe Vanessa oft genug dabei zugesehen. Doch gemacht habe ich es noch nie. Die kribbelnde Angst, davor mich auf die Knochen zu blamieren, wenn ich plötzlich einen Hustenanfall, von den Dingern bekomme, steigt in mir auf. Doch ich stecke mir die Zigarette zwischen die Lippen und halte die heiße Flamme ans Ende. 

Ich warte einen Moment, bis es anfängt etwas zu glühen und fange an zu ziehen. Meine Lunge füllt sich mit Rauch und ich atme kurz ein und wieder aus. Kein Husten, kein Würgen. Überrascht gebe ich Dan das Feuerzeug zurück, der mich den ganzen Vorgang über fragwürdig beobachtet hat. Grinsend ziehe ich noch einmal und atme den Rauch ein. 

"Und was führt dich hierher?" fragt Walter, der an der Mauer lehnt und seinen Zigarettenstummel gerade an dem kalten Stein ausdrückt. "Langeweile, schätze ich. Warum seid ihr hier?" frage ich zurück. Dan hebt eine seiner schwarzen Augenbrauen. "Wir sind immer hier." antwortet er. "Ja, aber warum?" interessiert sehe ich ihm in die Augen. Sie sind grün, das wusste ich gar nicht. "Langeweile, schätze ich." zitiert er mich und ich muss grinsen, ehe ich einen weiteren Zug nehme. 

Ich öffne die Tasche meiner Lederjacke, um mein Handy rauszuholen und die Uhr zu checken. In 8 Minuten beginnt meine erste Stunde. Schnell rauche ich weiter meine Zigarette und merke, was für einen große Gefallen ich daran habe. Man fühlt sich tatsächlich reifer und irgendwie... cooler? 

(Dont do drugs! Das ist keine Befürwortung fürs Rauchen, nur ihre Gedanken!)

"Wie gehts dir so, Evelyn? Hab gehört du und Jake is vorbei?" Walter mustert mich fragend und ich stoße den Rauch etwas wütend aus meiner Nase. Fühlt sich lustig an. "Ja, wir haben uns getrennt, aber mir geht es gut. Wieso?" Neugierig schaue ich ihn an. "Naja, wegen der Sache mit Jenny." erzählt Walter. "Nicht jetzt Walt, ich glaube nicht dass sie das hören will." murrt Dan.

"Kein Problem, ich bin drüber hinweg. Was ist denn mit Jenny?" ich belüge die beiden und mich selbst, als ich sage, ich bin drüber hinweg. Bin ich doch auch. Bin ich nicht.

"Na, die zwei hängen ständig miteinander rum, hab gehört sie waren gestern auf einem Date oder so." erklärt er. Meine Augenbrauen fahren in die Höhe. Seid wann sind wir nicht mehr zusammen? Zwei Tage? Drei Tage? Und er sieht sich schon wieder nach anderen um? "Wow, der hats eilig." lache ich und versuche zu verstecken, wie sehr diese Neuigkeiten weh tun. "Ja, was ein Arsch." murmelt Dan und ich lächle. 

Meine Zigarette neigt sich dem Ende zu und die Zeit auch, also schmeiße ich den Stummel auf den Boden und drücke ihn mit meinen Boots aus. Mit meiner Hand fahre ich mir durch die offenen Haare und sehe die beiden an. "Seid ihr in der Pause auch hier?" frage ich nach. 

"Klar, immer." antwortet Dan knapp. "Ist es ok, wenn ich vorbei schaue?" ich sehe beide unsicher an, doch sie lächeln. "Klar, wir würden uns freuen." Walter grinst schief und Dan lächelt freundlich. "Cool, wir sehen uns." sage ich und die beiden verabschieden sich auch. 

Mit dem kleinen Gefühl in mir, neue Freunde gefunden zu haben und dem zerreißenden Gefühl, dass Jake mich schon vergessen hat, laufe ich in das graue Gebäude. 

Jake, was du kannst. Kann ich auch.

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