.05 - Arschloch

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Er sah erschöpft aus und deutete auf das Taxi. Aha. Er hatte tatsächlich ein Taxi gerufen. Wollte ich überhaupt mit ihm in demselben Taxi einsteigen? Nein, wollte ich nicht. Ich schaute in sauer an und knurrte: „Nein, danke!"

Ohne seinen Kommentar abzugeben, ließ er mich dort stehen und stieg in das Taxi ein. Arschloch. Man lässt doch kein Mädchen um dieser Uhrzeit alleine draußen stehen. Egal, das hätte ihn nicht interessieren müssen. Schließlich hielt ich mich an einem sicheren Ort auf. Ohne eine weitere Minute zu verlieren, rief ich Bulut an, der sofort nachdem zweiten Läuten den Anruf annahm und unsicher fragte: „Asli? Ist was passiert?"

„Bulut kannst du mich abholen?", fragte ich ihn, er quetschte mich nicht wie erwartet mit Fragen aus, sondern fragte nach dem Ort und legte sofort auf.

Während ich geduldig auf Bulut wartete, setzte ich mich auf eine Bank und spielte mit meinem Handy. Ich bemerkte, dass ich einige Benachrichtigungen von ‚Facebook' erhalten hatte. Neugierig warf ich einen Blick auf sie und sah, dass mir dieser Umut eine Freundschaftsanfrage geschickt hatte. Besaß dieser Kerl wirklich keinen festen Charakter? Glaubte er wirklich ich würde seine Anfrage annehmen? Da täuschte er sich aber gewaltig! Ich schrieb ihm eine Nachricht:

„Sag mal, wieso schickst du mir eine Freundschaftsanfrage? Deinetwegen wurde die Polizei eingeschaltet! Und allein deinetwegen wurde ich zwei Stunden in dem Büro festgehalten! Lass mich gefälligst in Ruhe!" und loggte mich im Nachhinein aus.

Als plötzlich ein Auto vor mir stark bremste, blickte ich hoch und entdeckte Bulut am Lenkrad. Er sah besorgt aus, schaltete den Motor aus und lief mit einem überangestrengtem Körper auf mich zu. „Asli, was ist passiert?", fragte er fassungslos nach, dabei packte er mich an meinen Schultern und hob mich hoch, sodass er mit einem vorgebeugten Kopf mich betrachten konnte. Er war mindestens ein Kopf größer als ich und man konnte sehr gut die einzelnen Schweißtröpfe, die sich an seiner Stirn gebildet hatten, zählen. „Nichts. Ich will nach Hause, Bulut. Ich werde dir alles morgen früh erzählen, habe keinen Nerv mehr dazu", gab ich ehrlich zu. „Asli, du frierst. Deine Arme sind kalt. Seit wann stehst du hier draußen?", fragte er weiter und zog automatisch seine Jacke aus. „Hier zieh sie an", befahl er mir. Ohne ein Zögern nahm ich seine Jacke an und umhüllte mich mit der. „Danke", bedankte ich mich mit einem leichten Lächeln und wir schlenderten langsam zu seinem Auto. Er fuhr ganz ruhig und konzentrierte sich auf den Verkehr. Er sah so nachdenklich aus, an was er wohl dachte.

„Bulut?", rief ich gelassen seinen Namen. Er nahm es gar nicht wahr. „Bulut", wiederholte ich mich, erst jetzt wendete er sich mit seinen Blicken auf mich und schaute mich fragend an. „Ja, was ist Asli?" - „An was denkst du?", fragte ich ihn diesmal. „An Nichts", antwortete er merkwürdig und blickte wieder nach vorn. „Bulut, sag es doch", versuchte ich ausfindig aus ihm zu werden. „Asli, ich weiß nicht, aber ich fühle mich gerade verantwortlich dafür, dass ich dich eben vom Polizeistation abholen musste. Hätten wir dich heute nicht alleine gelassen, hätte das sicherlich nicht passiert. Hat der Junge von heute Morgen Schuld daran, dass ich dich von dort abgeholt habe?" fragte er mich gespannt. Was sollte ich ihm jetzt antworten? Ja? Damit er einen Grund dafür hatte ihn zur Rede zu stellen oder nein, damit die Sache nicht zum Eskalieren kam?

„Jein", murmelte ich vor mich und spielte mit meinen Fingern rum, „Wie bitte? Ich habe dich nicht gehört Asli." Toll.

„Ich meinte ‚jein'", wiederholte ich mich.

„Was soll denn bitteschön ‚jein' heißen? Also er ist halb-schuldig, dass ich dort aufgefunden habe?", bohrte er weiter. Seine Neugierde konnte man riechen. Er packte das Lenkrad fester. Ihn bedrückte etwas, aber ich wusste nicht was.

Nicht ohne dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt