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Taehyung

„Taehyung, rede verdammt nochmal mit mir!", hörte ich die zeternde Stimme hinter mir und biss mir sogleich fest auf den Kiefer. „Du kannst mir doch nicht erzählen, dass das nichts war. Du warst bewusstlos, gottverdammt!" „Ich sagte dir schon, das geht dich nichts an", presste ich angesäuert hervor und verschnellerte meine Schritte etwas.

Das hätte nicht passieren dürfen, nicht vor den Augen dieses Jungen. Am liebsten hätte ich mir selbst in den Allerwertesten getreten, aber im Endeffekt hätte ich nichts dagegen tun können. Es kam und es ging, so wie immer. So wie jeden einzelnen Tag in meinem erbärmlichen Leben. Dennoch war das ganz sicher nicht für die Augen dieses merkwürdigen Menschen bestimmt. Ein Mensch, der mir von einer Stadt namens Omelas erzählt hatte. Ein Mensch, der sich anscheinend mehr als falsch in diesem Ort fühlte, sich anstatt dessen hier wohl fühlte. Hier. Das konnte doch gar nicht sein! Nervös biss ich mir auf die Unterlippe.

„Ich finde aber sehr wohl, dass mich das was angeht", protestierte Jungkook hinter mir und ich konnte plötzlich seine Finger um meinem Handgelenk spüren. Augenblicklich breitete sich ein starkes Kribbeln darum aus und wanderte meinen Arm herauf. Dieses so andersartige Gefühl würde mich noch um den Verstand bringen. Deshalb versuchte ich mich mit Schwung aus seinem Griff zu lösen, doch ich musste schmerzlich feststellen, dass er um einiges stärker war als ich, vor allem auch, weil mein Körper von dem Vorfall soeben noch ziemlich geschwächt war. Mit der Zeit hatte ich nämlich gelernt meinen Schmerz und meine Erschöpfung zu überspielen. Doch aus irgendeinem Grund schien dieser Junge hinter mir wohl zu merken, dass es mir weitaus schlechter ging, als ich vorzugeben schien.

„Jetzt bleib doch mal stehen", kam es ihm inzwischen sogar etwas zornig über die Lippen und er hielt mich zurück. Ein genervtes Seufzen entwich meiner Kehle, als ich abrupt stehen blieb und mich langsam zu ihm herumdrehte. Sogleich trafen meine Augen auf die seinen. Seine dunklen Iriden fixierten mich eingehend und ich vermeinte sogar, so etwas wie Sorge darin zu erkennen. Doch er sollte sich nicht sorgen! Er sollte sich überhaupt nicht um mich scheren!

'Freunde werden'. Was dachte er sich denn? Hatte er etwa nicht aus dem Schicksal des Schmetterlings gelernt. Er gehörte nicht hierher. Nicht jetzt und auch nicht in Zukunft. Das Einzige, was mich davon abhielt, ihn sofort wieder von hier zu verscheuchen, war unser Deal. Ich brauchte diesen Deal. Und deshalb brauchte ich auch ihn.

„Taehyung...", fing der Dunkelhaarige an zu flüstern und lockerte den Griff um meinem Handgelenk etwas, „ich weiß nicht wo ich bin, ich habe keine Ahnung, wie ich hier wieder wegkomme, geschweige denn wer du bist."
Was wollte er mir damit jetzt sagen? Ich konnte gut auf eine Moralpredigt verzichten, die würde mir auch nicht weiterhelfen. Doch hingegen meiner Vermutung, fing der Junge sanft an mit dem Daumen über meinen Handrücken zu streichen. Eine warme Welle wanderte in jeden Winkel meines Körpers und ich presste nervös meine Lippen aufeinander.

Plötzlich fühlte ich mich unter dem bohrenden Blick Jungkooks beinahe nackt, als ob er bis auf meine Seele herabsehen könne und die tiefsten Geheimnisse meines Lebens herausfinden würde. Und auch, wenn mir das eigentlich mehr als unheimlich sein sollte und ich auch definitiv nicht wollte, dass er alles über mich herausfinden würde, die Schattenseiten, das Leid, den Schmerz, fühlte ich mich gleichzeitig noch nie so beschützt.

„Ich weiß, du willst nicht mit mir Freundschaft schließen", setzte er seinen Vortrag fort, kam jedoch noch etwas näher auf mich zu und senkte seine Stimme etwas, sodass sich eine Gänsehaut in meinem Nacken ausbreitete. „Ich weiß, du willst nur, dass ich meinen Teil des Deals einhalte und ich verspreche dir, das werde ich auch. Aber bitte, mache mir nicht noch einmal solche Angst."

Entsetzt riss ich meine Augen auf, senkte jedoch keine Sekunde später meinen Blick gen Boden. Vollkommen überfordert versuchte ich irgendeinen Punkt zu fixieren, doch meine Augen wanderten wild umher. Er hatte Angst um mich? Nein. Genau das wollte ich doch verhindern. Mein ganzes Leben hatte ich versucht zu so wenigen Menschen, wie nur irgendwie möglich, eine Bindung aufzubauen. Weshalb? Eben genau aus diesem Grund. Angst. Angst um mich. Dabei würde diese Angst auch nichts weiter bringen, als mir das Leben nur noch schwerer zu machen. Denn es würde nichts ändern. Nichts an mir, nichts an der Sache, nichts an den Schmerzen.

Moonchild {VKOOK}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt