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Jungkook

Fassungslos starrte ich auf den Sonnenschein vor mir.
„So klar habe ich die Sonne noch nie scheinen sehen...", murmelte ich völlig verzaubert von dem hellen Glitzern auf der Wasseroberfläche.
„Ich auch nicht", stimme Tae mir genauso beeindruckt zu, „aber ich wohne ja auch nicht in der Sonnenwelt."
Realisierend sah ich zu ihm herüber und legte die Stirn in Falten. Er hatte recht. Ich war hier das Sonnenkind, aber richtige Sonnenstrahlen hatte ich trotzdem nie gesehen. Wenn man die Sonne mit dem Mond aus der Mondwelt vergleichen würde, würde unsere Sonne haushoch verlieren, denn sie hatte wirklich nichts besonderes an sich. Aber dieser Sonnenstrahl war anders. Er leuchtete, nein blendete sogar schon und wirkte so dominant wie er dort auf die Wasseroberfläche traf.

„Also ich meine", räusperte ich mich, „die Sonne ist hier deutlicher zu erkennen, als bei euch... immerhin kann man sie manchmal auf der Haut kitzeln spüren. Aber so hell war sie noch nie. Wieso ist mir das bisher nicht aufgefallen?!"
Neugierig trat ich näher an den Rand des kleinen Sees heran, wobei dieser wohl eher ein Teich war, aber nicht so klein wie ein Tümpel... es war irgendetwas dazwischen. Eine Fläche, die sich mit Wasser vollgesammelt hatte. Um uns herum befanden sich die großen Zäune des Energy-Lodge Geländes und dahinter begann von dieser Seite aus schon der Wald. Die großen Bäume ragten hinter dem Zaun hervor und schienen das  Gelände in Schatten zu versetzen, doch der Sonnenstrahl ließ sich davon nicht aufhalten.

Die Stirn runzelnd sah ich hoch. Ich erkannte den großen Hügel, der hinter den Baumkronen hinaufragte. Ich wusste, dass an diesem Rand von Omelas ein Gebirge lag, welches die westliche Seite der Stadt von allem dahinter abgrenzte. Das Gebirge hatte ich selbst nie betreten. Früher hatten Jisung und ich immer davon gesprochen, dass wir es eines Tages  mal erkunden wollten, doch es war nie dazu gekommen und in den Wäldern  herumzustreifen, war meist schon Aufregung genug gewesen.

Zudem sah der Hügel wirklich bedrohlich aus. Es war nicht so einer, den man einfach hinaufspazieren konnte. Mehr so ein Berg, der steinig und spitz wirkte und oben auf irgendeine Art und Weise aufgerissen war. Kein Wunder, dass ich diesen Ort zuvor nie entdeckt hatte, wenn dieser auch so abgeschottet für neugierige Augen lag. Nachdenklich ließ ich meinen  Blick wieder sinken und entdeckte Tae, der sich neben mich gehockt und seine Hand ins Wasser gestreckt hatte.

„Jungkook fühl doch mal", rief er überrascht und mit leuchtendem Blick, „das Wasser ist ganz warm."
Schnell hockte ich mich zu ihm und ließ meine Hand ebenfalls über die  spiegelnde Oberfläche gleiten. Das Wasser fühlte sich tatsächlich angenehm warm an. Zum ersten Mal erlebte ich, dass ein Gewässer diese hohen Temperaturen angenommen hatte. Die Seen, die ich kannte, waren allesamt eiskalt. Selbst an den heißesten Tagen schaffte die Sonne es nicht, diese aufzuwärmen. Wie auf Knopfdruck wehte mir eine leichte Windbrise durchs Haar, welche mich frösteln ließ. Heute war es nicht warm. Selbst wenn wir es Anfang Sommer hatten, hatten wir dieses Jahr  noch nicht einen wirklich warmen Tag erlebt. Wieso also konnte dieses Wasser so warm sein?

„Es wird durch den Sonnenstrahl gewärmt", murmelte ich nachdenklich, „selbst an einem kühlen Tag wie diesem."
Seufzend stand ich wieder auf und hielt meine nasse Hand ins Licht, an welcher das Wasser schimmernd reflektierte.
„Meinst du, das ist ein Zufall?", hörte ich Taes Stimme, was mich jedoch nicht von dem Farbenspiel auf meiner Hand ablenkte.
„Was meinst du?", fragte ich abwesend.
„Naja, dass hier direkt über dem Keller so ein Teich liegt, welcher von so einem Sonnenstrahl gewärmt wird?"

Stutzig weitete ich die Augen. Es waren nicht nur Taes Worte, die meine  Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten, sondern noch etwas anderes weiter hinten. Vorsichtig nahm ich meine Hand aus dem Sichtfeld, woraufhin meine Augen wieder auf dem Berg landeten. Grübelnd legte ich den Kopf etwas schief und begutachtete die Spitze genauer. Sie passte einfach nicht zu dem Rest des Berges, als ob dieser einst größer  gewesen und die eigentliche Spitze abgebrochen wäre.

Moonchild {VKOOK}Where stories live. Discover now