Kapitel 5

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Seine Finger zitterten und ein Schweißtropfen rann ihm von der Braue, befleckte den Tisch, an dem er arbeitete. Seine ganze Konzentration galt dem Objekt vor sich, alles andere war nicht von Bedeutung.

Izar grunzte. Das Glas wollte sich einfach nicht in die gewünschte Form bringen lassen. Es schien fast so, als würden die Dimensionen sich jedes Mal abändern, sobald er sich daran machte deren Ausmaße zu erfassen, so dass es ihm unmöglich war, die Glasfläche mit dem restlichen Material zu vereinigen. Er musste zugeben, dass seine Erfindung hässlich war. Izar war allerdings kein Designer und dies war sein erster Entwurf. Was wirklich zählte, war die Magie, die sich im Inneren des ... Objekts befand. Die Form selbst war kaum definierbar; es war weder kreis– noch kastenförmig, sondern irgendwas dazwischen, versehen mit einigen scharfen Kanten...

Die Finger hielten in der Bewegung inne, als er die schadenfrohen Augen bemerkte, die sich auf der Glasfläche auf ihn zurück spiegelten. Es dauerte einen Moment, ehe er erkannte, wer ihm da entgegenstarrte. Und als er es realisierte, ließ er das verzauberte Objekt fallen, sah entsetzt dabei zu, wie es beim Aufprall auf den Tisch zu Bruch ging.

Es zerbrach zwar, explodierte jedoch nicht, wie Izar erwartet hatte. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, während er das zersplitterte Glas mit Abneigung in den Augen musterte. Es hätte verdammt nochmal explodieren sollen, sofern es ihm gelungen war, den richtigen Anteil an Magie beizufügen.

Er fletschte die Zähne, drehte sich um und starrte Tom Riddle mit einer Mischung aus Überraschung und Verärgerung an. Der Mann blickte hochmütig auf ihn herab.

„Mr. Riddle.", begann Izar ruhig, nur einen Hauch von Ärgernis in der Stimme. „Was... was wollen Sie hier unten?" Das Erste, nach dem er sich erkundigen wollte, war, wie der Mann, der Dunkle Lord, herausgefunden hatte, dass er hier unten arbeitete, als Unsäglicher. Allerdings war es recht eindeutig, wenn er so darüber nachdachte. Der Mann war lediglich dem Minister unterstellt und würde Zugang zu sämtlichen Akten besitzen, sobald er den Wunsch äußerte, sie einzusehen.

Doch wo sein Verdruss verstummte, trat Misstrauen an den Platz. Zurückhaltendes Misstrauen. Wonach stand dem Dunklen Lord der Sinn? Als Louis, sein Feind im Waisenhaus, mit der Notiz zurückgekehrt war, war Izar bewusst geworden, dass er dem Dunklen Lord nicht zum letzten Mal begegnet war.

Auch wenn Izar nicht damit gerechnet hätte, dass ihr zweites Treffen ausgerechnet hier stattfinden würde...

Riddle schwieg für einen langen Moment, besah sich das Objekt in Izars Händen, ehe er seine Augen auf Izars Gesicht richtete, um es in aller Ruhe zu betrachten. „Deine Mittagspause beginnt in wenigen Minuten, nicht wahr?"

Diese Stimme. Sie war viel zu wohltönend, viel zu arrogant. Aber das machte Sinn. Es war die Stimme eines Charmeurs, eines aufsteigenden Dunklen Lords.

Izar spitzte die Lippen und legte die Werkzeuge beiseite. Sie hatten ihm ohnehin nicht sonderlich weitergeholfen. „Ich hatte nicht vor, eine Mittagspause einzulegen, Sir.", sagte er respektvoll. Er sog den Anblick des Mannes vor ihm auf, beinahe schon ehrfürchtig. Izar würde seine Ehrfurcht oder seine Anerkennung niemals offen zeigen, doch konnte er einem so mächtigen Mann, wie Riddle es war, zumindest seinen Respekt zollen. Einem Zauberer, der es verdiente, keinen Respekt zu erweisen, würde nur zu Problemen führen und den unhöflichen Zauberer als tollkühn abstempeln.

Um sie herum hielten einige Unsägliche inne, als sie den Eindringling bemerkten. Ihre kühlen Blicke analysierten die Situation mit Präzision, nur um sich abzuwenden, als sie den Mann als den Untersekretär des Ministers identifizierten.

Riddles Augenbrauen hoben sich. „Ich denke, Sie werden die heutige Mittagspause nehmen, Mr. Harrison. Ich würde mich höchst geehrt fühlen, wenn Sie mich mit ihrer Anwesenheit beglücken würden."

Es war ein Befehl, versteckt in dem süßlich anmutenden Ton. Izar ließ ein sachtes Seufzen verlauten und erhob sich grazil von seiner sitzenden Position. Möglicherweise würde die Pause ihm guttun. Er musste herausfinden, warum das Glas nicht reagiert hatte, als es auf dem Tisch aufkam. Die Bestandteile des Zaubers hätten reagieren müssen, doch tat sich nichts.

Izar folgte Riddle aus der Mysteriumsabteilung. Sie kamen an den Bänken der anderen Unsäglichen vorbei, deren Erfindungen bei weitem besser aussahen, als seine eigene. Izar hätte gern gewusst, was sie konstruierten und wie das alles funktionierte. Doch schnitt die strenge Regel von wegen „Geheimhaltung" ihm dabei den Weg ab. Niemand sprach über sein eigenes Werk und niemand wollte es. Genauso verhielt es sich mit Konversationen, die mit der Außenwelt geführt wurden und das Thema ihrer Arbeit anschnitten. Absolute Geheimhaltung.

Niemand wusste genau, was die Unsäglichen taten, abgesehen von ein paar ausgewählten Mitarbeitern des Ministeriums. Doch selbst deren Wissen war lückenhaft. Und so sollte es auch bleiben.

Nachdem sie in den Fahrstuhl eingestiegen waren, reichte Riddle herüber und zog Izars Kapuze sicher über seinen Kopf. „Halt dein Gesicht versteckt.", murmelte der Dunkle Lord leise, als ein weiterer Fahrgast im achten Stock einstieg.

Der Mann, der dazu gestiegen war, tat nichts, um seine Beobachtungen zu verbergen. Interessierte Augen bewerteten Izars Aufmachung. Zauberer hegten ein natürliches Interesse an Unsäglichen. Und Izar konnte es ihnen nachempfinden. Neugierde gehörte nicht zu den angebrachtesten Emotionen. Besonders dann nicht, wenn jemand eine gefühlsmäßig bedrückende Phase durchlaufen musste, ehe besagte Neugierde gestillt war – so wie Izar es des Öfteren erlebte.

„Ich hoffe, dein bisheriger Tag verlief gut?"

Izar warf Riddle einen Seitenblick zu. Der Gesichtsausdruck des Dunklen Lords verriet nichts. War er erzürnt? In Mörderstimmung, weil Izar das Mal nicht genommen hatte? Es war unmöglich zu bestimmen. Das Einzige, was ihn beruhigte, war die Magie des Mannes. Sie war ruhig, gelassen. Anziehend wie üblich, aber nicht wütend.

„So gut wie er sein kann, nehme ich an.", antwortete Izar ruhig, die Augen auf den Fremden gerichtet. Der Mann hüstelte höflich in seine Faust, ehe er sich errötend von Izar wegdrehte. Izars Lippen pressten sich ob des auffälligen Geräuschs aufeinander. Einige Leute kannten wirklich keine Diskretion.

Nach einer Zeitspanne, die sich wie mehrere Minuten anfühlte, kam der Fahrstuhl im Erdgeschoss zum Stillstand. Riddle drängte Izar aus dem Fahrstuhl, wobei seine hochgeschossene Gestalt die von Izar vollständig verdeckte. „Verzeih ihre Ausgelassenheit, Izar. Es geschieht nicht oft, dass sich ein Unsäglicher im Erdgeschoss aufhält; vor allem niemand deiner Größenordnung."

Sollte das eine Stichelei sein?

Izar blickte zu Riddle auf, die Augen verengt. Ein Mundwinkel war gehoben, bewies, dass der Dunkle Lord tatsächlich Sinn für Humor besaß. Wer hätte das gedacht? „Ja, naja. Unsägliche scheinen eine gewisse Veranlagung zum Schrumpfen zu besitzen, bedenkt man, dass wir das natürliche Licht zugunsten unserer unterirdischen Keller vermeiden.", entgegnete Izar trocken, rief sich das typische Bild der Ministeriumsarbeiter vor Augen.

Offen gesagt glaubte die Mehrheit der Population, dass Unsägliche Einsiedlern ähnelten, die sich fernab von der Gesellschaft, in die Kerker des Ministeriums sperrten.

Riddle gluckste dunkel, während er ihn an der Mensa vorbeiführte. Der Mann sprach, den fragenden Blick Izars bemerkend, mit ruhiger Stimme. „Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn wir woanders unser Mittagessen einnehmen." Er ließ keinen Raum für Argumentation, selbst wenn Izar gewollt hätte.

Die einzige Antwort, die Riddle erhielt war die Verspannung seiner Schultern.

Als sie an die frische Luft gelangten, lehnte Tom sich vor. Sein Atem huschte über Izars empfindsame Haut. „Keine Sorge, ich habe nicht vor dich umzubringen." Das gesagt, verfestigte sich der Griff Riddles um seine Schultern, brachte ihn näher heran.

Bevor Izar sich's versah, apparierte er Seit an Seit mit Tom Riddle, ohne zu wissen, was ihn auf der anderen Seite erwarten würde.

Es dauerte seine Zeit, ehe Izar sich sammeln konnte. Er sackte in Riddles starkem Halt zusammen, kämpfte gegen die Übelkeit die ihn überkam. Er wollte sich übergeben, war sich aber bewusst, dass Riddle es nicht sonderlich schätzen würde, wenn seine glänzenden Lederschuhe mit seinem Frühstück Bekanntschaft machen würden.

Nachdem er wieder einigermaßen klar denken konnte, analysierte er seine Umgebung. Statt sabbernden Anhängern Tom Riddles entgegen treten zu müssen, die auf sein Blut aus waren, standen sie vor einem kleinen Café, wie Izar erleichtert feststellte. „Hast du jemals im Lauren McLeen diniert?", fragte Riddle, während seine Hand von Izars Schulterblättern zu seinem Rücken hinabrutschte.

Izar versteifte sich ob des Körperkontakts, absolut nicht mit Berührungen, Streicheleinheiten oder Ähnlichem vertraut. Nichtsdestotrotz blieb er ausdruckslos, die kontrollierende Hand auf seinem Rücken leise verabscheuend. „Nein, ich...kann mir den Luxus unter normalen Umständen nicht leisten. Vor allem nicht in einem Café, dass aussieht, als würde es die Speisen auf goldenem Geschirr servieren." Seine blassen Augen studierten die goldenen Löffel, die auf den mit Seide eingedeckten Tischen ruhten.

Wirklich? Hatte die Zaubererwelt keinen besseren Weg gefunden, ihr Geld zu verschwenden? Ah ja, sie hatten die Ministeriumsbälle, wo der Rest ihres Einkommens hineinfloss.

„Dann betrachte es als Geburtstagsgeschenk.", bemerkte Riddle leichthin und nickte der Wirtin zu, die hinter ihrem Podium stand. Sie lächelte affektiert als sie ihn bemerkte und neigte den Kopf als er an der langen Warteschlange vorbeischritt. Niemand beschwerte sich nachdem sie ausmachten, wer sich dort vordrängelte.

Izar fühlte sich ein wenig seltsam als er eine Gruppe von Kunden hinter sich zurückließ. Er hatte nie das Privileg besessen sich gegen die Norm zu bewegen, zuerst dranzukommen. Und er hatte ebenso wenig das Privileg, seinen eigenen Tisch zu beziehen – in einem schicken Café, so wie Riddle es vermochte.

Der Mann führte ihn zu einem abgelegenen Tisch im hinteren Bereich des Cafés. Er lag im Schatten, wurde von einer großen, steinigen Säule verdeckt. „Ein Geburtstagsgeschenk?", fragte Izar, ohne zu wissen, auf was der andere hinauswollte.

Izar stand steif neben seinem Stuhl, wartete darauf, dass sie wichtigere Person von ihnen beiden Platz nahm. Riddle grinste als er die Geste bemerkte und setzte sich. „Ein Geschenk, für deinen Geburtstag heute." Tom bedeutete Izar sich zu setzen. Seine verzauberten braunen Augen tanzten über Izars verblüfften Gesichtsausdruck. „Du hast deinen fünfzehnten Geburtstag doch sicherlich nicht vergessen?" Der Ton des Mannes drückte sein Amüsement aus, doch schlich sich ein ergriffener Hauch ein.

Nachdem er sich hingesetzt hatte, breitete Izar das Seidentuch über seinem Schoß aus. Er hatte über die praktizierten Manieren gelesen, die es brauchte, wenn man mit einer überlegenen Person dinierte, doch war dies das erste Mal, dass er sie zum Einsatz bringen musste. „Um die Wahrheit zu sagen, Sir, war mein Geburtstag das Letzte, woran ich gedacht habe." War es wirklich. Er hatte seinen Geburtstag vollkommen vergessen. Es war nie ein übermäßig großes Event in seinem Leben; er hatte auch noch nie einen Geburtstagsgruß bekommen. Niemand wusste von seinem Geburtstag.

Tom Riddle war der Erste, der ihm jemals Alles Gute gewünscht hatte.

„Und was..." Er lehnte sich vorwärts und stoppte, um Izars Kapuze abzusetzen. Das schwere Material löste sich von seinem Kopf und sammelte sich um seinen Nacken. „Liegt dir auf dem Herzen?" Entzücken entbrannte in den Augen, während er Izar vermaß.

Izar blickte nach unten, weg von Tom Riddles stechendem Blick, als eine Kellnerin sich ihnen näherte und sie unterbrach. Unterbrechen war hierbei wohl das falsche Wort; sie stellte lediglich jeweils eine dampfende Tasse Tee vor ihnen hin, bevor sie sich erneut zum Gehen umwandte. Während er beobachtete, wie sie sich entfernte, überdachte er seine Herangehensweise mit Riddle. Er wäre der erste, der zugeben würde, dass es im Umgang mit Menschen weit fähigere Personen gab als ihn – ähnlich verhielt es sich mit seinen Fähigkeiten, wenn es zum politischen Manövrieren mit dem Untersekretär des Ministers kam. Dunkle Lords waren eine andere Sache.

Wie fühlte er sich, nun, wo der Dunkle Lord wieder mit ihm sprach? Izar gab zu, dass es ihm schmeichelte, mit der Aufmerksamkeit des Mannes beehrt zu werden. Jeder Mann und jede Frau würden sich geschmeichelt fühlen, wenn ein Dunkler Lord ihnen seine Aufmerksamkeit schenkte, selbst, wenn man dessen Mal abgelehnt hatte. Izar wusste, dass der Mann wegen seiner Ablehnung nicht wütend war und das überraschte ihn.

„Ich war mit meiner Arbeit beschäftigt, unter anderem." Er erlaubte sich einen Blick aufwärts und fing die verzauberten braunen Augen ein.

Tom Riddle wirkte, in seiner sechzigjährigen Form, harmlos. Zugegeben, strahlte er noch immer Macht und Influenz aus, allerdings war er weder so sündhaft attraktiv, noch so ablenkend. Seine wahre Form gefährdete Izar viel mehr.

„Ja, deine Arbeit." Tom ließ ein kurzes Grinsen aufblitzen. „Die Unsäglichen...Ich gebe bereitwillig zu, dass ich erstaunt war, als ich von deinem Sommerjob erfuhr. Sag mir..." Er lehnte sich nach vorn, mit Vorsatz. „Wie kam es dazu, dass du dich in den Klauen der Unsäglichen wiederfandest?"

Der Mann schien interessiert genug. Izar war es nicht gewöhnt, dass ihm Erwachsene ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen ließen, nicht so. Dann erinnerte er sich daran, dass Tom Riddle ein Verführer war. Er besaß absolute Kontrolle über seine Mimik– seine Emotionen. Der Mann war ein brillanter Schauspieler.

Und trotz des Fakts, dass viele Izar als sozial unbeholfenen Teenager betiteln würden, realisierten sie nicht, dass er ebenfalls brillant war, wenn es zu Menschen kam.

Seine Gesichtszüge beruhigend, sandte Izar dem Mann ein schiefes Grinsen. „Sie kontaktierten mich, nachdem ich meine ZAG's geschrieben hatte.", sagte er gelassen, wischte sich das Grinsen vom Gesicht, als es begann wehzutun. Er war es nicht gewohnt, seine Züge in eine positive Geste umzuwandeln. Lächeln, Schmunzeln, Grinsen, ... sie alle forderten eine Menge Arbeit von seiner Seite aus. „Schulleiter Dumbledore weiß von meiner Position im Ministerium. Er hat mit mir darüber gesprochen. Er erlaubt es mir nur solange, wie die Sommerferien anhalten."

Riddles Gesicht verdunkelten sich ein wenig, ehe ein nachdenklicher Zug an seine Stelle trat. „Er ist eine Art Vormund für dich?"

Izar blinzelte einmal, ließ sich die Frage durch den Kopf gehen. „Ich schätze, in gewisser Weise ist er das. Er unterzeichnet mein Genehmigungsschreiben, damit ich nach Hogsmeade gehen kann und er kümmert sich um meine Angelegenheiten im Ministerium. Ansonsten sind wir emotional ungebunden." Izar langte nach seiner Teetasse, wickelte die Finger zögerlich um das heiße Porzellan. Er rang mit sich, wie er die nächste Frage stellen sollte und entschied sich für brutale Ehrlichkeit. „Darf ich Sie etwas fragen, Sir?"

Riddle versteckte sein Schmunzeln hinter der Tasse, während er sich einen Schluck genehmigte, seine Augen urteilend auf Izar gerichtet. „Du darfst.", murmelte er.

„Wenn ich das richtig verstanden habe, haben Sie gerade erst von meinem Status als Unsäglicher und meinem Alter erfahren. Das macht mich neugierig... Was ist es, dass Sie zu mir hinzieht? Warum denken Sie, dass ich einen guten Gefolgsmann abgeben würde? Ein Schlammblut?"

Sich vorbeugend, setzte Tom die Tasse ab und hob fragend seine Augenbrauen. „Und was lässt dich glauben, dass dein Blutstatus bedeutsam ist, Kind?"

Izar gab ein höfliches Schnauben von sich, die Lippen verformt zu etwas, das einem Lächeln nicht unähnlich war. „Vergeben Sie mir, Sir, aber Draco Malfoy ist nicht wirklich subtil. Ich nehme an, er und seine Familie gehören zur Dunklen Seite und als Konsequenz sind sie Reinblüter. Er und ein paar andere Slytherin schauen von oben auf mich herab. Ich kann nur annehmen, dass Sie ähnliche Ansichten vertreten. Sie mögen keine Muggel und verabscheuen alles, das von ihnen kommt. Ich, der von zwei Muggeln abstammt, gelte somit als unterlegen, zumindest in den Augen der reinblütigen Bevölkerung."

Nachdem er sich im Café umgesehen hatte, hob Izar den Kopf und setzte dazu an, das Gespräch fortzuführen. „Ich habe ebenso von Gellert Grindelwald gelesen. Er war ein Dunkler Lord, der, wie Sie es nun tun, für die Vorherrschaft der Reinblüter eintrat. Er hasste Muggel und konnte auch keine großartige Toleranz gegenüber Muggelgeborenen aufbringen." Er räusperte sich, unfähig den Gesichtsausdruck Tom Riddles zu deuten. „Also verzeihen Sie meine Faszination. Ich hätte gedacht, Sie würden mich übersehen."

Riddle gluckste wissend. „Du wurdest dein gesamtes Leben lang übersehen, Izar. Ich bin sicher, dass du dich, selbst jetzt, unbehaglich mit meiner Aufmerksamkeit fühlst. Ist es nicht so?" Der Mann wartete nicht auf Izars Antwort. „Nichtsdestotrotz waren es deine Augen und dein Gang, die mich, unter anderem, zu dir zogen."

„Mein Gang?", fragte Izar verwirrt.

Bevor er den Mann weiter befragen konnte, näherte sich ihnen einer der Kellner schwungvoll. „Guten Tag, Mr. Riddle und Gast. Was kann ich Ihnen heute servieren?" Der Tonfall war geprägt von Ehrfurcht. Es fühlte sich merkwürdig an, so respektvoll gehandhabt zu werden. Er zweifelte irgendwie daran, dass er nur so behandelt wurde, weil er einem „freundlichen" und berüchtigten Politiker gegenübersaß.

„Dürfte ich eine Vorspeise vorzuschlagen?", befragte Tom Izar leichtfertig. „Ich glaube eine Ahnung zu haben, was dir munden würde." Diese Augen... Izar wandte sich mit einem Nicken von Riddle ab und der sichereren Route zu – dem erwartungsvollen Kellner.

Izar würde seine verletzlichen Gefühle um Tom Riddle herum nicht leugnen. In dem Blick des Mannes lag etwas Spöttisches, lauernd und hungrig. Izar kannte es nicht, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von jemandem zu stehen. Niemand nahm ihn so wahr, wie Tom Riddle es tat.

Und es war beunruhigend, weil dies ihr drittes Treffen war; erst ihr drittes Treffen. Wie konnte jemand, den er zuvor noch nie getroffen hatte, seine Barrieren so hochfahren lassen?

Offensichtlich liegt es daran, dass er ein verdammter Dunkler Lord ist, ein Meister der Verführung und des Charms, Izar. Der Mann war mit derartigen Fähigkeiten geboren.

„Hühnerbrust mit Mozzarellakruste.", begann Tom selbstbewusst und Izar verbarg sein Grinsen hinter einer Hand. Er hasste Hühnchen. Um genau zu sein, mochte er keinerlei Fleisch. Es fühlte sich irgendwie gut an, dass der Dunkle Lord bei solch einer Trivialität, wie seine Vorliebe für Speisen zu erraten, kläglich scheiterte. „Für mich.", fuhr er fort, einen selbstgefälligen Zug um den Mund. „Und das vegetarische Lasagne-Gericht für meinen Gast."

Izars Hand fiel, als würde sie eine Tonne wiegen. Plötzlich grimmig und ernst, starrte Izar an den verzauberten, selbstgefälligen Augen vorbei. Unterbewusst bekam er mit, wie der Kellner einmal nicke, ehe er den abgeschiedenen Tisch verließ. Um ihren Tisch herum erklang das harmonische Klirren von Geschirr, während eine gleichmäßige Abfolge von Stimmen sich daruntermischte; die rhythmischen Klänge hallten wie Musik durch das Café. Die Männerstimmen brachten einen tieferen Tenor, während die Frauen für den Sopran sorgten.

Doch für Izar war all das hinfällig, während er den Mann gegenüber von sich stoisch anstarrte.

„Sie sind ein Legilimentiker.", meinte er finster, fühlte sich wie erstarrt. Er hasste Legilimentiker. Er hatte sich in der Kunst der Gedankenmagie nie hervorgetan und wurde leicht neidisch auf all die Zauberer, die in diesem Fachgebiet gewisse Brillanz aufwiesen. Sowohl Dumbledore, als auch Severus Snape waren Experten auf dem Gebiet, geschickte Okklumentiker und Legilimentiker; es blieb ihm ein Rätsel, wie sie es geschafft hatten, das zu meistern.

„Korrekt.", räumte Riddle ein, absolut nicht besorgt, dies zuzugeben. „Aber ich werde aufrichtig bekennen, dass ich nicht in deinen Geist eindringen würde, um deine Leibspeisen herauszufinden, im Gegensatz zu dem, was du vielleicht von mir halten magst. Lass mich versichern, dass ich nicht unbedingt sanft bin, wenn ich in den Verstand von anderen eindringe. Ich genieße ihren gleißenden Schmerz." Der Mann setzte ein reißerisches Lächeln auf, voll von Zähnen und Izar entspannte sich ob der sadistischen Aussage.

Dennoch lagen Misstrauen und ein gewisses Maß an Faszination in seinem Blick, während er Riddle beäugte. Wäre es unangebracht, wenn er den Mann bitten würde, ihm Legilimentik oder gar Okklumentik beizubringen? Wäre es, vor allem, wenn man bedachte, dass er sich geweigert hatte, Riddle Mal anzunehmen.

„Um auf unser ursprüngliches Gespräch zurückzukommen.", begann Riddle. „Dein Gang war es, der meine Aufmerksamkeit anfangs auf sich zog. Ich habe in all meinen Jahren noch nie jemanden gewesen, der derartig gegensätzliche Emotionen in seinen Gang projizieren kann. Selbstbewusstsein durchaus, doch gepaart mit Selbsthass? Eine ungewöhnliche Mischung und auffällig dazu. Es ist überaus faszinierend, es hautnah mitzubekommen. Ich gebe zu, dass es dir gutsteht, auch wenn ich mich über deine persönlichen Dämonen wundere."

Ein Rotschimmer breitete sich über Izars Ohren und seinen Hals aus. Er hatte nicht gewusst, dass irgendjemand Gefühle in seinen Gang legen konnte. Ja, er hatte von Selbstvertrauen in der Haltung gehört, doch nicht, dass man diese zwei Emotionen zur Schau stellen konnte – zumindest nicht die, mit denen Riddle um die Ecke kam. „Und die anderen Gründe?" Izar räusperte sich unbehaglich, die Finger damit beschäftigt, an den Gabeln zu tüfteln. „Sie sagten, es gäbe noch mehr, dass Sie zu mir hinzog."

„Ah ja, habe ich.", gestand Tom, fröhlich nickend.

Izar wartete darauf, dass der Mann in seiner Erklärung fortfahren würde, dieser jedoch blieb still und nippte an seinem Tee. Holzkohle-grüne Augen verengten sich. „Ich—"

„Ich werde dir nun ein Angebot unterbreiten, Izar, und hoffentlich bist du klug genug, es anzunehmen." Der verspielte, verführerische Tom Riddle verschwand und an seiner Statt trat der Dunkle Lord.

Seltsamerweise fühlte Izar sich in der Nähe des bedrohlichen Dunklen Lords wohler als in der Nähe des charmanten Tom Riddles. Er wusste, wie man sich in Anwesenheit des Dunklen Lords zu verhalten hatte. Allerdings nicht, wie er mit dem neckischen, verführerischen Politiker umgehen sollte.

Dennoch traf es ihn unvorbereitet, als der Dunkle Lord über den Tisch reichte und seine Finger um die Hand Izars schlang, um diese warnend zu drücken. „Während ich deinen Akt mir und meinem Mal auszuweichen durchaus amüsant fand, war er ebenso beleidigend. Weil ich dich faszinierend genug finde, möchte ich dir ein Angebot machen, dass ich zuvor noch keinem anderen zusprach." Izar hätte schwören können, dass Karmesinrot durch die verzauberten braunen Iriden durchschimmerte. „Ich werde heute erneut eine Initiation abhalten – und dir erlauben, dich dort einzufinden, um dir ein Bild von meiner Armee und meiner Führung machen zu können. Du wirst nicht verpflichtet sein, mein Mal heute Abend zu nehmen; stattdessen gebe ich dir die Gelegenheit zu beobachten."

Izar wusste, dass dort mehr dahintersteckte. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, wie ein unbeschriebenes Blatt, doch ließ er seine Aufmerksamkeit nicht eine Sekunde lang von der nahenden Bedrohung wanken.

Die Hand spannte sich um sein knochiges Handgelenk. „Danach wird dir allerdings keine Wahl bleiben. Entweder du akzeptierst das Dunkle Mal, noch bevor du dein nächstes Jahr in Hogwarts beginnst, oder ich deklariere dich als meinen Feind." Der Mann zerrte ihn ruckartig über den Tisch und beugte sich vor, näher an ihn heran. Sein Atem geisterte über seinen Hals, wärmte ihn, während er ihm die nachfolgenden Worte ins Ohr flüsterte. „Das ist der Nachteil, wenn man das Interesse einen Dunklen Lords weckt. Ich werde vor nichts Halt machen, bis mein Mal deine Haut zeichnet. Aber ich kann dir garantieren, dass du, sobald mein Zeichen eingebrannt ist, noch immer mein Interesse halten wirst. Du wirst nicht zu einer bloßen Nummer verkommen." Der Mann hielt inne und sein Atem stockte. „Ich werde dir nicht erlauben, dich weiterhin in den Schatten zu verstecken, die du so sehr liebst."

Riddle ließ von ihm ab und lehnte sich zurück in seinen Sitz.

Izars Augen waren auf Tom gerichtet und er bemerkte, dass er nicht wegschauen konnte. Im Inneren fühlte er ein Beben, das drohte ihn zu übermannen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass das passieren würde. Eine Woche. Er hatte sich eine Woche verschafft, ehe der Dunkle Lord ihm nachgekommen war. Es war sein Glück, dass der Mann mit einem weiteren Angebot zu ihm gefunden hatte, eines, dass kein Todesurteil beinhielt.

Aber er brauchte keine Bedenkzeit. Er wusste, was bei dem Treffen geschehen würde. Und selbst wenn das Treffen Gräuel barg, die ihn auf Ewig prägen würden, wusste er, dass er sich nicht würde abwenden können.

„Ich muss heute Abend nicht beobachten.", murmelte Izar leise. „Dennoch, danke für das liebreizende Angebot.", fügte er mit einem sarkastischen Hauch hinzu, den er auf das Minimum begrenzte. Izar war sich sicher, dass es für jeden anderen als großzügiges Angebot rüberkommen würde. Tom Riddle schien nicht zur barmherzigen Sorte Dunkler Lords zu gehören. „Ich würde lieber einfach gebrandmarkt werden."

Und er wusste, dass Tom dem nicht widersprechen würde. Die Freude des Mannes war unglaublich stark. So stark, dass Izar hautnah miterlebte, wie sie durch Riddles Magie vibrierte. Es gab eine Alternative, die verhindern würde, dass er das Mal nehmen musste. Izar konnte sich hinter Dumbledore verstecken, doch fand er es nicht in sich, das durchzuziehen. Er würde das Mal nehmen, weil er fasziniert war, vom Dunklen Lord und dem, was er ihm bot. Weil er die Muggel ausradieren – vollständig aus der Zaubererwelt verbannen wollte. In dieser Sache waren Riddle und er sich einig und Izar fürchtete sich nicht, ihn zu unterstützen.

„Gut." Tom lächelte ein lippenloses Lächeln und die Fingernägel klopften auf die Tischkante. „Nach dem Treffen habe ich noch ein Geschenk für dich. Ich brenne darauf, es dir zu überreichen."

„Ein Geschenk?", fragte Izar schwach. „Für was?"

Diesmal lachte Tom aufrichtig, so dass sich Lachfältchen um seine Augen bildeten. „Deinen Geburtstag, törichtes Kind, oder hast du ihn schon wieder verdrängt? Ich habe genau das richtige für dich."

Death of Today | ÜbersetzungWhere stories live. Discover now