Kapitel 9

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In der Großen Halle herrschte heftiger Andrang.

Daphne blickte auf ihre Mitschülerinnen und Mitschüler und ihr widerwärtiges Verhalten herab. Ehrlich mal, es gab Grenzen, Begeisterung zur Schau zu stellen und die waren eindeutig überschritten. Als sie ihren missbilligenden Blick endlich mitbekamen, wurden sie sichtlich ruhiger, selbst wenn sie sich noch immer feierlich anschauten.

Manchmal fragte sie sich wirklich, warum sie sich die Mühe machte, so zu tun, als ob. Ihr Vater – Merlin segne ihn – erwartete stets, dass sie in der Öffentlichkeit angemessene Umgangsformen hegte. Sie liebte ihren Vater, aber manchmal wurde sie es wirklich leid, die alte, ehrwürdige Linie der Greengrass' vertreten zu müssen. Da ihre Mutter und ihr Vater keinen männlichen Erben gezeugt hatten, wurde ihr die Rolle zugesprochen, den Familiennamen weiterzuführen.

Sie erblickte weiter hinten am Slytherin-Tisch ihre vierzehnjährige Schwester Astoria.

Daphne überkam ein Anfall von Eifersucht. Astoria war überaus hübsch mit platinblondem Haar und leuchtenden Augen aus Saphir. Abgesehen von ihrer offensichtlichen Schönheit, beneidete Daphne sie um die Fähigkeit, sich zu entspannen. Solange Astoria ihren Familiennamen nicht in den Dreck zog, konnte sie so sorglos sein, wie sie wollte. Es gab keinerlei reinbluts-typischer Erwartungen an sie.

Vor allem wurde sie nicht unter Druck gesetzt, einen respektablen Reinblüter-Partner ausfindig zu machen, den sie ehelichen konnte.

Trotz alledem, trotz ihrer Eifersucht, liebte Daphne Astoria abgöttisch und fühlte den Drang, ihre kleine Schwester zu beschützen. Sie war glücklich, dass ihre Schwester nicht innerhalb der festgefahrenen Erwartungen zu leben hatte.

Sie wandte sich von Astoria ab und schaute zum Ravenclaw-Tisch, weil sie wusste, dass der Junge, den sie suchte, nicht da sein würde. Obwohl das Schuljahr erst vor drei Tagen begonnen hatte, ließ Izar bereits sämtliche Mahlzeiten ausfallen, um sich stattdessen in der Bibliothek einzufinden. Das überraschte sie nicht im Geringsten, aber es beunruhigte sie. Sogar Daphne hatte die Last spüren können, die auf den Schultern des Ravenclaws ruhte. Er zeigte es nie offen, aber sie konnte sich sein antreibendes Bedürfnis nur zu gut vorstellen, sich den Ungläubigen zu beweisen, die meinten, er habe nicht genug Geschick, sei es nicht wert, ein Jahr zu überspringen.

Plötzlich wurden die Stimmen leiser und die Kerzen in der Großen Halle erloschen.

Alle Augen waren auf den Kelch gerichtet und die Menge hielt den Atem an, als die Flammen sich blendend weiß-blau färbten.

Daphne richtete sich auf, fasziniert.

Malfoy behauptete, er würde der Hogwarts-Champion werden. Tatsächlich ging er sogar so weit, vor den übrigen Slytherins damit zu prahlen, wie er ihrem Haus zu Ruhm und Ehre verhelfen würde. Daphne fand das alles andere als beeindruckend. Sie ahnte, dass Malfoy Sr. nicht erfreut sein würde, wenn er hörte, dass sein Erbe sich so ... pompös, so offensichtlich verhielt.

„Es ist Zeit." Dumbledore erhob sich vom Hohen Tisch und streckte seine Hand nach dem Kelch aus.

Daphne hielt den Atem an, als die Flammen ein lebhaftes Rot annahmen und ein Stück Pergament ausspuckten. Es schraubte sich spiralförmig in die Luft, alle Augen auf den rauchigen Fall gerichtet. Dumbledore schnappte es mitten im Flug und blickte auf den Namen des ersten Champions herab. Wahrscheinlich gefiel ihm die Art und Weise, wie sich alle Schüler und Politiker gleichermaßen erwartungsvoll vorbeugten.

Daphne hätte schwören können, dass sie die Lippen des Schulleiters zucken sah.

„Der Champion des Durmstrang-Instituts ist..." Eine bedeutungsschwangere Pause. „Lukas Steinar!"

Daphne sah zu, wie ein großgewachsener, dünner Junge aus der Gruppe jubelnder Durmstang-Schüler emporstieg. Er war attraktiv. Seidiges schwarzes Haar fiel ihm in die glänzenden Augen, als er sich dem Schulleiter näherte. Er war definitiv nicht so schön, wie Izar, aber gewisse Konkurrenz bestand. Und um die Sache noch attraktiver zu gestalten, war er der Sohn des norwegischen Ministers. Und ein Reinblut.

Steinar nahm das Pergament und die Glückwünsche seitens Dumbledore entgegen, bevor er durch eine der Seitenkammern verschwand.

Der Kelch spuckte plötzlich das nächste wirbelnde Pergamentstück aus.

„Der Champion der Beauxbatons Akademie ist..." Die Pause zog sich noch länger als die davor, was zu angespanntem Geflüster führte. „Cyprien Beaumont!"

Überraschenderweise war es ein männlicher Beauxbatons-Schüler. Daphne lehnte sich zurück, teilweise erfreut, wie auch irritiert. Ihre Freude rührte daher, dass sie keine der Beauxbatons-Schülerinnen auch nur im Entferntesten wichtig genug fand, um ihr öffentliche Bekennung zuzugestehen, doch Daphne hatte dennoch gehofft, dass eine Frau für mindestens eine der Schulen ausgewählt würde.

Es gab immer noch den Hogwarts-Champion.

Wenn Malfoy sich den Platz nicht angelte.

Sie beobachtete den rothaarigen Beauxbatons-Champion, wie er sich der Seitenkammer näherte. Während sie ihn studierte, bemerkte sie, dass sich ihre bisherige Wahrnehmung bezüglich Rothaarigen veränderte. Wenn sie an Rothaarige dachte, beschwor ihr Geist normalerweise sofort das Bild gemütlicher Weasleys herauf. Geschmacklos. Aber Cyprien...

Bevor Daphne ihre Musterung abschließen konnte, färbten sich die Flammen erneut rot und das letzte Stück Pergament schoss heraus. Dumbledore schnappte es sich schnell, die eigenen Handlungen fast schon ein Spiegelbild der Aufregung der Schülerinnen und Schüler. Der Schulleiter hielt das Stück Pergament zwischen seinen Finger und starrte es eine ganze Weile an.

Alle beugten sich vor.

Draco – der fast in seinem Abendessen landete, so, wie er sich vorlehnte – ähnelte einem der feschen, stolzen Albino-Pfauen, die seine Familie um ihr Grundstück herum hielt. Daphne besah sich ihre Nägel trotz der mangelnden Beleuchtung.

„Der Hogwarts-Champion ist... Izar Harrison?"

Ihre Augen weiteten sich, während ihr Kiefer Bekanntschaft mit dem Tisch schließen wollte, bevor sie sich daran erinnerte, dass eine Greengrass nicht gaffte. Hatte der Schulleiter wirklich gerade – Aber das konnte nicht stimmen! Die Schüler und Mitarbeiter lehnten sich weiter nach vorne, ihre Gesichter verständnislos verzerrt. Sie hatten es auch nicht gehört. Der Schulleiter hatte es lediglich gemurmelt.

„Izar Harrison.", rief der Schulleiter laut, so dass der Saal automatisch vor der gellenden Lautstärke zurückwich.

Dumbledore wandte sich zum Ravenclaw-Tisch und die Köpfe drehten sich in dieselbe Richtung, unwissend, wo sie sonst hinblicken sollten. Er gab nicht viele Leute, die wussten, wer Izar Harrison war. Und aus demselben Grund gab nur wenige, die wussten, dass er minderjährig war.

Daphne bedeckte ihren Mund mit einer Hand, versucht, dass zufriedene Lächeln zu verdecken. Oh, das war nun wirklich einfach zu gut. Was es noch besser machte, war Malfoys verblüffter Blick. Daphne wünschte sich den nervigen Gryffindor mit seiner Kamera herbei. Oder besser noch, Rita Skeeter. Bedauerlicherweise wartete sie mit den anderen beiden Champions in der Trophäenkammer.

Der Ravenclaw-Tisch war in Aufruhr, während sie sich nach ihrem Champion umsahen.

Daphne rollte mit den Augen. Izar musste anfangen, Menschen von seiner Abwesenheit zu berichten. Sie schniefte verächtlich und erhob sich vom Slytherin-Tisch. Ihre Miene war kühl, als das Augenmerk sich auf sie richtete. Als sie schließlich die Aufmerksamkeit von Dumbledore auf sich spürte, hob sie stolz das Kinn.

„Izar ist in der Bibliothek, Herr Direktor."

Gelächter und Gespräche entbrannten in der Halle. Welcher Champion – der seinen Namen in den Kelch warf – würde sich in der Bibliothek befinden, während die Sieger verkündet wurden? Es war empörend. Sie hatten nicht die leiseste Ahnung, dass Izar seinen Namen nicht in den Kelch geworfen hatte. Selbst Daphne war nicht naiv genug, das zu glauben.

Aber dann stellte sich die Frage, wer es getan hatte.

Wer war grausam genug, den Namen eines anderen hineinzuwerfen? Vor allem von jemanden, der absolut nichts mit dem Turnier zu tun haben wollte?

Dumbledore nickte knapp und sein Ausdruck verzerrte sich verständnisvoll. Es war, als würde er sich selbst züchtigen, die Antwort nicht schneller gefunden zu haben. „Würden Sie ihn abholen, Ms. Greengrass? Und mitteilen, dass er sich in der Trophäenkammer einzufinden hat?"

Sie nickte, weiterhin mit der kühlen Maske im Gesicht, während sie aus der Großen Halle fegte.

Das würde Izar überhaupt nicht gefallen.

Und Daphne freute sich darauf.

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Izar schob das Pergament beiseite, erleichtert, den Zauberkunst-Aufsatz im Voraus beendet zu haben.

Er war einfach genug und Izar war ein wenig enttäuscht, keine Herausforderung erhalten zu haben. Hoffentlich würde sich Verteidigung gegen die Dunklen Künste als ... schwieriger entpuppen. Selbst wenn das Material ihn nicht herausfordern sollte, hoffte er doch, dass der Professor es schaffte. Morgen würde sein erster Kurs mit Sirius Black stattfinden und Izar wusste, dass er hartnäckig bleiben musste, um Gleichgültigkeit gegenüber dem Professor zu wahren.

Doch nun, da er mit seinen Schulaufgaben fertig war, hatte er Zeit, sich dem Dunklen Mal zu widmen.

Er hatte bereits des Eruditio – das Geschenk, das Riddle ihm gemacht hatte – durchforstet, um zu sehen, ob es Zaubersprüche zur Identifikation des Zauberstabkerns gab. Die Informationen dazu waren begrenzt. Es gab vereinzelte Tränke, die die Eigenschaften eines Zauberstabs bestimmen konnten, aber das Brauen dauerte Monate. Es war nicht nur zeitaufwändig, der Brauer musste auch im Besitz besagten Zauberstabes sein.

Warum hatte jemand die Notwendigkeit gesehen, einen so nutzlosen Zaubertrank herzustellen? Wenn er den Zauberstab besitzen würde, könnte er die Elemente mit einem einfachen Zauberspruch identifizieren. Izar war sich mehr als sicher, dass Voldemort seinen Zauberstab nicht verleihen würde.

Es war erbärmlich.

Und die wenigen Zaubersprüche, die sich innerhalb befanden, besaßen dieselben Richtlinien. Er musste den Zauberstab halten, um herauszufinden, aus was er bestand.

Izar war auf die Idee gekommen, Ollivander, den renommiertesten Zauberstabhersteller, zu befragen.

Doch selbst wenn Ollivander zustimme, Izars Neugierde zu stillen, gab es immer noch Probleme, die er bedenken musste.

Kein Zauberstab glich dem anderen – auch dann nicht, wenn er das passenden Kernmaterial hatte. Das führte zur Erkenntnis, dass Izar – selbst, wenn er die Information zu Voldemorts Zauberstabkern erhielt – das Dunkle Mal nicht einfach so würde manipulieren können, außer die Kerne waren tatsächlich identisch. Er würde die Holzart ebenso bestimmen müssen. Anhand der helleren Farbe, die er gesehen hatte, als Voldemort ihn heilte, würde er auf Eibe, Ahorn oder sogar Balsaholz tippen.

Es war frustrierend.

Izar klopfte mit seinem eigenen Zauberstab auf den Tisch, betrachtete den elf Zoll langen Stab aus indischem Palisander, versehen mit einem Thestralhaar-Kern. Es wäre ziemlich ironisch, wenn Voldemort dieselben Komponente besitzen würde, aber Izar zweifelte daran.

Und dann blieb die Frage bestehen, ob Izar dasselbe Geschöpf ausfindig machen musste, dass die Feder, das Haar oder die Herzfader gespendet hatte. Es würde ihm seine Manipulationsversuche sicherlich erleichtern, aber ... sich auf die Suche nach dem genauen Tier zu machen, stellte Itar sich als schier unmöglich vor. Er musste Ollivander fragen, nur glaubte er nicht, dass der Mann ihm private Informationen zu den Zauberstäben anderer Zauberer zugestand.

„Izar!"

Er zuckte.

Die Zeremonie konnte noch nicht geendet haben, oder? Er hatte sich auf seine extra Zeit in der Bibliothek gefreut – allein. „Ja, Daphne?", antwortete er gleichmütig, als er zu der Blonden aufblickte, das verruchte Grinsen sofort bemerkend. Izar war nicht in der Stimmung, sich den Klatsch und Tratsch über die Champions zu gönnen. „Wenn du gekommen bist, um..."

„Schulleiter Dumbledore möchte, dass du dich in der Trophäenkammer einfindest. Und zwar sofort." Sie packte Izar am Arm und zerrte ihn problemlos vom Stuhl.

Er blinzelte. Für so ein kleines Ding war sie erstaunlich stark.

„Ich brauche meine Sachen." Er schlug ihre sturen Hände von sich, um seine Schulsachen einzupacken. „Was könnte Schulleiter Dumbledore von mir wollen?" Er warf einen Blick auf das selbstgefällige Mädchen. „Sollte er sich nicht mit den Champions treffen, um die erste Aufgabe zu besprechen? Was wird meine Anwesenheit benötigt?"

„Musst du so viele Fragen stellen, Izar?" Sie hakte ihre Finger in seinen Ärmel und zog ihn aus der Bibliothek, sobald er seine Tasche geschultert hatte. „Nicht alles im Leben muss so..." Ihr Gesicht verzog sich niedlich. „...so provisorisch analysiert werden."

Izars Augen verengten sich amüsiert. „Meine Güte, Daphne. ‚Provisorisch' ist ein großes Wort für dich. Weißt du denn, was es bedeutet? Ich hätte ‚gründlich' vorgeschlagen, aber kann dir zumindest zugutehalten, dass du versucht hast, mich mit deinem außergewöhnlichen, wenn auch unausgereiften Wortschatz zu beeindrucken."

Sie warf ihm einen bösen Blick zu, ehe sie von seinem Ärmel abließ. „Du bist Hogwarts' Champion."

„Wie war das?", gluckste Izar.

Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust und starrte ihn ruhig an. „Ich scherze nicht, Izar. Dein Name wurde aufgerufen. Dumbledore will dich in der Trophäenkammer sehen – mit den anderen Champions."

Jegliche Belustigung erstarb. Als er ihre Ernsthaftigkeit bemerkte, drehte Izar sich auf dem Absatz um und machte sich auf den Weg zum Trophäenraum.

„Viel Glück!", rief Daphne ihm nach.

Das konnte nicht sein.

Er hatte seinen Namen nicht in den Kelch geworfen. Die Alterslinie verhinderte das schon. Und nicht nur das; er war auch nicht im Entferntesten an dem Turnier interessiert. Der bloße Gedanke an einen Wettkampf ließ seinen Puls unangenehm hochschnellen.

Er fuhr sich angespannt durchs Haar, brach die sonstige geschickte Ordnung.

Izar öffnete die Tür zur Trophäenkammer und schluckte schwer, bevor er die Treppe hinunterstieg. Er konnte die Diskussion bereits hören. Sie stritten sich wegen ihm. Izar hielt inne, unsicher, ob er sich wirklich hinunter wagen sollte. Sie dachten tatsächlich, er hätte seinen Namen freiwillig hineingetan? Wie lächerlich war das denn? Es war das Letzte, was er jemals wollte und hoffentlich kannte Dumbledore einen Weg, um ihn auf dem Schlamassel zu holen.

Was machte er sich vor. Izar wusste, dass der Vertrag mit dem Kelch verbindlich war. Sobald der Kelch seine Champions wählte, war es unmöglich, auszutreten.

Professor McGonagalls Stimme reichte an seine Position heran. „Wenn jemand erfolgreich die von dir gezogene Alterslinie überwinden kann, dann Mr. Harrison, Albus. Der Junge ist bemerkenswert begabt."

„Sicherlich ist dieser Vorfall es wert, untersucht zu werden." Die Stimme besaß einen schweren, norwegischen Akzent. „Jemand muss sich am Kelch zu schaffen gemacht haben. Wir sollten den Jungen nicht konkurrieren lassen." Der Mann – Izar glaubte, dass es sich bei ihm um den norwegischen Minister handelte – ließ es so klingen, als würde er jemanden beschuldigen, Izar sabotiert zu haben.

Wenigstens einer war auf seiner Seite.

„Oder...", unterbrach eine Französin – sicherlich Madam Maxime, die Schulleiterin von Beauxbatons – „wie Minerva vorhin angemerkt hat, hätte der Junge selbst eine solche Leistung vollbringen können. Offensichtlich ist er klug genug. Es gibt keinen Grund für Verdächtigungen oder Spekulationen, Minister Steinar. Sicherlich möchte der Junge nur den Ruhm, die Ehre und Glorie..."

„Der Junge kommt mir nicht wie jemand vor, der nach Aufmerksamkeit giert.", ging Snapes grimmiger, tiefer Bariton dazwischen.

„Warum war er dann nicht beim Abendessen?", fragte Maxime. „Sicherlich, weil der Junge sich schämte und den Konsequenzen seines Handelns aus dem Weg gehen möchte."

„Oder...", sprach Izar gedehnt, während er die letzte Treppenstufe nahm und in die beleuchtete Kammer trat. „Der Junge könnte in der Bibliothek an seinem Zauberkunst-Aufsatz gesessen haben." Er zuckte die Achseln. „Aber ich nehme an, Ihre Theorie klingt so viel... skandalöser, fesselnder wirklich."

Die ganze Gruppe hatte sich versammelt. Die Schulleiter und die Schulleiterin, die Minister der einzelnen Länder und vereinzelte Professoren und Politiker. So auch der Untersekretär des britischen Ministers. Tom Riddle. Der Dunkle Lord stand inmitten der Gruppe, wirkte seltsam gelassen und erschreckend unauffällig. Aber Izar wusste, dass er alles andere als gewöhnlich war. Jedes Mal, wenn der Mann sich bewegte, richtete die Aufmerksamkeit sich auf ihn.

„Izar." Dumbledore flog vorwärts, die Stirn vor Sorge gerunzelt. Er hielt eine Hand hoch und hinderte die blonde Frau und ihren Kameramann daran, sich zu nähern. „Noch nicht, Rita.", befahl Dumbledore scharfzüngig.

Rita Skeeter. Izar musste sich davon abhalten, das Gesicht zu verziehen.

Dumbledore öffnete den Mund, höchstwahrscheinlich um Izar zu befragen, ob er seinen Namen in den Kelch gelegt hatte.

„Das ist der Junge?", forderte Maxime, während sie übertrieben auf ihn herabsah. „Er sieht kein Jahr älter als dreizehn aus."

Izar zuckte und diesmal war er derjenige, der ihr einen höhnischen Blick zuwarf. „Wenn wir Alter allein nach Größe beurteilen, müssten Sie auf Ihre–" Eine Hand griff nach seiner Schulter und schnitt ihm das Wort ab, ehe er es schaffte, eine der höchstangesehensten französischen Persönlichkeiten zu beleidigen. Izar weigerte sich, vor Scham den Blick abzuwenden, warf Snape jedoch einen dankbaren Blick zu, dass er ihn zum Schweigen gebracht hatte.

„Ein Slytherin!", rief Rita aufgeregt, während sie zwischen Izar und Snape hin und herblickte. Denn welcher Schüler könnte sich in der Gegenwart Snapes wohlfühlen, wenn nicht ein Mitglied des Hauses der Schlangen? „Es hat seit über dreißig Jahren kein Slytherin-Champion mehr gegeben!"

„Ja.", entgegnete er gedehnt. „Denn der Adler auf meiner Schulrobe gleicht einer Schlange außerordentlich gut."

Rita räusperte sich und bemerkte schließlich seine Ravenclaw-Gewänder. Sie schniefte und blickte weg, als hätte sie Izars Bemerkung nicht gehört.

Eine Hand lente ihn sowohl von Snape als auch von Rita weg. Izar blickte in das besorgte Gesicht von Albus Dumbledore. Der alte Schulleiter hatte sich sichtlich nach vorne gebeut, um die Augen Izars gemütlich treffen zu können. „Hast du deinen Namen in den Kelch geworfen, Izar?"

„Nein, Direktor. Ich würde meinen Namen niemals freiwillig in den Kelch werfen. Schon der Gedanke an das Turnier reicht, um mir den Magen zu verdrehen." Schnauben waren von den Anwesenden zu hören, doch Izar schenkte ihnen keine Beachtung. Seine Augen waren auf Dumbledore gerichtet, der ihn wahrhaft neugierig betrachtete.

Der Schulleiter lächelte sanft und richtete sich auf. „Hast du einen Verdacht, wer deinen Namen in den Kelch getan haben könnte?"

„Vielleicht einer der älteren Ravenclaws.", murmelte Izar, bevor ihm bewusst wurde, dass es nicht sonderlich schlau war, das zu äußern. Aber wenn jemand gegen seinen Willen seinen Namen in den Kelch geworfen hätte, dann wohl die älteren Ravenclaws. War es nicht erst wenige Tage her, dass sie ihn konfrontierten, und meinten, er sollte seinem Haus die Anerkennung bringen, die es verdiente? Oder vielleicht galt das Turnier dem Versuch, auf seine Unzulänglichkeiten aufmerksam zu machen, um ihn wieder herabzustufen?

Dumbledore hob die Augen und schien ehrlich überrascht. „Warum sollte dein eigenes Haus dich in Gefahr bringen wollen?" Während Izar daraufhin wegschaute, blieb Dumbledore hartnäckig. „Izar.", ermutigte der Mann ihn sanft.

„Wir hatten ein paar Meinungsverschiedenheiten, das ist alles.", spielte er es herunter.

„Ich würde sagen, wir lassen den Jungen antreten."

Izar drehte sich um und seine Aufmerksamkeit lenkte sich sofort auf den hochgewachsenen Brünetten. Der Durmstrang-Champion wirkte viel zu hochmütig, während er Izar mit einem sardonischen Zucken seiner Mundwinkel studierte. Würde der Schüler das arrogante Grinsen aus seinem Gesicht wischen, würde er ziemlich gut aussehen, stellte Izar fest. Abgesehen von den Haaren. Die Frisur mochte für Neid in jeder Frau sorgen – seidig und glatt, wie das Haar war – doch verdeckte sie eines seiner blauen Augen. Offensichtlich hielt der Junge es für modisch, doch Izar war nicht überzeugt.

Direkt hinter dem Durmstrang-Champion stand der Beauxbatons-Champion. Der Rothaarige wirkte um einiges freundlicher und schenkte Izar sogar ein Lächeln.

„Davon einmal abgesehen...", fuhr der Durmstrang-Schüler mit spottendem Unterton fort. „bezweifle ich ehrlich, dass er – wenn es darauf ankommt – die Trophäe erreichen könnte."

Izar sträubte sich, die Augen zu Schlitzen verengt. Warum griffen alle seine Größe an? „Kommt das von dem Jungen, der die Trophäe wegen dem Vorhang, der unnütz vor seinem Gesicht baumelt, nicht einmal sehen könnte?"

Die Augen des Durmstrang-Schülers weiteten sich, ehe sie sich nachdenklich verengten.

„Ich fürchte, ganz gleich, welche Konsequenzen aufkommen, Mr.–", begann Riddle und deutete auf Izar, als hätte er seinen Namen vergessen.

Der Mann war absolut brillant in seiner Rolle als Politiker.

„Izar Harrison.", fügte McGonagall bei und warf Riddle über ihre Brille hinweg einen strengen Blick zu.

„Mr. Harrison wird, unabhängig von seinem Alter, konkurrieren müssen. Sobald der Name eines Schülers aus dem Kelch gezogen wird, ist dieser rechtlich verpflichtet, bis zur letzten Aufgabe am Turnier teilzunehmen." Riddle schenkte Izar ein angestrengtes Lächeln – als ob er politisch verpflichtet wäre, ihn, wider seiner eigenen Meinung, mit Respekt zu behandeln. „Es ist äußerst schade, dass dies geschehen musste. Wenn wir Beweise finden, die darauf hindeuten, dass Sie Ihren Namen in den Kelch gelegt haben, werden Sie mit ernsthaften Konsequenzen rechnen müssen. Es gibt viele Menschen, die darauf vertrauen, dass Großbritannien in diesem Jahr erfolgreich sein wird."

Seine Worte wirkten so real, so versiert, dass es Izar schwerfiel, dem Mann nicht zu glauben.

Aber wie dachte der Dunkle Lord wirklich über seine Teilnahme am Turnier? War der Mann tatsächlich enttäuscht, dass sein Name gezogen wurde? Es war schwer zu sagen und Izar wusste, dass er die wahren Gefühle des Mannes noch eine ganze Weile nicht identifizieren konnte.

Neben dem schweigsamen Karkaroff erschien der norwegische Minister genauso verwirrt wie Izar, wenn nicht sogar ein wenig misstrauisch.

„Aber, aber, Mr. Riddle." Dumbledore stellte sich vor Izar und schnitt den intensiven Blickkontakt ab. „Mr. Harrison ist genauso schuldig, wie der Rest von uns. Wir haben keine Gewissheit darüber, wer seinen Namen in den Kelch getan hat. Ich kann nur hoffen, dass Sie Izar von nun an unterstützen werden, statt ihn zu kränken."

Wenn Dumbledore von Tom Riddles wahrer Identität wusste, oder ihn zumindest verdächtigte, würde der alte Schulleiter von seiner Abneigung gegenüber Muggelgeborenen wissen. Dumbledore würde annehmen, dass Riddles Missfallen ihm gegenüber von seinem unreinen Blut herrührte. Dass Izar zu den Anhängern des Dunklen Lords zählte, käme Dumbledore dagegen wahrscheinlich nicht in den Sinn.

„Versammelt euch!" Rita übernahm die Kontrolle über die Situation, indem sie die Champions in die Nähe der Feuerstelle zog. „Wir werden ein Foto für die morgige Ausgabe brauchen. Natürlich werden bei der Eichungszeremonie noch mehr Fotos gemacht, aber bis dahin müssen wir die Leser necken! Alles, für die zukünftigen Abonnements, natürlich!" Sie schien hocherfreut, während sie über die perfekten Posen für alle drei Champions debattierte.

Die Eichungszeremonie... Izar dachte darüber nach und ignorierte dabei wissentlich den Blick des Durmstrang-Champions.

„Harrison könnte auf dem Stuhl dort drüben stehen.", verkündete der norwegische Junge. „Zumindest würde er dann an uns heranreichen."

Izar warf besagtem Stuhl einne Blick zu, ehe er den Raum durchquerte. Er ignorierte die überraschten Blicke der anderen Anwesenden und ließ sich darauf nieder. Der Stuhl ähnelte einem Thron und Izar lehnte sich selbstsicher gegen die Lehne. Mit einem arroganten Schwung kreuzte er die Beine übereinander, die Hände auf den jeweiligen Armlehnen.

Er warf dem beleidigten Durmstrang-Jungen einen selbstgefälligen Blick zu. „Oder vielleicht könnt ihr beide euch um mich herum positionieren."

Ursprüngliches hatte er dem Turnier nichts als blankes Entsetzen entgegenzubringen, aber nachdem er feststellte, welche Freude es ihm einbringen könnte, den Stolz des Durmstrang-Champions zu brechen, sah die Sache plötzlich anders aus. Nur weil er Hogwarts' Champion war, musste das nicht gleich bedeuten, dass er die ganze Zeit im Rampenlicht stehen musste, oder?

Doch dann fielen ihm die Projekte ein, die er noch vor Ende des Jahres abschließen wollte und seine Stimmung verschlechterte sich etwas. Vielleicht wäre die Degradierung des Jungen nicht so viel Spaß machen, wie angenommen. Nicht, wenn er schon so viel auf seiner Palette hatte.

Dieses Jahr würde absolut chaotisch werden.

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Spitz zulaufende Finger rollten den Propheten aus, während seine freie Hand nach der Tasse Tee griff.

Graue Augen blickten flüchtig auf die Titelseite. Er schnaubte, als er die Schlagzeile las. Es sah so aus, als ob das Trimagische Turnier dieses Jahr in Hogwarts abgehalten wurde. Er betrachtete das Foto der drei Champions, uninteressiert, doch mit einem gewissen Hauch von Neugierde. Es war immer amüsant zu sehen, ob er bekannte Zauberernamen wiedererkennte, Namen, die er aus seiner eigenen Schulzeit kannte.

Es schien eine Ewigkeit her zu sein und doch waren erst sechzehn Jahre vergangen.

Sein Blick konzentrierte sich sofort auf den Jungen in der Mitte. Sein Herz klopfte einmal, bevor es sich rasch beschleunigte. Seine linke Hand kollidierte wackelig mit der Teetasse, ließ die zerbrechliche Porzellantasse zu Boden fliegen. Sie zerbrach und verteilte die heiße Flüssigkeit überallhin.

„Kreacher!", schrie er, die heisere Stimme ein Indikator, dass er nicht oft sprach. Seine Füße brannten von dem verschütteten Tee, aber es bemerkte es kaum, während er den Propheten näher an sein Gesicht heranbrachte. Er zitterte. Heftige Trauer übermannte ihn. „Verdammt nochmal, Lily!"

Er warf den Propheten zu Boden, holte in seinem Wutanfall aus und stieß das gesamte Porzellangeschirr vom Tisch. „Master Regulus, Sir!", heulte Kreacher.

Regulus wimmerte und ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen. Er bedeckte sein verletzliches Gesicht mit seinen Händen. Ganz gleich, was er vorher über Lily gedacht hatte, ganz gleich, wie sehr Regulus unter dem Verrat von vor fast fünfzehn Jahren gelitten hatte, all das verblasste im Angesicht dieses Verrats. Ein Kind war beteiligt. Sein Kind.

„Wir brechen nach Großbritannien auf, Kreacher."

Sobald Regulus sich gesammelt hatte, starrte er erneut auf den Propheten herab. Seine Augen sogen das Antlitz des Jungen wie besessen in sich auf. Sein Name lautete – ironischerweise – Izar. Izar war der Stern im Sternbild des Bärenhüters, lag praktischer Weise im gleichen Sternbild, wie der Stern Arcturus. Es gab drei Generationen von Arcturus' in der Familie Black. Und nicht nur das. Regulus' Zweitname war Arcturus.

Der Nachname war es jedoch, der ihn wirklich irritierte. Harrison. Izar Harrison. Regulus zerwühlte sein Haar, die Zähne aufeinandergepresst. ‚Ein Waisenkind, Muggelgeboren', hieß es in der Zeitung. Worauf in Merlins Namen spielte Lily da an?

„Großbritannien, Master Regulus?" Kreachers Ohren bogen sich nach vorn. „Aber der Dunkle Lord, Masters–"

„Das spielt keine Rolle.", fuhr Regulus schnippisch dazwischen. „Pack meine Sachen. Wir reisen so bald wie möglich ab."

Death of Today | ÜbersetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt