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Taehyung

Heute wirkte alles irgendwie anders. Ich hatte nicht dieses komische Gefühl, mich in etwas komplett Neues zu werfen, von dem ich nicht einmal wusste, ob es überhaupt gelingen würde, geschweige denn ob ich unbeschadet da wieder herauskommen würde. Heute wirkte alles irgendwie vertrauter. Ich hatte ein gutes Gefühl. Mein Boot schob sich langsam durch die langen Weidenäste und ich wusste genau, dass ich in ein paar Metern an dem hölzernen Steg ankommen würde.

Ich genoss beinahe die Szenerie und die angenehme Stille um mich herum. Nur das leise Plätschern des Flusses und die zirpenden Grillen drangen an meine Ohren. Ich nahm einen tiefen Atemzug, auch wenn ich dadurch schmerzlich bemerken musste, dass eben doch nicht alles um mir herum so wunderschön war wie es schien. Für einen kurzen Moment kniff ich meine Augen fest zusammen und schluckte den aufkommenden Kloß in meinem Hals herunter, ehe ich mich weiter mit dem Holzstab vorschob und schließlich noch um einiges entschlossener an dem Steg anlegte. Vorsichtig kletterte ich aus dem Boot heraus und bahnte mir meinen Weg zu dem weißen Marmorstein herüber, der mir die Richtung weisen würde. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass ich es tatsächlich schaffen würde. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass sich all die Mühen der letzten Monate endlich bezahlt machen würden.

Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen trat ich meinen Weg an, weg von dem in dem Boden eingelassen Stein, über die weite Wiese, welche von Nebelschwaden überhangen war und von Tau bedeckt, bis hin zu dem Wald, mit den dichten Bäumen und dem düsteren Zwielicht. Doch es machte mir keine Angst. Zumindest nicht bis zu dem Punkt, wo mir erneut die beiden Eichen in die Augen fielen, zwischen denen sich der gleisende Lichtstrahl durch das Blätterdach bis auf den Boden ausbreitete.

Beim ersten Mal konnte ich gar nicht wirklich darüber nachdenken, wie unglaublich besonders dieser Ort doch war. Erst jetzt fiel mir auf, in welch einem einzigartigen Schein das Licht doch funkelte. Es wirkte so anders, als alles was mir zuvor unter die Augen gekommen war. Es wirkte auf eine eigenartige Weise nicht so weiß wie das Licht des Mondes. Es wirkte viel mehr um eine ganze Spur breiter und wärmer. Und dennoch sagte mir mein Inneres immer wieder, dass es nicht mal annähernd so schön war, wie es eigentlich hätte sein können. Als ob es schwächelte, gegen einen grauen Schleier über der Quelle ankämpfte.

Für einen kurzen Moment ließ ich meine Augen noch auf dem Lichtkegel ruhen ehe ich etwas vortrat und bereit war, meine Mission fortzusetzen. Ich war schließlich nicht hier, um die Schönheit dieses Ortes zu betrachten und mich darin zu verlieren, sondern um endlich herauszufinden, was hier passierte.

Mit großen Schritten trat ich näher an die beiden Eichen heran und wollte schon den ersten Fuß in das Licht setzen, als ich noch einmal innehielt. Konzentriert presste ich meine Kiefer aufeinander. „Bleib wachsam!", ermahnte ich mich selbst, bevor ich schließlich in den Lichtschein trat.

Sofort konnte ich wiedererkennen, wie die Lichtquelle hinter dem Horizont verschwand und sowohl mich als auch die Bäume in ein dämmriges Licht hüllte. Konturen lösten sich in undeutliche Umrisse auf, aus Büschen wurden Schatten und aus den Bäumen gruselige Figuren. Aber ich dachte gar nicht erst daran jetzt umzukehren, nicht wenn ich bereits so nah dran war.

Schnell entfernte ich mich etwas von den beiden Eichen, lief eilig etwas weiter in den Wald hinein und sah mich dabei immer wieder orientierend um. Nicht nur, dass ich keine Ahnung hatte, wo ich mich befand, ich hatte auch keine Ahnung, wie ich überhaupt finden sollte, was ich so verzweifelt suchte.

Nachdem ich fast wie ein Verrückter zwischen den kräftigen Stämmen umher gerannt war, bemerkte ich letztendlich, dass mir das so überhaupt gar nichts brachte. Suchend sah ich mich um und hatte schon die Befürchtung mich verlaufen zu haben. Das würde mit Sicherheit meinen Tod bedeuten.

Moonchild {VKOOK}Onde histórias criam vida. Descubra agora