16 - Den Tag lieben und die Nacht nicht hassen

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Mit einem Plopp tauchte Hogwarts vor meinen Augen auf und ich lief das Stück Weg zum Tor. Es war eine lange Zeit gewesen, die ich in den Bergen verbracht hatte – nun ja, nicht ausschliesslich. Gerade am Anfang war war ich beinahe regelmässig in der Nacht in Hogwarts, mir hatten im wahrsten Sinne des Wortes überlebenswichtige Zauber gefehlt. Ich wusste, dass es Muggelabwehrzauber, Schutzkreise und Suchzauber gab, hatte aber nie einen Grund gehabt, diese zu lernen. Nun hatte ich einen Grund, einen guten noch dazu. Es war wichtig gewesen, alleine zu sein, ich hatte die Zeit gebraucht. Für mich. Zum Nachdenken. Zum mich selbst besser verstehen. Es hat gut getan, niemanden um sich zu haben. Keine Ablenkung. Als ich vom St. Mungo weg gegangen bin, war ein völliges Chaos in meinem Kopf gewesen und brodelnde Wut in meinem Herz. Es hatte drei volle Tage gebraucht, bis es sich gelegt hatte, bis ich wieder unten war. Drei Tage, in denen ich mehrmals knapp davor war, das Avada Kedavra auszusprechen, während ich meinen Zauberstab auf mich gerichtet hatte. Drei Tage, in denen ich jedes bisschen Wille und Kraft gebraucht hatte, mit dem Ekel vor mir selbst umzugehen. Drei Tage, in denen ich einen, und wenn auch nur einen winzigen Grund suchte, warum es einen Malfoy mehr geben sollte. Ironischerweise waren es Miss Allencombs Abschiedsworte gewesen, die mich davon abgehalten hatten, es dort einfach zu beenden.

Aber auch die Tage danach waren nicht wirklich einfacher gewesen. Ich war es nicht gewohnt gewesen, alleine in der Wildnis zu sein. Essen selbst suchen müssen, wilde Tiere... vor allem aber allein sein. Ich machte nicht viel in dieser Zeit. Neben dem, was zum Überleben notwendige war – und das war, vorausgesetzt man beherrschte die richtigen Zaubersprüche, nicht wirklich viel – sass ich irgendwo herum und dachte nach. Über mich. Über das, was ich bisher für richtig gehalten hatte uns was davon wirklich richtig war. Es war nicht schwierig, mit etwas Übung essbare Pflanzen zu finden und obwohl es im einiges leichter gewesen wäre, einfach Tiere zu jagen, brachte ich es nicht über mich. Zu sehr erinnerte es mich den Todesser in mir.

Es war keine Schwierigkeit, ein Feuer zu machen oder eine einfache Hütte zu bauen. Es brauchte nicht einmal besonders viele Zauber dazu. So bleib mir viel Zeit. Zeit, die ich damit verbrachte, über mein bisheriges Leben nachzudenken und praktisch jede Erinnerung weckte in mir den Wunsch, meinen Zauberstab an meinen Kopf zu setzen und die ganze Sache zu beenden. Ich tat es nicht, weil mir jedes Mal Miss Allencombs Worte wieder in den Sinn kamen. Hatte ich wirklich so eine Gabe? Und warum kam diese erst jetzt zum Vorschein? Wieso hatte diese sich nicht schon während meiner Zeit in Hogwarts gezeigt? Immer, wenn ich an so einen Punkt ankam, an dem ich keine Antworten hatte, aber welche brauchte, apparierte ich nach Hogwarts. Ich achtete peinlich darauf, dass ich nur spät in der Nacht dort ankam, denn so wie ich aussah und vermutlich auch roch, wollte ich mich niemand anderem zumuten. Während ich anfangs meist in der Abteilung Allgemeine Zauberei meine Antworten fand, verlagerte ich der Fokus mit der Zeit mehr und mehr über Pflanzen- und Kräuterkunde in den Bereich Heilkunde. Das, was ich dort fand, schien das, was Miss Allencomb gesagt hatte, zu bestätigen. Die Zauber fielen mir leicht, selbst die fortgeschritten Heilzauber stellen nicht wirklich eine grosse Herausforderung dar. Und nun? Sollte ich zurück gehen? Ich traute mir aber nicht mehr, deshalb entschied ich, dass es das Beste wäre, wenn ich einfach dort bleiben würde, wo ich war. Es war ja nicht so, dass mich wirklich jemand vermisste. Vielleicht meine Mutter einmal ausgenommen, der ich alle paar Wochen eine Eule mit einem Brief schickte.

***

Mehrmals hatte Miss Allencomb versucht, mit mir zu reden, aber ich hatte ihr immer wieder geantwortet: „Noch nicht." Was sie dankenswerterweise berücksichtigt hatte. Ich wusste es, aber ich konnte es noch nicht akzeptieren, ich brauchte noch etwas mehr Zeit, während ich verzweifelt versuchte, mich in demWeiss, dass alles andere überdeckte, nicht zu verlieren. Ich war in dem Moment wirklich dankbar dafür, dass alles darin verschwand und mir keine Chance gab, zu denken oder zu fühlen. Am liebsten wäre ich einfach in der alles überdeckenden Helligkeit versunken und nie mehr aufgetaucht. Es war still hier, beinahe friedlich.

Ich und DracoWhere stories live. Discover now