Kapitel 10

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Izar senkte seinen Kopf in sein Lehrbuch herab, um die neugierigen Augen zu umgehen. Es war schwierig, sich damit abzufinden, dass er auf einmal ... bemerkt wurde. Das einzige Mal, dass Izar jemals bemerkt worden war, war in seinen jüngeren Jahren im Muggel-Waisenhaus. Und die Aufmerksamkeit, die er damals erhielt, war alles andere als positiv gewesen. Es war gehänselt und schikaniert worden, weil Louis ihn als sein persönliches Spielzeug ins Visier genommen hatte. Der Muggel hatte Izars Leben zur Hölle gemacht. Und die anderen Kinder schienen genug Mut zu fassen, um in Louis' Fußstapfen zu treten, aus dem einfachen Grund, dass Izar immer schon zu klein für sein Alter gewesen war.

Die Aufmerksamkeit, die er nun erhielt, war jedoch von der anderen Art.

Die Schüler hatten noch nie von ihm gehört. Sie waren neugierig. Umso mehr, als sich die Nachricht verbreitete, dass er minderjährig war und unter normalen Umständen nicht an den Wettkämpfen hätte teilnehmen dürfen. Die Gerüchte waren ungeheuerlich, ebenso wie der nicht enden wollende Klatsch und Tratsch.

Izar musste sogar das Frühstück auslassen, weil er mit dem Klatsch nichts mehr zu tun haben wollte. Sein Magen protestierte gegen die Leere und ihm wurde klar, dass er seit Mittag nichts mehr gegessen hatte. Izar wusste nicht, wann er seine nächste Mahlzeit zu sich nehmen konnte. Der Gedanke, in die überfüllte Große Halle zu gehen, verursachte in seinem Magen Krämpfe der Angst.

Nachdem er die Gruppe gestern im Trophäenraum getroffen hatte, hatte er sich auf den Weg zum Ravenclaw-Gemeinschaftsraum gemacht. Bei seiner Ankunft warteten unzählige Ravenclaws auf ihn, begierig darauf, zu erfahren, wie er die Alterslinie überschritten hatte. Ohne ein Wort zu sagen, war Izar an ihnen vorbeigerauscht und hatte sich in seinem Bett eingeschlossen, die Vorhänge für den Rest der Nacht fest zugezogen.

Er hatte keine Ahnung, wer seinen Namen in den Kelch getan hatte. Und er wusste auch, dass es unmöglich war, nachzuvollziehen, wer es war. Er hatte zur Zeit genug um die Ohren und keine Zeit, herauszufinden, wer es auf ihn abgesehen hatte.

Wer hätte gedacht, dass er vom Niemand-sein innerhalb kürzester Zeit zum beliebtesten Objekt der Schule werden würde?

Izar befand sich gerade im Klassenraum für Verteidigung und wartete darauf, dass Professor Black eintrat. Die anderen sprachen ausgelassen vom Turnier und warfen immer wieder Blicke in seine Richtung, als erwarteten sie, dass er aufspringen und sich zu ihnen gesellen würde. Unwahrscheinlich. Wenn überhaupt, würde er lieber sein Buch nach ihnen werfen, als sich weitere, wilde Vermutungen anhören zu müssen.

Izar schnaubte und vergrub seine Nase wieder im Lehrbuch, als Sirius Black in den Raum glitt. Der Mann hatte seine Schultern zurückgezogen und seine Brust war stolz gehoben. Es sah aus, als hätte der Mann einen Zauber auf seinen Oberkörper gelegt, der seine Brust anschwellen ließ, bevor er in den Unterricht kam.

„Guten Morgen, Klasse.", begann Sirius düsteren Tons.

Izar stellte sein Buch so auf, dass er Sirius bequem beobachten konnte, wobei es so wirken würde, als wäre er ins Lesen vertieft und erlaubte seinen Augen, die Länge von Sirius' Körper entlang zu tasten. Da er in der Klasse näher dran war, als in der Großen Halle, bemerkte Izar die schelmischen Linien um seinen Mund. Noch beunruhigender war jedoch, dass sie mit der Zeit abgestumpft waren. Fast so, als wäre Sirius einst ein Mann voller Humor und Charisma gewesen, ehe jemand – oder etwas – ihn und seine Wege umkrempelte.

Der ältere Mann schien Schatten zu beziehen, ähnliche Zeichen der Zeit, wie Lily Potter sie trug.

Izar schüttelte sich selbst, nicht bereit, an seine Mutter zu denken. Andererseits war dies sein Onkel, der keine drei Meter von ihm entfernt stand; ein Onkel, der nicht einmal von seinem einzigen Neffen wusste.

Sirius bewegte sich hinter seinen Schreibtisch und blickte auf eine Pergamentrolle hinunter. „Ich rufe nun Ihre Namen auf, bitte teilen Sie es mir mit, wenn Sie anwesend sind." Er tauchte seinen schwarzen Federkiel in das Tintenfass, bevor er begann, die Namen aufzurufen.

Interessanterweise schien Sirius Black eine ... alternative Persönlichkeit zu haben. Der Mann sprang vor Aufregung beinahe von seinem Stuhl, wann immer er einen Nachnamen eines Schülers erkannte. Dann begann er, besagten Schüler über seine Eltern und Verwandten auszufragen. Izar beobachtete, wie Anna Beth Tully, eine Hufflepuff aus dem sechsten Jahrgang, errötete, während sie auf Sirius eifrige Fragen antwortete. Offenbar war Sirius – wie er selbst nach einiger Zeit der Befragung behauptete – mit ihrer Mutter und ihrem Vater zur Schule gegangen.

Izar hob eine Augenbraue und betrachtete Sirus genau. Die Persönlichkeit des Mannes war schwer zu beurteilen. In seinem Inneren befand sich zweifellos eine kindische Seite, aber es gab auch eine prominente dunkle, grüblerische Seite, eines Erwachsenen, der zu viel miterlebt hatte und wusste, was Schmerz war. Und da war da noch die sanfte, fürsorgliche Seite und die schelmische, die in Wirklichkeit die grausame Ader verbergen sollte.

Es war natürlich nur seine Wahrnehmung. Er beurteilte Charakterzüge normalerweise richtig, aber dieses Mal, im Falle von Sirius' Persönlichkeit, wusste er nicht genau, ob er richtig lag.

Natürlich könnte die Ausrede in der Linie der Blacks liegen. Die Blacks kreuzten sich recht häufig untereinander. Der Inzest könnte Sirius Black mehr beeinträchtigen, als der Mann sich anmerken ließ.

„Izar Harrison." Sirius Stimme war schwach, anders als vorher.

Kohlegrüne Augen fokussierten sich intensiv auf das verzerrte Gesicht des Mannes. Sirius blickte nicht vom Pergament auf, wie er es bei jedem anderen Schüler getan hatte. Stattdessen bemerkte Izar, wie sich seine Finger in die Seiten des Schreibtischs krallten, während der Kiefer störrisch krampfte. Oh, der Mann wollte, nein, musste Izar ansehen. Der Ravenclaw konnte sehen, wie schwer das Verlangen war, seinen Blick auf Izar zu fixieren.

„Anwesend, Herr Professor.", sprach Izar gedehnt, ein Schmunzeln auf den Lippen.

Sirius atmete schwer, gab nach und betrachtete Izar aus den Augenwinkeln.

Durch Sirius Handlungen wusste Izar, dass der Mann eine Ahnung hatte, wie es um seine Abstammung stand. Tatsächlich, schien es fast so, als hätte der Mann einen Geist gesehen. Seine Lippen waren angespannt, färbten sich um den Mund herum weiß. Seine Pupillen waren erweitert und die anthrazitfarbenen Augen zusammengekniffen.

Die Nasenlöcher weiteten sich, als sein Blick zurück zum Schreibtisch wanderte, wo er einige Sekunden ausdruckslos auf das Pergament starrte, ehe er den nächsten Namen aufrief. Izar drehte sich weg und fing Grangers Blick auf. Er entgegnete ihn kalt, bevor er sich wieder seinem Buch widmete. Sie war ein nervtötendes Schlammblut, dass es liebte, ihre Nase in Angelegenheiten zu stecken, die sie absolut nichts angingen. Er hatte sie in all den Jahren aus der Ferne beobachtet. Sie hatte nicht viele Freunde, wenn überhaupt welche. Wie Izar zog sie Bücher dem geselligen Beisammensein vor, allerdings strebte sie ebenfalls an, im Rampenlicht zu stehen, während Izar seine Schatten schätzte.

„Ich habe einen Blick auf die Kursarbeiten Ihrer früheren Professoren geworfen." Sirius schritt um seinen Schreibtisch herum und lehnte sich dagegen. „Obwohl sie alle das Material angemessen abgedeckt haben, gibt es einen Bereich, an dem Sie noch arbeiten müssen. Es ist ein Bereich, der – wie ich meine – für jede Hexe und jeden Zauberer wichtig ist."

Izar schloss sein Buch, interessiert, was der Mann zu sagen hatte.

„Duellieren."

Izars Miene wurde grimmig, während seine Stimmung in den Keller rutschte. Duellieren gehörte nicht zu seiner Stärke. Er hatte noch nie an einem Duell teilgenommen. Wobei, nein. Das war eine Lüge. Einmal hatte er es getan und das war wahrlich schrecklich ausgegangen. Izar konnte zwar jede mündliche, schriftliche oder praktische Prüfung mit Bravour bestehen, hatte aber Schwierigkeiten, sich in einem Duell zu messen. Es war zu analytisch veranlagt, um schnelle Entscheidungen zu treffen. Wenn es an der Zeit war, einen Zauber zu sprechen, gab ihm sein Verstand eine lange Liste von Möglichkeiten und Izar musste jede einzelne durchgehen, um die Auswirkungen jedes Fluchs zu bestimmen, ehe er ihn benutzte. Das war lächerlich. Und infolgedessen versuchte Izar, Duelle zu vermeiden.

„Wir werden in dieser Klasse vor allem praktische Erfahrung sammeln. Um Sie vorzubereiten, möchte ich Sie bitten, die ersten Kapitel ihres Lehrbuchs zu lesen. Darin finden sie die Umgangsformen und Traditionen, die man bei einem formalen Duell beachten muss. Zur nächsten Stunde wird es dazu einen 1,5m langen Aufsatz geben."

Stöhnen war durch die Klasse zu hören, zumindest von der Seite der Hufflepuffs aus. Sirius grinste und gluckste. „War nur ein Scherz." Das Glucksen verstummte, als die Ravenclaws ihn verständnislos anblinzelten. Der Mann räusperte sich. „Es wird keine Hausaufgaben geben. Aber ich erwarte von Ihnen allen, dass Sie lesen. Sie können die restliche Unterrichtszeit nutzen, um Ihre Lektüre in der Bibliothek zu lesen. Oder Sie können sie bis zum letzten Moment aufschieben, wie ich es früher getan habe." Der Auror bewegte sich den Gang entlang und schritt auf den Ausgang zu. „Sie sind entlassen."

Er war zur Tür hinaus, bevor irgendein Schüler auch nur die Chance hatte, aufzustehen.

Die Klasse blieb sitzen, um stattdessen die seltsame Methode des neuen Professors zu diskutieren. Es war noch nie passiert, dass ein Professor eine Klasse früher, fast eine ganze Stunde früher, entließ und dann auch noch vor ihnen zur Tür hinaus war.

Izar fand das ziemlich amüsant. Er hatte den älteren Zauberer vertrieben. Hoffentlich würden Sirius das Semester über noch Eier wachsen. Es war zwar befriedigend, zu sehen, dass er es schaffte, Sirius unbehaglich fühlen zu lassen, aber es wäre durchaus angenehm zu wissen, dass eine gewisse Familienähnlichkeit auch in dem Mann bestand.

„Bist du mit Professor Black verwandt?" Es war Granger. Sie beugte sich über seinen Schreibtisch, während sie ihm die Frage zuflüsterte.

Izar wurde zunächst von ihren zwei großen Vorderzähnen abgelenkt, dann von ihrem unausstehlichen, neugierigen Blick. „Wir haben beide dunkles Haar, einen hellen Teint und einen Penis. Wenn du denkst, dass das alles ist, was es braucht, um mit Professor Black verwandt zu sein, dann fürchte ich, dass du mehr als die Hälfte von Hogwarts zu verhören hast. Ich bin mir jedoch sicher, dass sie lieber mit dir sprechen werden." Izar packte seine Sachen und ignorierte die Röte, die in Grangers Wangen gestiegen war. Sie war wahrscheinlich verstört, weil er es gewagt hatte, das Wort „Penis" in Gegenwart einer Frau auszusprechen.

Bevor er verschwinden konnte, hielt sie ihn auf.

„Izar.", fing sie atemlos an. „Ich habe bemerkt, dass du Mahlzeiten auslässt...das ist nicht unbedingt gesund für einen heranwachsenden Jungen. Besonders dann nicht, wenn ebenjener Junge zum Hogwarts-Champion ernannt worden ist." Bevor Izar den niederschmetternden Kommentar, der ihm auf der Zunge lag, loslassen konnte, fuhr sie fort. Sie lehnte sich näher heran, sah sich um und senkte die Stimme. „Direkt unter der Großen Halle befindet sich ein Porträt, auf dem eine Obstschale abgebildet ist. Kitzele die Birne und du wirst überrascht werden."

Es war, als würde sie ihm ein Rätsel stellen wollen. Sie bot ihm sogar ein geheimnisvolles Lächeln, ehe sie das Klassenzimmer verließ.

Izar erhob sich steif und fragte sich, ob er die Bakterien von seinem Gewand entfernen, oder lieber ihrem Rat folgen sollte.

Er tat beides.

Death of Today | ÜbersetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt